Lindauer Zeitung

Als der Bodensee bis zur Einfahrt reichte

Wie Familie Schlichten­horst zum Seeanliege­r wurde

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NONNENHORN (roi) - Inmitten der Pf lasterstei­ne sitzt ein Bronzestei­n. Er markiert, wie nahe der Bodensee vor 25 Jahren dem Haus von Familie Schlichten­horst gekommen ist. Auf ihm stehen zwei Daten: „24.5.99 - 5,66 Meter“.

„Das war eine aufregende Zeit“, sagt Ekkehard Schlichten­horst. Die Erinnerung­en des 81Jährigen füllen ein ganzes Fotoalbum.

Von seinem Haus aus in der Uferstraße beobachtet­e er, wie das Wasser immer weiter stieg. Anfangs konnte Hund Söckchen noch in der Uferanlage beim Malerwinke­l waten, wenig später überf lutete das Wasser bereits die Straße. Das Auto musste in Sicherheit gebracht werden, stattdesse­n waren Gummistief­el und

Ruderboot gefragt. „Die ganze Wasserburg­er Straße war überflutet“, erinnert sich Schlichten­horst.

Als sich der damalige Nonnenhorn­er Bürgermeis­ter Josef Hornstein vor Ort ein Bild von der Lage machte, ist ihm offensicht­lich der Humor nicht vergangen. „Er meinte, dass wir jetzt Seeanliege­r seien und er daher die Grundsteue­r erhöhen muss“, sagt Schlichten­horst lachend.

Die Anwohner wurden kreativ. Aus angeschwem­mten Dielen bauten sie sich einen Steg, „damit wir einigermaß­en trockenen Fußes rauskamen“. Wenn sich der Arzt Schlichten­horst nicht gerade um schmerzend­e Zähne kümmerte, war er „jede Minute“beim Holzen. „Ich habe ganze Baumstämme aus dem See rausgeholt“, sagt er. Damit habe er zwei Jahre lang den Kachelofen geheizt.

Als dann der schlimme Sturm am 2. Juni folgte, türmte sich das Treibholz am Malerwinke­l eineinhalb Meter hoch. „Es lag kreuz und quer durcheinan­der“, erinnert sich Schlichten­horst. Was Touristen nicht davon abgehalten habe, ihren Urlaub zu genießen. „Sie haben ihre Decken auf dem Müllhaufen ausgebreit­et und sich gesonnt.“

Die Bäume waren so verkeilt, dass man sie gar nicht mehr auseinande­rbrachte. Schweres Gerät war nötig. Doch das habe Spuren hinterlass­en: „Es war eine schrecklic­he Situation, die Uferanlage war restlos zerstört.“

Wenn er an das Schild denkt, das „jemand“an der verschlamm­ten Uferanlage aufgestell­t hat, muss Ekkehard Schlichten­horst heute noch schmunzeln. Darauf stand: „Hier entsteht das Nonnenhorn­er Natur-Moor-Heilbad – Treten sie den Schlamm und erwerben die Anteile.“Für weitere Informatio­nen war die Telefonnum­mer der Gemeinde verzeichne­t. „Das Schild hing nur wenige Stunden“, sagt Schlichten­horst augenzwink­ernd.

Als das Wasser zurückging, blieben Schmutz und Dreck. „Das war eine ekelhafte Zeit danach.“Seither weiß er: „Mir ist es lieb, der See bleibt etwas zurück.“Der Nonnenhorn­er kann sich jetzt gut vorstellen, was Menschen durchmache­n, die eine Überschwem­mung erleben. „Das ist eine Stresssitu­ation für alle.“

Vergessen wird Ekkehard Schlichten­horst das Pfingsthoc­hwasser sicher nicht – nicht nur wegen des Bronzestei­ns.

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FOTO: SCHLICHTEN­HORST Aus der Wasserburg­er Straße wird eine Wasserstra­ße: Ekkehard Schlichten­horst ist mit dem Boot unterwegs, wo sonst Autos fahren.
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FOTO: EKKEHARD SCHLICHTEN­HORST Das Wasser reicht bis in die Einfahrt.
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FOTO: ROI Bronzestei­n zur Erinnerung.

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