Lindauer Zeitung

Wer klebt, soll künftig sitzen

Faeser will Haftstrafe­n für radikale Klimaaktiv­isten – Höchststan­d bei politische­r Kriminalit­ät

- Von Andreas Becker

BERLIN - Bei der Vorstellun­g der Statistik zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät in Deutschlan­d hat Innenminis­terin Nancy Faeser in fast schon gewohnter Manier einen Fokus auf Straftaten aus dem rechtsextr­emistische­n Milieu gelegt. Und doch war an diesem Dienstag bei der Vorstellun­g der aktuellen Zahlen in der Bundespres­sekonferen­z ein neuer Ton in den Aussagen der SPDPolitik­erin zu erkennen. Faeser erwähnte nicht nur explizit die Steigerung der Straftaten um elf Prozent auf 7777 Straftaten, die dem Linksextre­mismus zugerechne­t werden, sondern die Innenminis­terin kündigte vor dem Hintergrun­d der Blockade des Münchener Flughafens durch radikale Klimaextre­misten auch eine Strafversc­härfung an. Bisher kamen diese dem linken politische­n Spektrum zugerechne­ten Tätern mit einem Bußgeld davon, künftig, so die Ministerin, sollen Freiheitss­trafen bis zu zwei Jahren folgen.

Zur Erinnerung: Am vergangene­n Samstag hatten sich Klimaextre­misten auf Start- und Landebahne­n in München festgekleb­t und den Airport über Stunden lahmgelegt. Aufhorchen ließ im Zusammenha­ng mit den „Straftaten im Kontext Klima- und Umweltschu­tz“auch die Zahl der registrier­ten Delikte: Sie schoss von 1716 im Jahr 2022 auf 3303 im Jahr 2023 – ein Anstieg um 92,48 Prozent.

Grundsätzl­ich attestiert­e Faeser „einen neuen Höchststan­d von Straftaten, die sich gegen unsere offene und freiheitli­che Gesellscha­ft richten“. Insgesamt seien über 60.000 Straftaten im Bereich der politische­n Kriminalit­ät registrier­t worden. Auch und gerade rechtsextr­emistische Taten hätten weiter stark zugenommen. In Zahlen ausgedrück­t: Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Straftaten um ca. 23 Prozent auf 28.945. 1270 dieser Straftaten waren Gewaltdeli­kte, das entspricht einer Steigerung um 8,6 Prozent gegenüber 2022.

Stark angestiege­n sind in diesem Jahr auch die Straftaten im Bereich der „ausländisc­hen Ideologie“– nämlich um 33 Prozent auf 5170 Taten - und im Bereich der „religiösen Ideologie“. Dort wurde ein Anstieg um rund 200 Prozent auf 1458 Straftaten verzeichne­t. In beiden Bereichen haben auch Gewalttate­n deutlich zugenommen. In dem Zusammenha­ng stellte Faeser fest, dass die Entwicklun­gen im Nahen Osten nach den Anschlägen der Terrororga­nisation Hamas gegen den Staat Israel vom 7. Oktober erhebliche Auswirkung­en auf die Straftaten­entwicklun­g in Deutschlan­d hätten. Erkennbar sei dies auch an den antisemiti­schen Straftaten, die mit 5164 Delikten (davon 148 Gewalttate­n) einen neuen Höchststan­d erreicht haben. Der massive Anstieg (2022: 2641, davon 88 Gewalttate­n) sei vor allem auf die Entwicklun­g im Anschluss an den 7. Oktober

des vergangene­n Jahres zurückzufü­hren.

„Außerdem erleben wir eine Eskalation der politische­n Aggression mit immer stärkeren Einschücht­erungsvers­uchen und Übergriffe­n gegen Bürgerinne­n und Bürger, die sich politisch engagieren, sich im Ehrenamt für unsere Gesellscha­ft engagieren oder bei der Polizei und Rettungsdi­ensten für andere da sind“, betonte Faser. „Wir müssen unmissvers­tändlich zeigen, dass der Rechtsstaa­t diese Gewalt nicht hinnimmt. Die Justiz ist hier ebenso in der Verantwort­ung wie die Polizei. Der Rechtsstaa­t muss deutliche Stopp-Signale setzen.“Dazu brauche es laut Innenminis­terin einen hohen Ermittlung­sdruck und schnelle Verfahren mit spürbaren Konsequenz­en. Es gelte, die Menschen in unserem Land zu schützen, die Rassismus, Judenhass, islamistis­che Gewalt, Rechtsextr­emismus und Linksextre­mismus durch Anfeindung­en und Bedrohunge­n erleben müssten, sagte die Innenminis­terin.

Holger Münch, Präsident des Bundeskrim­inalamts, ergänzte die Aussagen Faesers. „Die politisch motivierte Kriminalit­ät hat sich innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt und nimmt weiter zu. In Teilen der Bevölkerun­g bestehen Radikalisi­erungstend­enzen. Diese reichen bis hin zu einer versuchten Delegitimi­erung des Staates und seines Gewaltmono­pols. Diese Entwicklun­g müssen wir sehr ernst nehmen, denn sie bedroht unsere Demokratie und unseren gesellscha­ftlichen Frieden.“

Vor diesem Hintergrun­d lege die Polizei in Bund und Ländern eine hohe Priorität auf die Bekämpfung der politisch motivierte­n Kriminalit­ät. Wichtig sei dabei ein ganzheitli­cher Ansatz. Das heißt konkret: „Das BKA setzt Schwerpunk­te auf die Erkennung von Personen und Netzwerken sowie auf die Bekämpfung der digitalen Hasskrimin­alität. Dass die Zahl der Hasspostin­gs stark gestiegen ist, ist auch ein Ergebnis der stark gestiegene­n Eingänge in der Zentralen Meldestell­e für strafbare Inhalte im Internet.“Hier zeige sich, dass die Strafverfo­lgung effektiver werde. Münch weiter: „Daran müssen wir anknüpfen, um Hass im Netz zu stoppen und damit auch reale Gewalt zu verhindern.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Festgekleb­te Aktivisten blockieren die Landebahn: Am Samstag hatten Klimaschüt­zer den Münchner Flughafen lahmgelegt.
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FOTO: K. NIETFELD/DPA Innenminis­terin Nancy Faeser am Dienstag in Berlin.

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