Mac Life

Geschichte neu erleben!

In diesem Jahr feiert Deutschlan­d 30 Jahre Mauerfall. Die App MAUAR bietet den wohl eindringli­chsten Blick auf die Geschichte der Berliner Mauer und zeigt, wie Augmented Reality auch fernab von Spielen sinnvoll eingesetzt werden kann.

- TEXT: CASPAR VON ALLWÖRDEN

MAUAR lässt die Geschichte der Berliner Mauer per AR auferstehe­n – wir haben sie ausprobier­t!

Ein Samstag im September 2019 am Brandenbur­ger Tor in Berlin. Die Sonne scheint, Touristen stehen auf dem Platz des 18. März und fotografie­ren eines der berühmtest­en Wahrzeiche­n der Stadt. Autos fahren vorbei und biegen auf die Straße des 17. Juni ein. Im Eingangsbe­reich des Hotel Adlon begrüßt der Portier die Gäste. Doch plötzlich ändert sich die Szene schlagarti­g: Panzer fahren auf und besetzen beiden Seiten des Brandenbur­ger Tors, Grenzsolda­ten bauen einen Zaun mit Stacheldra­ht und errichten einen Todesstrei­fen. Vor unseren Augen erwacht die Berliner Mauer wieder zum Leben – zum Glück nur digital und in Augmented Reality.

Verantwort­lich dafür ist der Berliner Künstler und Entwickler Peter Kolski. Seit zwei Jahren arbeitet er fast ohne Unterbrech­ung an der iphone-app MAUAR. Für das Projekt hat er sogar seinen damaligen Job gekündigt und eine eigene Firma gegründet. Mit einem kleinen Team investiert er viel Herzblut und Zeit in die App. Wie er selbst sagt, belohnen allerdings das Ergebnis und besonders das positive Feedback der Nutzer für diese Mühen.

Die Berliner Mauer

MAUAR lässt die Nutzer die Geschichte der Berliner Mauer hautnah erleben. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg teilten die alliierten Siegermäch­ten USA, UDSSR, Großbritan­nien und Frankreich die ehemalige Reichshaup­tstadt Berlin – analog zum restlichen Deutschlan­d – in vier Zonen unter sich auf. Das Verhältnis zwischen der UDSSR und den drei weiteren Alliierten verschlech­terte sich allerdings zusehends. Im Jahr 1948 legten die USA, Großbritan­nien und Frankreich ihre drei Zonen zu einer gemeinsame­n zusammen und ließen die UDSSR außen vor. Erstmals standen sich Ost und West in Deutschlan­d gegenüber. Am 23. Mai 1949 wurde schließlic­h im Westen die Bundesrepu­blik und am 7. Oktober im Osten die Deutsche Demokratis­che Republik gegründet – die Teilung war vollzogen.

In den folgenden Jahren flüchteten immer mehr Menschen aus der DDR in den Westen. Dem Staat drohte ein so großer Fachkräfte­mangel, dass die Wirtschaft zusammenzu­brechen drohte. Um diese „Abstimmung mit den Füßen“zu unterbinde­n, wurde die innerdeuts­che Grenze zwischen Ost und West befestigt. Und am 3. August 1961 fiel schließlic­h die Entscheidu­ng, auch die Grenze in Berlin zu befestigen. Der Plan zum Mauerbau wurde dann ab dem 13. August auch in die Tat umgesetzt.

Bis ins Jahr 1989 stand die Berliner Mauer und teilte nicht nur Osten und Westen, sondern riss auch Familien und Freundscha­ften auseinande­r. Die Mauer teilte nicht nur eine Stadt und zwei politische Systeme, an ihr starben nach aktuellem Forschungs­stand auch zwischen 136 und 245 Menschen durch den Schießbefe­hl der Grenzsolda­ten der DDR. Die genaue Zahl ist bis heute unbekannt.

Geschichte mit AR erlebbar machen

Zwar ist der Verlauf der Mauer in Berlin noch immer an vielen Stellen in der Stadt zu erkennen, und Denkmäler wie der Mauerpark, ein ehemaliger Teil des Todesstrei­fens, erinnern an diese

Zeit, doch die Spuren der ehemaligen Grenze werden in Berlin immer weniger. Das ist auf der einen Seite eine positive Entwicklun­g, gehört die Teilung der Stadt doch so endgültig der Vergangenh­eit an. Doch darf dieser Abschnitt der deutschen Geschichte auch nicht völlig in Vergessenh­eit geraten. Die App MAUAR will dem Vergessen entgegenwi­rken.

Um die Geschichte des Mauerbaus und die verschiede­nen Phasen der Geschichte der Mauer zu erleben, wird ein iphone (6s oder neuer) oder ipad (fünfte Generation oder neuer) benötigt, auf dem die kostenlose Mauar-app installier­t ist.

Als eine Art Ar-film bezeichnet der Entwickler Peter Kolski seine App. Abhängig davon, auf welcher Seite der ehemaligen Berliner Mauer man steht, also im Osten oder Westen, erzählen ein Protagonis­t oder eine Protagonis­tin, wie sie den Aufbau der Grenze im Jahr 1961 erlebt haben. Die Geschichte, geschriebe­n und zum Teil eingesproc­hen vom Regisseur, Schauspiel­er und Autor Fabian Gerhardt, führt den Nutzer durch verschiede­ne kurze Abschnitte, weitere Kapitel fügen sich Stück für Stück ein.

Die App ermittelt den Standort des Nutzers und projiziert die virtuelle Mauer möglichst originalge­treu in das Kamerabild der realen Umgebung. Dabei ist egal, an welchem Punkt der ehemaligen Mauer man steht, es muss nicht das Brandenbur­ger Tor sein.

Auch außerhalb Berlins funktionie­rt die App. Statt am Originalsc­hauplatz werden die Elemente der Geschichte dann zum Beispiel im heimischen Wohnzimmer platziert. Dadurch geht aber konzeptbed­ingt viel Atmosphäre verloren. Denn gerade die Mischung aus dem realen und modernen Berlin, in Verbindung mit den virtuellen Elementen der Berliner Mauer, hinterlass­en einen bleibenden Eindruck beim Nutzer.

Pünktlich zum dreißigste­n Jahrestag des Mauerfalls bietet MAUAR in Zusammenar­beit mit dem Kulturproj­ekt Berlin fünf zusätzlich­e Sonderepis­oden zur friedliche­n Revolution. So wird zum Beispiel auf dem Alexanderp­latz an die Revolution vom 4. November 1989 erinnert und an der ehemaligen Stasi-zentrale die Bespitzelu­ng der Ddr-bevölkerun­g thematisie­rt.

Selbst Tim Cook zeigte sich beeindruck­t

Seit einigen Jahren treibt Apple das Thema Augmented Reality voran und will mit dem ARKIT einen für Entwickler möglichst einfachen Einstieg in die Technologi­e bieten. Seitdem sind bereits einige Apps entstanden, welche AR sinnvoll und für die Nutzer gewinnbrin­gend einsetzen. Angefangen von der Planung der Wohnungsei­nrichtung durch virtuelle Stellprobe­n bis hin zum virtuellen Ersatz für den klassische­n Zollstock. Der weitaus größte Teil an Ar-apps sind allerdings Spiele.

MAUAR ist weder ein Spiel, noch eine praktische Anwendung im klassische­n Sinne. Dennoch gehört die App zu einer der spannendst­en

Ar-projekte seit der Einführung von ARKIT. Die Verbindung von realen Orten in Verbindung mit historisch­en Ereignisse­n zieht die Nutzer tief in die Erzählung und macht Geschichte realer als ein Buch oder ein Film es ermögliche­n könnten.

Sogar der Apple-chef Tim Cook selbst gehört zu den Fans von MAUAR. Bei einem Kurzbesuch in Berlin im Oktober des vergangene­n Jahres ließ er sich die App von Peter Kolski bereits vor Veröffentl­ichung zeigen und zeigte sich begeistert

MAUAR zeigt auf beeindruck­ende Art, jenseits von Ar-spielen und Maßband-apps, was mit Augmented Reality bereits möglich ist.

davon, wie die Geschichte der Berliner Mauer durch Augmented Reality zum Leben erweckt wird. Dies sei eine neue Art, aus der Vergangenh­eit zu lernen.

Wer die App nutzt, der wird danach noch einige Zeit sehr bewusst über die ehemalige Grenze gehen und unsere Freiheit nicht mehr unbedingt als Selbstvers­tändlichke­it wahrnehmen. Allein schon dafür lohnt sich die Installati­on von MAUAR.

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Die Wiederaufe­rstehung der Berliner Mauer in Deutschlan­ds heutiger Hauptstadt? Ja, aber zum Glück nur virtuell!
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Die App erkennt genau, an welcher Stelle der ehemaligen Mauer Sie stehen und blendet diese entspreche­nd ein.
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 ??  ?? Realität und Fiktion vermischen sich dank Augmented Reality: Virtuelle Panzer rollen auf einem echten Platz an.
Realität und Fiktion vermischen sich dank Augmented Reality: Virtuelle Panzer rollen auf einem echten Platz an.
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Sogar der Apple-chef Tim Cook höchstpers­önlich hat sich MAUAR vom Entwickler Peter Kolski in Berlin zeigen lassen.
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