Mac Life

Kopfhörer an, Straßenlär­m aus

Die neuen Airpods Pro will Apple nicht etwa als Ersatz für die „normalen“Airpods verstanden wissen: Sie stellen mit ihrer aktiven Geräuschun­terdrückun­g eine neue Produktkat­egorie dar. Mac-life-chefredakt­eur Sebastian Schack hat die neuen In-ears getestet.

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Nicht nur neue Funktionen und ein höherer Preis (mit 280 Euro sind die Airpods Pro exakt 100 Euro teurer als die im März vorgestell­ten Airpods der zweiten Generation) machen klar, dass die Airpods Pro ein wichtiger Schritt für Apple sind. Auch die Bauform hat sich im Vergleich zum Beststelle­r verändert: Handelt es sich bei den Airpods um „Earbuds“(Ohrhörer also, die in der Ohrmuschel aufliegen), sind die Airpods Pro echte „In-ears“– Hörer also, die man in den äußeren Gehörgang einführt.

Kleinere Ohrhörer, größeres Ladecase

Besitzern der Airpods der ersten oder zweiten Generation fällt beim Öffnen der Verpackung der neuen Airpods Pro sofort auf, dass sich die Form des Ladecases deutlich verändert hat. Das Format entspricht in etwa einem um 90 Grad gedrehten Case der normalen Airpods. Die neue Ladehülle ist dabei merklich größer – allerdings nicht so auftragend groß wie die der Powerbeats Pro. Das Case der Airpods Pro passt immer noch komfortabe­l in jede Hosentasch­e – und sogar in die fünfte Jeanstasch­e.

Die Ohrhörer selbst sind dafür merklich kleiner geworden – primär an der Stelle, die oft liebevoll als „Antenne“verspottet wird, also dem „Stift“, der nach unten aus den Ohren herausragt. Natürlich haben findige Spaßvögel gleich mehrere neue (teils lustige) Assoziatio­nen gefunden. Was aber feststeht: Die Airpods Pro sind weniger auffällig als die „alten“Airpods.

Das Gehäuse der neuen Airpods Pro ist nun wasserdich­t – und zwar klassifizi­ert nach IPX4: Schweiß bereitet ebenso wenig Probleme wie Regen. Apple weist allerdings darauf hin, dass sich die Pro-modelle nicht für Wasserspor­tarten wie Schwimmen und Triathlon eignen – Sie würden dabei wohl auch rausfallen.

Ein guter Tip, gefällig?

Es ist nicht ganz einfach abzuschätz­en, wie groß die eigenen Ohrkanäle wirklich sind. Die Wahl der richtigen Gummi-ohreinsätz­e (in Apple-sprech: „Tips“) ist allerdings essenziell für den bestmöglic­hen Klang und eine wirksame Geräuschun­terdrückun­g.

Apple macht die Wahl der richtigen Tips einfach. Wie bei anderen höherpreis­igen Konkurrenz­modellen auch, liegt nicht nur ein Satz Aufsätze bei, sondern ein Set aus drei Tip-paaren verschiede­ner Größe. Vorkonfekt­ioniert sind die In-ears mit einem Paar der Größe „M“. Der Wechsel ist einfach, auch wenn er etwas Kraft erfordert: Sie ziehen die aufgesteck­ten Tips einfach ab – keine komplizier­ten Klick- oder Drehmechan­ismen. Große Sorge, die Tips kaputtzuma

„Die Airpods Pro sind meine neuen Standard-kopfhörer geworden. Der Sound ist gut genug, das ANC überzeugt und die kompakte Größe erlaubt es mir, sie immer dabei zu haben. Perfekt!“

chen oder gar zu verlieren, muss man indes nicht haben: Apple-untypisch günstige 5 Euro kostet ein neues Set der Gummipfrop­fen.

Haben Sie sich für ein Paar entschiede­n, navigieren Sie auf dem iphone zu den BluetoothE­instellung­en und tippen auf das „i“neben den angezeigte­n Airpods Pro. Dort nämlich kann man alsdann den „Passtest für Ohreinsätz­e“starten – ein Novum bei In-ears: Der Träger bekommt etwa fünf Sekunden lang ein Song-fragment auf die Ohren ausgespiel­t, und die in den AirPods Pro verbauten Mikrofone testen, wie gut die Schallabdi­chtung mit den gewählten Tips ist. Apple spielt hier einmal mehr die Verzahnung von Hardware und App perfekt aus – sinnvoll für eine optimale Geräuschun­terdrückun­g.

Aktive Geräuschun­terdrückun­g

Kommen wir endlich zur größten Neuerung: Die Airpods Pro sind die ersten Apple-ohrhörer mit aktiver Geräuschun­terdrückun­g, kurz ANC (für Active Noise Cancelling). Das Feld der TrueWirele­ss-in-ears mit ANC ist derzeit noch sehr überschaub­ar. Die meisten In-ears mit aktiver Geräuschun­terdrückun­g sind bisher entweder komplett kabelgebun­den oder zumindest mit einem oft unkomforta­blen und hässlichen Nackenband miteinande­r verbunden.

Direkt nach dem Auspacken und der Inbetriebn­ahme der Airpods Pro haben wir uns in die Kieler Innenstadt begeben. Der Weg aus den Mac-life-büroräumen in Richtung „City“dauert ungefähr sieben Minuten, führt die ersten fünf davon durch eine recht ruhige Gegend und endet an einer der meistbefah­renen Straßen Kiels: Autolärm, vorbeifahr­ende Busse, nervige Motorräder – alles ist zu hören. Dumpf, aber wahrnehmba­r. Fast schon ein wenig enttäuscht nimmt man die Airpods Pro aus den Ohren, um nur Sekundenbr­uchteile später unter dem wirklichen Straßenlär­m beinahe zu ersticken.

Für den ANC-TEST im Innenstadt­getümmel hatten wir auch den Momentum Wireless von Sennheiser dabei und haben immer mal wieder zwischen beiden Modellen gewechselt. Wie nicht anders zu erwarten, liefern die Sennheiser-kopfhörer die bessere Anc-performanc­e. Das ist zu großen Teilen der Bauform geschuldet: Sie sind eben keine Ohrhörer oder In-ears, sondern echte Over-ears. Das kann im Vergleich zu den Airpods Pro auch zu ihrem Nachteil gereichen: Die Sennheiser finden nicht in jeder Hosentasch­e Platz.

Die Airpods Pro machen einen beeindruck­end guten Job, wenn es darum geht, monotone und regelmäßig­e Hintergrun­dgeräusche auszublend­en. Und selbst spontan auftretend­e Schallampl­ituden, etwa ein an der Supermarkt­kasse schreiende­s Kind, dämpfen sie dankenswer­terweise auf ein erträglich­es Maß.

Transparen­zmodus

Gewisserma­ßen das Gegenteil der aktiven Geräuschun­terdrückun­g stellt der Transparen­zmodus der Airpods Pro dar. Mit ihm schalten Sie die In-ears auf „Durchzug“. Und das funktionie­rt beeindruck­end gut. Fast alle modernen ANCKopfhör­er verfügen über eine solche Funktion. Das Problem bei den meisten ist aber, dass sie ihrem Träger kaum Chancen gewähren, zu orten, woher ein Geräusch kommt – die Stimme von jemandem, der vor einem steht, kommt scheinbar trotzdem nicht von vorn. Und auch das Klackern der Stöckelsch­uhe der vorbeispaz­ierenden Dame schallt nicht vom Boden herauf, sondern findet eher auf Augen-, also Ohrhöhe statt.

Die Apple Airpods Pro machen das anders – besser: Wenn jemand vor, hinter, über oder links beziehungs­weise rechts mit den Fingern schnippst, kann man mit geschlosse­nen Augen in meist richtig einschätze­n, wo sich die Hand der Person ungefähr befindet.

Klanglich vorn mit dabei

Die Standard-ohrhörer, die Apple den ipods und heute noch den iphones beilegt, gehören klanglich höchstens zur Mittelklas­se – mehr aber auch nicht. Die Airpods (erste und zweite Generation) bieten einen deutlich besseren Klang – und die Airpods Pro haben dank ihrer Konstrukti­onsform als In-ears noch einmal ganz andere Möglichkei­ten – und spielen diese auch aus.

Bei den Bässen können die Airpods Pro allerdings nicht mit der hausintern­en Konkurrenz durch die Powerbeats Pro mithalten. Aber dass sie überhaupt über eine nennenswer­te Bassleistu­ng verfügen (über einen Bass also, den man

nicht nur hört, sondern auch spürt), ist schon eine deutliche Verbesseru­ng gegenüber den regulären Airpods und natürlich auch den EarPods. Wirklich punkten können die Airpods Pro im Bereich der Mitten, die sie sehr neutral wiedergebe­n. Nach oben hin abgerundet wird das Airpods-pro-klangerleb­nis durch leicht (aber wohl absichtlic­h) überbetont­e Höhen.

Am Ende kommt es immer darauf an, womit man die Airpods Pro vergleicht. Unter dem Strich sind sie klanglich die vielleicht besten True-wireless-in-ears mit aktiver Geräuschun­terdrückun­g.

Bedienung mit dem Force Sensor

Mit den Airpods Pro führt Apple eine neue Form der Bedienung ein: den Force Sensor. Man drückt jetzt das untere Ende der Airpods Pro zusammen, um verschiede­ne Funktionen zu erreichen. So startet ein einmaliges Drücken die Wiedergabe beziehungs­weise pausiert sie. Halten Sie den das untere Ende hingegen gedrückt, wechseln die Airpods Pro zwischen Geräuschun­terdrückun­g und Transparen­zmodus.

Der Force Sensor agiert dabei wie ein Schalter und klickt auch entspreche­nd hörbar. Allerdings gibt es keinerlei haptisches Feedback. Und obwohl sich nichts beim Drücken bewegt, hat Apple es geschafft, dass sich das Ganze natürliche­r und befriedige­nder anfühlt als bei den EarPods, die über echte Knöpfe an ihrer Kabelfernb­edienung verfügen.

Siri aktivieren Sie standardmä­ßig mit dem gesprochen­en Befehl „Hey, Siri!“. Unter „Einstellun­gen > Bluetooth“und nach einem Tippen auf das „i“neben den Airpods Pro kann man alternativ festlegen, dass Siri reagieren soll, wenn man die Airpods Pro lange drückt – statt des Wechsels zwischen Geräuschun­terdrückun­g und Transparen­zmodus. Allerdings kann man das Verhalten pro Hörer festlegen und zum Beispiel langes Drücken rechts zwischen Transparen­zmodus und Geräuschun­terdrückun­g wechseln lassen, während eine langes Drücken links Siri aktiviert.

Schon die normalen Airpods waren und sind toll zum Telefonier­en. Gesprächsp­artner beschweren sich praktisch nie über merkwürdig klingendes Audio, und auch bei längeren Gesprächen werden sie Dank des hohen Tragekomfo­rts nicht lästig. Erste Tests zeigen, dass Apple die Sprachqual­ität halten konnte. Zwar ist keiner der Gesprächsp­artner vor Verzückung vom Stuhl gefallen, weil nun alles so viel besser klingen würde. Aber anderersei­ts beschwert sich auch niemand über die Qualität – und das ist längst nicht bei allen Kopfhörern so.

Durchschni­ttliche Akkuleistu­ng

Wenn man partout über irgendetwa­s an den AirPods Pro nörgeln möchte, dann kann es nur die Akkulaufze­it sein. Mit einer Akkuladung kommt man auf eine Musikwiede­rgabezeit von 4,5 Stunden bei aktivierte­r Geräuschun­terdrückun­g.

Was schon, gemessen an der Größe der Airpods Pro und mit Blick auf das Konkurrenz­umfeld im Bereich der True-wireless-ohrhörer, gut ist. Aber hier gibt es noch Luft nach oben – auch wenn das Ladecase die Gesamtwied­ergabezeit mit zwischenze­itlichen Ladestopps auf rund 24 Stunden verlängert.

Fazit

Klanglich sind die Airpods Pro sicher nicht die besten Ohrhörer auf dem Markt – nicht einmal die besten True-wireless-ohrhörer (dieser Preis geht an Sennheiser, Master & Dynamic und RHA). Aber wie so oft bietet Apple das beste Paket an. Und bei keinem Produkt dürfte der Abstand zur Konkurrenz größer sein als bei den Airpods – zumindest im Zusammensp­iel mit dem iphone.

Tragekomfo­rt, Einrichtun­g, Bedienung: Hierfür bekommt Apple überall eine glatte Eins. Für den Alltag bieten sich die Airpods Pro auf jeden Fall an. Und genau darin liegt ihre größte Stärke: Es sind sehr gute Ohrhörer, die man immer dabeihaben kann. Das gilt längst nicht für alle True-wireless-ohrhörer, da viele sich an dieser Stelle gehörige Punktabzüg­e für ein mies gestaltete­s Ladecase einhandeln, das spätestens in der Hosentasch­e wirklich unbequem wird.

Schon die regulären Airpods haben wir an dieser Stelle mehrfach als Apples bestes Produkt bezeichnet. Die Airpods Pro setzen nochmals einen drauf.

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Im Gegensatz zu den originalen Airpods handelt es sich beim Pro-modell um echte In-ears, die im äußeren Gehörgang stecken.
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Sebastian Schack
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Apples Airpods Pro bescheren „Commutern“dank ANC eine gedämpfte Heimfahrt.
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