Chromebook statt Macbook
Für zwei Wochen habe ich mein geliebtes Macbook Pro in die Schublade gelegt und bin testweise auf ein Chromebook umgestiegen. Der Beginn einer großen Liebe?
Redakteur Stefan Molz hat zu Testzwecken sein Macbook gegen ein Chromebook getauscht und berichtet seinen Erfahrungen
Die Frage hinter meinem Selbstversuch: Wie einfach gestaltet sich der Einstieg in die Arbeit mit einem Chromebook, wie sehr muss man sich als von – in meinem Fall – macos oder – in vielleicht deinem Fall – von Windows kommender Umsteiger in eine neue Welt eindenken? Schließlich steckt in einem Chromebook mit Chrome OS ja auch ein neues Betriebssystem. Welche Einschränkungen zeigen sich, welche Vorteile bringt solch ein „Google-notebook“mit sich?
Wenn der Postmann zweimal klingelt
Seinen Anfang nimmt alles mit einem unscheinbaren Karton. Darin steckt ein mir leihweise überlassener Rechner. Offensichtlich nicht irgendein Gerät, denn eine kurze Internetrecherche offenbart mir als Unkundigen in Sachen Chromebook das Asus C436F als eines der aktuellen Topmodelle. Optisch und haptisch macht die Asus-flunder eine gute Figur: Es ist nicht ganz so wuchtig wie ein Macbook, besteht aber dennoch aus viel solidem Metall.
Mir gefällt das Asus-chromebook, es hinterlässt einen wertigen Eindruck. Überrascht war ich beim ersten „In-die-hand-nehmen“, dass sich das Display komplett umklappen lässt: Das C436F ist nicht nur ein Laptop, es ist ein Convertible – und somit ein Hybrid aus klassischem Rechner und einem Tablet. Ergo ist der Bildschirm ein Touchscreen; Apple hat so etwas nicht im Sortiment.
Wie viele andere aktuelle Notebooks setzt das C436F auf eine reduzierte Schnittstellenausstattung. Als Mac-anwender ist man
das ohnehin schon gewohnt und weiß, dass man auch mit zwei USB-C- und einer Kopfhörerbuchse im digitalen Alltag „überleben“kann. Asus legt allerdings gegenüber günstigen Macbooks einen Einschub für Micro-sd-karten drauf.
Überhaupt: Für einen Listenpreis von rund 1.000 Euro kann sich die Ausstattung sehen lassen: 14-Zoll-display, aktueller Core-i5-prozessor, 16 GB RAM, 512 GB Ssd-kapazität. Damit kann man schon einiges anfangen – auch weil der Akku selbst bei anspruchsvollen Aufgaben lange durchhält. Mein Macbook Pro streicht im Vergleich zum Asus-gerät früher die sprichwörtlichen Segel.
Kurzum: Hardwareseitig sieht das Ganze auf den ersten Blick ganz gut aus. Einzig die Tastatur gefällt mir nicht so recht. Es lässt sich zwar angenehm auf ihr schreiben, doch die Beschriftung hebt sich nur schlecht von den silbernen Tasten ab. Ein Blick auf das aktuelle Angebot an Chromebooks zeigt mir aber, dass ich viele Alternativen hätte und in Sachen Bildschirmgröße, Prozessor, Speicherausstattung und auch Details, wie dem Keyboard, durchaus wählen kann – es gibt nicht das „eine“Chromebook, sondern eine breite Auswahl an Geräten für jeden Geldbeutel und unterschiedliche Ansprüche.
Von Arbeit …
Mit der Lebensrealität eines Clark Kent hat der Arbeitstag eines Redakteurs tatsächlich nur wenig gemein – mehr als zwei Drittel der Zeit sitzt man vor dem Computer, statt Super-bösewichte zu jagen. Ein Blick in die Liste der von mir auf dem Mac am meisten genutzten Programme offenbart, dass ich vor allem Textverarbeitungen (Ulysses, Bean), Webbrowser (Chrome, Safari), einen Mailclient (Mail.app), einen Kalender (Fantastical 3) und diverse Tools, wie etwa Slack, 1Password und Todoist, nutze.
Die Ersteinrichtung des Chromebooks geht unglaublich schnell von der Hand. Ich muss mich lediglich mit meinem (ohnehin vorhandenen) GoogleAccount anmelden. Der Großteil meiner Arbeit zeigt sich dabei vom Start weg auch zum Chromebook kompatibel – oder es findet sich schnell eine vergleichbare Alternative. Viele Anwendungen sind ohnehin schon als Web-app ausgelegt: etwa Slack, 1Password und Todoist. Der Bequemlichkeit halber ersetze ich Apps wie meinen Mail-client sowie die Kalenderund Notizen-anwendungen schlicht durch Google Mail, den Google Kalender und die Notizen. Die Google-dienste nutze ich ohnehin schon im Hintergrund für Kalender, Kontakte und mehr, entsprechend finden sich viele meiner Daten hier bereits ganz ohne die Not einer Migration.
Nur für Ulysses, meine persönliche Schreibwerkstatt, habe ich auf Anhieb keine vollwertige Alternative gefunden, möchte es aber mal mit ia Writer aus dem
Play Store probieren.
Nun arbeitet nicht jeder an vergleichbaren Aufgaben und mit den gleichen Werkzeugen wie ich, aber meiner ersten Einschätzung nach gibt es vor allem im Bereich klassischer Bürojobs eine ganze Reihe Alternativen zu herkömmlichen Anwendungen für Macs und Windows-pcs.
… und Vergnügen
Meine Zeit vor dem Computer ist mitnichten ein klassisches „9-to-5“; auch in der Freizeit verbringe ich (viel zu) viel Zeit vor dem Rechenknecht. Und so sind es die Stunden nach Feierabend, in denen ich auf Schwächen von Chrome OS stoße und für die ich nur bedingt Lösungen finde. So habe ich weder für die Bearbeitung von Raw-dateien eine zu Lightroom (die Android-version hat ein sehr beschränktes Feature-set) oder Capture One Pro vergleichbare Anwendung gefunden, noch eine zu Logic Pro X samt Plug-ins ebenbürtige Alternative im Bereich der Musikproduktion.
Überhaupt scheint das Chromebook Schwächen im Audio-/video-anwendungsfall zu haben, denn auch beim Videoschnitt sind keine zu Final Cut Pro oder Premiere vergleichbaren Programme zu haben – die verfügbaren Android- und Webapps spielen auf den ersten Blick hin nicht einmal auf dem Niveau eines imovie, dem Einsteiger-schnittprogramm von Apple – schade.
Besser sieht es aus, wenn man Medien lediglich konsumieren statt selbst erstellen will. Die Wiedergabe von Musik und Video ist problemlos möglich, aber auch auf Videospiele versteht sich das Chromebook. Dass sich viele Android-titel spielen lassen, ist eher als Beigabe zu betrachten, oft sind diese nicht auf den Bildschirm eines Chromebooks respektive von Tablets hin optimiert.
Großer Spaß steckt aber im Spiele-streaming via Stadia, das grafisch aufwändige Titel auf das Display holt und selbst schwachbrüstigere Chromebook-hardware in eine Alternative zur Spielkonsole verwandelt.
Tag der Abrechnung
Schnellvorlauf hin auf Tag 14 meines Experiments – Zeit für eine Bilanz: Was hat mir gefallen, was würde mir bei meiner weiteren Arbeit an einem Chromebook gegenüber „klassischen“Computern fehlen?
Begeistert bin ich zunächst einmal davon, dass ich tatsächlich den Großteil meiner beruflichen Arbeit und meiner privaten Aufgaben am Chromebook habe erledigen können. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, ausschließlich auf einem solchen Gerät zu arbeiten – noch bin ich im Arbeitsalltag nicht über unlösbare Probleme gestolpert.
Die Power eines C436F aber brauche ich wohl nicht; mir würde das Lenovo Flex 5 Chromebook gefallen – rund 500 Euro für einen Convertible mit acht Jahren Updategarantie seitens Googles erscheint mir als ein fairer Preis.
Nachteile sehe ich vor allem ob meines Daseins als Gewohnheitstier. Mir fehlen unter Chrome OS im Privaten dann doch einige meiner – teils über Jahrzehnte liebgewonnenen – Anwendungen. Insbesondere im kreativen Bereich sind jenseits ein paar einzelner Android-apps schlagkräftige Alternativen zu den Flaggschiffen anderer Plattformen noch Mangelware; Lightroom, Logic und Co. bleiben auf dem Chromebook bislang ein unerfüllter Traum.
Auch zum Spielen eignet sich das Chromebook trotz Stadia bislang nur bedingt – mir ist die Auswahl an Titeln schlicht zu klein.
Nach 14 Tagen mit einem Chromebook bin ich so durchaus nicht unfroh, wieder zu meinem gewohnten Macbook Pro zurückkehren zu dürfen (wobei ich prompt den Bildschirm als Touchscreen nutzen wollte!). Ich weiß nun aber nicht nur um die Schwächen eines Chromebooks, sondern auch um dessen Stärken.
Eine erste Anschaffung ist indes schon geplant: Meine Tochter benötigt ein Notebook für die Schule, Netflix und mehr – all das vermag ihr ein Chromebook in einem auch preislich attraktiven Gesamtpaket durchaus zu bieten.