Eine Reality-Show im Saal 1530
Richter lässt gesamten Raum wegen Respektlosigkeit räumen – Trump sagt nicht als Zeuge aus
NEW YORK (dpa) - Der Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist ein historischer, der Vorwurf angeblicher Vertuschung von Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin könnte kaum pikanter sein. Nach mehr als einem Monat mit spektakulären Anschuldigungen und detaillierten Beschreibungen von Trumps Sexleben geriet die Verhandlung am Montag kurzzeitig aus den Fugen: Richter Juan Merchan ließ den Saal 1530 des Gerichts in Downtown Manhattan vorübergehend räumen – weil er sich von einem Trump-nahen Entlastungszeugen respektlos behandelt fühlte.
Im Prozess geht es um den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, Trump habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Daniels verbessern wollen und den Geldf luss danach falsch verbucht. Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-jährige Republikaner bei der Erstattung des Betrages an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verbergen.
Deshalb handle es sich um illegale Wahlkampf-Finanzierung. Trump, der im November erneut US-Präsident werden will, hat auf nicht schuldig plädiert.
Nachdem die Staatsanwaltschaft mit Cohen ihren letzten Zeugen aufgerufen hatte, bat Trumps Verteidigung am Montag Robert Costello zur Befragung. Der einstige rechtliche Berater Cohens sollte die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen untergraben – könnte sich durch sein Verhalten
aber eher selbst geschadet haben: Costello antwortete mehrfach auf Fragen, bei denen Merchan zuvor einen Einspruch der Staatsanwaltschaft zugelassen hatte. Der Richter belehrte den Zeugen deshalb, dass dieser in solchen Fällen nicht antworten dürfe.
Kurze Zeit später kommentierte Costello dann einen weiteren stattgegebenen Einspruch vernehmlich mit „Jeesh“– übersetzbar etwa mit einem abfälligen „Oh mein Gott“. Merchan ließ die Geschworenen in der Folge aus dem Saal bringen und sagte zum Trump-Verbündeten im Zeugenstand: „Ich möchte in meinem Gerichtssaal über den richtigen Anstand sprechen.“Er verbitte sich Kommentare zu seinen Entscheidungen. „Sie geben mir keinen Seitenblick und verdrehen nicht die Augen“, diktierte Merchan, der den Ruf hat, sich nichts gefallen zu lassen.
Als Costello den Richter dann fortwährend finster und mit rotem Gesicht anschaute, platzte es aus Merchan hörbar verärgert heraus: „Starren Sie mich nieder?“
Er ließ daraufhin den Saal räumen – mithilfe lauter und schneidender Anweisungen des Personals im Gericht, sodass sogar Trump sich umdrehte und das Geschehen beobachtete. Journalistinnen und Journalisten durften den Saal nach einigen Minuten wieder betreten, die Befragung wurde fortgesetzt. US-Medien sprachen vom „verrücktesten
Moment“des Prozesses. Dabei hielt das Verfahren um eine der polarisierendsten politischen Figuren überhaupt schon vorher einige spektakuläre Momente bereit. Ein Reporter, der quasi täglich über das Verfahren berichtet, bezeichnete den Trump-Prozess als beste Reality-Show aller Zeiten.
Das Verfahren dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf auswirken – die Frage ist bloß: wie stark und zu wessen Vorteil? Trump versucht die Anschuldigungen in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Amtsinhaber Joe Biden scheint von der Prozessarie gegen seinen Herausforderer bislang nicht erkennbar zu profitieren.
Unterdessen ist ein Ende des Prozesses in Sicht. Donald Trump selbst wird nicht als Zeuge aussagen. Trumps Anwälte beendeten am Dienstag die Zeugenbefragung, ohne Trump in den Zeugenstand zu rufen. Der Richter Juan Merchan kündigte darauf hin für Dienstag kommender Woche die Schlussplädoyers in dem Prozess an.
Er erwarte, dass die Geschworenen dann „hoffentlich irgendwann am Mittwoch“mit ihren Beratungen beginnen könnten, fügte der Richter hinzu. Offiziell gibt es dafür kein Zeitlimit, für gewöhnlich beraten Jurys aber einige Stunden bis einige Tage.