Die Aussichten sind „bedrückend“
Wirtschaft kommt nicht in Schwung – BWIHK-Präsident sieht „frustrierende Rahmenbedingungen“– Betriebe investieren lieber im Ausland
STUTTGART - Die Wirtschaft im Südwesten kommt nicht vom Fleck: „Viele Weltmärkte zeigen Zeichen des Aufschwungs, aber die Bremsen unserer Konjunktur sitzen fest“, fasst Christian Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen. „Den Unternehmen fehlen weiter Impulse für einen Aufschwung.“
Der Trend zur Stagnation scheint ungebrochen. So haben sich die Lagebewertungen im Frühsommer weiter verschlechtert. Die Geschäftserwartungen bleiben düster, so die Ergebnisse der landesweiten BWIHK-Konjunkturumfrage, an der sich im April mehr als 3.300 Unternehmen jeder Größe und Branche beteiligt haben. Insgesamt habe die Südwest-Wirtschaft nach wie vor mit „handfesten strukturellen Herausforderungen“zu kämpfen, berichtet Erbe und nennt insbesondere den Fachkräftemangel sowie die hohen Kosten am Standort für Energie, Personal und Finanzierung.
„Hinzu kommen die Belastung durch bürokratische Vorgaben, Unsicherheiten durch eine unberechenbare Wirtschaftspolitik und eine hohe Steuerlast. Unter all dem leiden Investitionsbereitschaft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen“, fasst der BWIHKPräsident die Lage zusammen.
Auch bundesweit besteht nur wenig Grund für Optimismus: Nach Angaben des Ifo-Instituts hat die deutsche Industrie ihre Position im internationalen Wettbewerb weiter verschlechtert. Demnach berichten die Unternehmen in den monatlichen Umfragen der Münchner Wirtschaftsforscher
seit dem dritten Quartal 2022, dass sie EU-intern Boden verloren hätten – auf den außereuropäischen Märkten sogar seit dem ersten Quartal 2022.
„Für die deutsche Industrie wird es schwieriger, sich im Wettbewerb zu behaupten“, sagt Klaus Wohlrabe, der Leiter der Ifo-Umfragen. Aktuell meldeten demnach nahezu alle Industriezweige für das erste Quartal 2024 eine schlechtere Wettbewerbsposition als im Schlussquartal 2023. Ausgenommen waren laut Ifo-Institut lediglich die Pharmaindustrie sowie die Hersteller von Holzwaren – allerdings ohne Möbel.
In Baden-Württemberg setzt sich bei der Bewertung der aktuellen Geschäftslage der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort: Nur noch 31 Prozent der Betriebe bezeichnen ihre Lage als „gut“(drei Prozentpunkte weniger als im Januar 2024 und zehn Prozentpunkte weniger als im Frühsommer 2023), 18 Prozent als „schlecht“(eine Zunahme um zwei Prozentpunkte zur Vorumfrage und um zehn Prozentpunkte zur Vorjahresumfrage).
Die Geschäftserwartungen der Südwest-Wirtschaft verbessern sich leicht, bleiben aber insgesamt negativ und liegen laut BWIHK „weit unter dem langjährigen Mittelwert“. Mit 26 Prozent geht mehr als jeder vierte Betrieb von einer Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten aus (Jahresbeginn: 29 Prozent), nur 19 Prozent rechnen mit Besserung (Jahresbeginn: 18 Prozent), heißt es laut Mitteilung.
„Zusammengefasst sind die Aussichten der hiesigen Wirtschaft bedrückend. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage müssen jetzt ein deutlicher Weckruf für die deutsche wie auch europäische Politik sein“, stellt Erbe klar. „Die strukturellen Probleme belasten unsere Unternehmen weiterhin und dämpfen, zusammen mit steigender Bürokratie und der Verunsicherung über die unstete Wirtschaftspolitik, die Nachfrage nach Investitions- wie Konsumgütern bedenklich“, sagt der BWIHK-Präsident.
Das meistgenannte Geschäftsrisiko für Südwest-Unternehmen bleibt mit 66 Prozent die schwache Inlandsnachfrage. Gut die Hälfte der Befragten nennt Fachkräftemangel (57 Prozent), Arbeitskosten (53) und Energiepreise (46) als Geschäftsrisiken.
„Die schwächelnde Konjunktur gepaart mit den frustrierenden Rahmenbedingungen hemmen auch Investitionspläne im Inland“, bedauert BWIHK-Präsident Erbe. 31 Prozent der investierenden Unternehmen haben vor, ihre Investments in Deutschland zu verringern. Vierzehn Prozent der befragten Industrieunternehmen – also jedes siebte – hätten in den vergangenen drei Jahren Investitionen im Inland gestrichen und dieses Geld im Ausland eingesetzt.
Erbe warnt, dass ohne Investitionen ein robuster Aufschwung nicht zu schaffen sei. „Hier muss Deutschland endlich handeln und seine hausgemachten Konjunkturbremsen lösen“, sagt er.