Lindauer Zeitung

Die Aussichten sind „bedrückend“

Wirtschaft kommt nicht in Schwung – BWIHK-Präsident sieht „frustriere­nde Rahmenbedi­ngungen“– Betriebe investiere­n lieber im Ausland

- Von Thomas Hagenbuche­r

STUTTGART - Die Wirtschaft im Südwesten kommt nicht vom Fleck: „Viele Weltmärkte zeigen Zeichen des Aufschwung­s, aber die Bremsen unserer Konjunktur sitzen fest“, fasst Christian Erbe, Präsident des Baden-Württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags (BWIHK), die Ergebnisse der aktuellen Konjunktur­umfrage zusammen. „Den Unternehme­n fehlen weiter Impulse für einen Aufschwung.“

Der Trend zur Stagnation scheint ungebroche­n. So haben sich die Lagebewert­ungen im Frühsommer weiter verschlech­tert. Die Geschäftse­rwartungen bleiben düster, so die Ergebnisse der landesweit­en BWIHK-Konjunktur­umfrage, an der sich im April mehr als 3.300 Unternehme­n jeder Größe und Branche beteiligt haben. Insgesamt habe die Südwest-Wirtschaft nach wie vor mit „handfesten strukturel­len Herausford­erungen“zu kämpfen, berichtet Erbe und nennt insbesonde­re den Fachkräfte­mangel sowie die hohen Kosten am Standort für Energie, Personal und Finanzieru­ng.

„Hinzu kommen die Belastung durch bürokratis­che Vorgaben, Unsicherhe­iten durch eine unberechen­bare Wirtschaft­spolitik und eine hohe Steuerlast. Unter all dem leiden Investitio­nsbereitsc­haft und die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit unserer Unternehme­n“, fasst der BWIHKPräsi­dent die Lage zusammen.

Auch bundesweit besteht nur wenig Grund für Optimismus: Nach Angaben des Ifo-Instituts hat die deutsche Industrie ihre Position im internatio­nalen Wettbewerb weiter verschlech­tert. Demnach berichten die Unternehme­n in den monatliche­n Umfragen der Münchner Wirtschaft­sforscher

seit dem dritten Quartal 2022, dass sie EU-intern Boden verloren hätten – auf den außereurop­äischen Märkten sogar seit dem ersten Quartal 2022.

„Für die deutsche Industrie wird es schwierige­r, sich im Wettbewerb zu behaupten“, sagt Klaus Wohlrabe, der Leiter der Ifo-Umfragen. Aktuell meldeten demnach nahezu alle Industriez­weige für das erste Quartal 2024 eine schlechter­e Wettbewerb­sposition als im Schlussqua­rtal 2023. Ausgenomme­n waren laut Ifo-Institut lediglich die Pharmaindu­strie sowie die Hersteller von Holzwaren – allerdings ohne Möbel.

In Baden-Württember­g setzt sich bei der Bewertung der aktuellen Geschäftsl­age der Abwärtstre­nd der vergangene­n Jahre fort: Nur noch 31 Prozent der Betriebe bezeichnen ihre Lage als „gut“(drei Prozentpun­kte weniger als im Januar 2024 und zehn Prozentpun­kte weniger als im Frühsommer 2023), 18 Prozent als „schlecht“(eine Zunahme um zwei Prozentpun­kte zur Vorumfrage und um zehn Prozentpun­kte zur Vorjahresu­mfrage).

Die Geschäftse­rwartungen der Südwest-Wirtschaft verbessern sich leicht, bleiben aber insgesamt negativ und liegen laut BWIHK „weit unter dem langjährig­en Mittelwert“. Mit 26 Prozent geht mehr als jeder vierte Betrieb von einer Verschlech­terung in den kommenden zwölf Monaten aus (Jahresbegi­nn: 29 Prozent), nur 19 Prozent rechnen mit Besserung (Jahresbegi­nn: 18 Prozent), heißt es laut Mitteilung.

„Zusammenge­fasst sind die Aussichten der hiesigen Wirtschaft bedrückend. Die Ergebnisse der Konjunktur­umfrage müssen jetzt ein deutlicher Weckruf für die deutsche wie auch europäisch­e Politik sein“, stellt Erbe klar. „Die strukturel­len Probleme belasten unsere Unternehme­n weiterhin und dämpfen, zusammen mit steigender Bürokratie und der Verunsiche­rung über die unstete Wirtschaft­spolitik, die Nachfrage nach Investitio­ns- wie Konsumgüte­rn bedenklich“, sagt der BWIHK-Präsident.

Das meistgenan­nte Geschäftsr­isiko für Südwest-Unternehme­n bleibt mit 66 Prozent die schwache Inlandsnac­hfrage. Gut die Hälfte der Befragten nennt Fachkräfte­mangel (57 Prozent), Arbeitskos­ten (53) und Energiepre­ise (46) als Geschäftsr­isiken.

„Die schwächeln­de Konjunktur gepaart mit den frustriere­nden Rahmenbedi­ngungen hemmen auch Investitio­nspläne im Inland“, bedauert BWIHK-Präsident Erbe. 31 Prozent der investiere­nden Unternehme­n haben vor, ihre Investment­s in Deutschlan­d zu verringern. Vierzehn Prozent der befragten Industrieu­nternehmen – also jedes siebte – hätten in den vergangene­n drei Jahren Investitio­nen im Inland gestrichen und dieses Geld im Ausland eingesetzt.

Erbe warnt, dass ohne Investitio­nen ein robuster Aufschwung nicht zu schaffen sei. „Hier muss Deutschlan­d endlich handeln und seine hausgemach­ten Konjunktur­bremsen lösen“, sagt er.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Der Konjunktur­motor im Südwesten stottert gewaltig.

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