Stressfrei kommunizieren
Wie erhalten wir die Produktivität in verteilten Teams? Wie schützen wir Mitarbeiter vor Ablenkungen? Die asynchrone Kommunikation liefert Ansätze.
Wie organisieren wir Arbeit, wenn ein Großteil der Mitarbeiter im Homeoffice sitzt? Wie erhalten wir die Produktivität in verteilten Teams? Und wie schützen wir Arbeitnehmer vor ständigen Ablenkungen, Stress und Burn-out? Die Struktur der asynchronen Kommunikation liefert Ansätze.
Wer kennt das nicht? Gerade hast du dich in deine Arbeit vertieft, die Ideen fließen und der Kaffee dampft und duftet. Keine Frage: Dein Herzensprojekt wächst und gedeiht, du bist im „Flow“. Alles ist gut.
Da geht die Tür auf: Die Nervensäge aus dem Sales-team steht vor deinem Schreibtisch, um dir zu erzählen, was er mit dem wichtigsten Kunden des Unternehmens besprochen hat. Und was du unbedingt eher jetzt als bald tun sollst.
Deine Konzentration ist flöten – und kehrt so schnell auch nicht zurück. Dein Stresspegel steigt. Die Frustration kriecht dir langsam den Rücken hoch. Vielen Dank für gar nichts.
Willkommen in der Welt der synchronen Kommunikation.
In einem Blogpost vom Oktober 2019 berichtet Slack, dass zahlende Kunden im Durchschnitt pro Tag über neun Stunden mit dem Dienst verbunden sind und diesen 90 Minuten täglich aktiv nutzen.
Wichtiger denn je
Es ist eine aufregende Zeit: Seit knapp einem Jahr erfinden sich Unternehmen weltweit und meist im Hauruck-verfahren neu. Waren noch bis vor Kurzem Großraumbüros mit dünnen Trennwänden und dicht besiedelte Bürogemeinschaften mit Byod-offerte an der Tagesordnung, flüchteten viele Mitarbeiter mittlerweile ins Homeoffice – und viele bleiben dort vermutlich auch über die Pandemie hinaus.
Denn zwar lauern zu Hause ganz andere Herausforderungen; etwa der plötzliche Zweitjob als Heimlehrer für die Kinder oder die ständige Verlockung in Form von TV, Playstation und Streamingdiensten. Trotzdem belegen immer mehr Studien, dass Mitarbeiter zu Hause grundsätzlich effektiver arbeiten.
Und die wissen diesen Umzug durchaus zu schätzen: Eine Umfrage des „Fraunhofer-institut für Angewandte Informationstechnik“(FIT) vom April 2020 unter Angestellten im Bereich Forschung und Entwicklung, IT, Telekommunikation und Medien ergab etwa, dass über 80 Prozent der Befragten mit der Situation im Homeoffice zufrieden seien.
Besonders ihre eigene gesteigerte Arbeitsleistung schätzen die Teilnehmer zu Hause als positiv ein. Und das, obwohl sie den fehlenden sozialen und professionellen Austausch im Team als eher negativ empfinden. Knapp 40 Prozent fühlen sich produktiver als bei der Arbeit vor Ort, 15 Prozent geben sogar an, wesentlich effektiver zu agieren.
Ein entscheidender Punkt zum Zurechtfinden in der neuen Situation ist aus der Sicht der zur Umfrage Beitragenden die reibungslose aufgabenbezogene Kommunikation. Diese schätzen viele gar höher ein als den informellen Austausch unter Kollegen und das Gefühl von Teamgeist.
Trial-and-error
Effektive Kommunikation ist somit ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche und zufriedenstellende Zusammenarbeit von räumlich getrennten Mitarbeitern und Kollegen.
Um diesen Austausch zu gewährleisten, griffen viele Teams besonders in der Phase des ersten Corona-bedingten Lockdowns in Eigenregie auf Mittel zurück, die sie aus ihrer privaten Kommunikation kennen. Chatgruppen auf Whatsapp ersetzten den Zuruf im gemeinsamen Büro. Die in diversen Messengern bis dahin oft ein Schattendasein führende
Videofunktion diente zunächst vielerorts für morgendliche „Wasserstandsmeldungen“.
Nach und nach kamen für viele bis dahin eher unbekannte „Emporkömmlinge“wie Slack für die Kommunikation innerhalb ganzer Unternehmen hinzu. Konferenzdienste wie Zoom, Microsoft Teams und Google Meet sorgen heute oft für den „persönlichen“Austausch innerhalb der Firma sowie mit Kunden und Partnern.
Für eine Struktur bei der Auswahl dieser Werkzeuge oder gar eine echte Kommunikationsstrategie reichte es bei den meisten Unternehmen aufgrund der Dringlichkeit der Situation jedoch oft nicht.
Erst jetzt, im Laufe des sich ziehenden zweiten Lockdowns und der mehr und mehr einsetzenden Routine im Austausch mit im Homeoffice arbeitenden Kollegen, findet eine erste Bewertung der eingesetzten Lösungen und deren Effizienz statt. Teamleiter, Mitarbeiter und Angestellte reflektieren zunehmend über ihre Erfahrungen, Erwartungen und Wünsche.
»Slack belohnt uns mit einem Dopaminausstoß, sobald wir auf eine Nachricht antworten oder jemand uns kontaktiert.«
Lucas Miller, Neurowissenschaftler an der Universität zu Berkeley
Der kollaborative Overload
Die eingangs erwähnte Situation macht es bereits deutlich: Kommunikation hat viel mit Timing zu tun. Im Büro ist es recht einfach, Unterbrechungen zu unterbinden: Schließ deine Tür und häng ein Schild mit der Aufschrift „Bitte nicht stören!“daran.
Im Homeoffice ist dies nicht ganz so simpel, obwohl du hier vielleicht sogar allein bist. Schuld ist oftmals die Erwartungshaltung, die viele Menschen an die etablierten Formen digitaler Kommunikation haben: Antwortest du nicht in ein, zwei Stunden auf eine E-mail, klingelt nicht selten bereits das Telefon.
Der Unternehmens-messenger Slack führt dies auf die Spitze: Ein unzureichend strukturierter und bei zunehmender Last nur schwer nachvollziehbarer, ständig fließender Nachrichtenstrom trifft hier auf ein Herangehen, das viele Nutzer von privat genutzten Äquivalenten wie Whatsapp, dem Facebook Messenger oder Apples Nachrichten-app ableiten.
Sprich: Auf eine Nachricht erwartet der Absender tendenziell eine baldige, wenn nicht sofortige Antwort – ein Druck auf dem oder den Adressaten, der sich mit einer höheren Position in der Unternehmenshierarchie des Sendenden eher noch steigert.
Hinzu kommt die reine Masse, die erdrückend wirkt. Nach einer Untersuchung des Prager Analyseunternehmens „Time Is Ltd.“versenden Angestellte größerer Unternehmen im Durchschnitt mehr als 200 Slack-nachrichten pro Woche. Firmenchefs und Teamleiter kommen demnach in derselben Zeit gar auf über 1.000 Nachrichten.
Dabei auf der Höhe des Geschehens zu bleiben, gerät nicht selten zum Vollzeitjob. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen es versäumt haben, die neuen Werkzeuge gewissenhaft einzuführen und ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
Das Ergebnis: Messenger wie Slack ersetzen oft die klassische E-mail nicht, sondern ergänzen sie in der Realität lediglich. Denn viele nutzen – je nach Präferenz des Absenders wie des Empfängers – einfach weiter beide Dienste. Für Selbstständige und Freiberufler ist das Chaos perfekt, wenn ihre Kunden unterschiedliche Angebote präferieren.
Bekannte Belohnungsmuster
Auf das wachsende Problem der ständigen Aufmerksamkeit für professionelle Messengerdienste wie Slack weisen mittlerweile auch Forscher hin.
Der Neurowissenschaftler Lucas Miller von der in Kalifornien beheimateten Berkeley-universität vergleicht die Wirkung in einem Artikel des Us-magazins „Wired“mit einem Belohnungsmuster, das sich auch soziale Netzwerke wie Facebook bewusst zunutze machen.
„Slack belohnt uns mit einem unmittelbaren Dopaminausstoß, sobald wir auf eine Nachricht antworten oder jemand uns kontaktiert, um uns wissen zu lassen, dass unser Team uns benötigt.“Der Grund für den Rausch des sogenannten Glückshormons: „Wir fühlen uns wertgeschätzt und informiert“, so Miller. Die Kehrseite: „Gleichzeitig befürchten wir, dass wir nicht auf der Höhe des Informationsflusses bleiben, wenn wir nicht ständig die neuesten Beiträge lesen.“
Lassen Firmen dann auch noch Projektmanagement- und To-do-applikationen ohne Schulung auf ihre Mitarbeiter los, entsteht oft ein weiterer Kommunikationskanal, der nicht selten durch Pushmitteilungen sowie Tab-benachrichtigungen im Webbrowser Aufmerksamkeit einfordert und somit zusätzlich von der eigentlichen Arbeit ablenkt.
Der Verlust an Produktivität durch ständige Unterbrechungen ist größer als von vielen angenommen: Wissenschaftler der Humboldt-universität fanden heraus, dass Mitarbeiter im Durchschnitt jeweils 23 Minuten ihrer Arbeit an einem Projekt einbüßen, sobald jemand sie unterbricht.
Dabei sei es grundsätzlich egal, ob es sich um E-mail- oder Slack-nachrichten handelt. Das Problem sei vielmehr, dass fehlende Produktivität – etwa im Homeoffice – letztlich zu mehr Stress führt: Die verlorene Zeit
würden viele einfach an ihre normale Arbeitszeit dranhängen.
Wege zur Lösung
Um die Produktivität zu erhöhen und das Stressniveau von Mitarbeitern zu senken, braucht es nicht nur die richtigen Werkzeuge in Form von Software und Onlinediensten.
Unternehmen müssen sich nicht zuletzt angesichts der wachsenden Herausforderungen angesichts der Verteilung ihrer Mitarbeiter ins Homeoffice und der damit einhergehenden Fragmentierung der Abläufe eine klare Kommunikationsstruktur auferlegen.
Diese Aufgabe ist in ihrer Wertigkeit durchaus vergleichbar mit einem mittlerweile etablierten Verhaltenskodex, den zumindest die meisten großen Firmen unter anderem auf ihrer Website hinterlegen – so auch Apple.
Beschreibt ein Verhaltenskodex zumeist den Umgang mit externen Ressourcen entlang der Produktions- und Lieferketten, sollte sich ein Kommunikationskodex primär mit der Art und Weise des Austauschs und der Wertschätzung innerhalb des Unternehmens beschäftigen.
Zudem sollte ein solcher Ansatz zumindest eine grundsätzliche Struktur der Kommunikationsabläufe und der verwendeten Mittel nachvollziehbar darstellen. Das Ziel muss im Schutz der Mitarbeiter durch eine Verminderung ihres Stresslevels und damit einhergehend in der Erhöhung der Produktivität liegen.
Sprich: Mehr Zufriedenheit und weniger Ablenkung führt zu besseren Ergebnissen, weshalb sowohl Mitarbeiter als auch die Unternehmen selbst von einem Kommunikationskodex profitieren
Asynchrone Kommunikation
Die Verteilung von Mitarbeitern ins Homeoffice stellt für Firmen aufgrund der damit einhergehenden Unterschiedlichkeit des Alltags der Beteiligten durch variierende familiäre und private Verpflichtungen aber eine ungeahnte Herausforderung dar. Bei weltweit operierenden Unternehmen kommt die Verzögerung durch verschiedene Zeitzonen hinzu.
Die Möglichkeiten der sogenannten synchronen Kommunikation tragen dieser Situation nur unzureichend Rechnung. Eine synchrone Kommunikation beschreibt dabei die Erwartung einer möglichst unmittelbaren Reaktion auf eine Nachricht oder Ansprache. Dazu gehört etwa das persönliche Gespräch oder der Austausch in einer Videokonferenz – aber eben auch die Kommunikation mithilfe eines Instant-(!)-messengerdienstes wie Slack.
Die asynchrone Kommunikation überlässt es im Gegensatz weitestgehend dem Empfänger, auf eine Nachricht in ihrem oder seinem zeitlichen Rahmen zu reagieren.
Das klassische Beispiel ist ein Brief: Vom Empfang bis zur Antwort können mehrere Tage oder sogar Wochen vergehen, die sich unter anderem für die Reflexion über Inhalte und Reaktionen nutzen lassen.
Die Analogie in der digitalen Welt trifft im Wesentlichen auf die E-mail zu: Der Empfänger hat in der Regel mindestens ein paar Stunden Zeit, die Nachricht zu öffnen und zu beantworten. In der Zwischenzeit kann er sich um eigene Projekte kümmern.
Umgekehrt erwartet der Absender bei einer asynchronen Kommunikation normalerweise keine sofortige Antwort – auch wenn E-mail-anbieter dieses Übereinkommen etwa durch die freiwillige Klassifikation bestimmter Mails als „wichtig“seit Langem aushöhlen und die Implementation von Pushnachrichten die Dringlichkeit weiter erhöhen.
Pyramidisches Denken
Natürlich birgt eine Rückwendung zur E-mail als der primären Kommunikationsform in einem Unternehmen mehr Nachteile als Vorteile. Verstopfte E-mail-postfächer und den fruchtlosen Versuch, den Arbeitstag aus dem Posteingang zu planen, kennt wohl jeder.
Hinzu kommt die schwierige Nachvollziehbarkeit der Aktualität von Dateianhängen: Welches Word-dokument ist etwa das, mit dem derzeit alle Projektmitglieder arbeiten?
Sinnvoller ist die Auswahl effektiver, zeitgemäßer Werkzeuge und deren Einordnung in eine für alle Beteiligten nachvollziehbare Kommunikationsstruktur. Das Ziel muss dabei die Klarheit auf allen Seiten darüber sein, wann welcher Kanal für die Kommunikation innerhalb des Teams bei einem Projekt Anwendung findet.
Als hilfreich für Unternehmen, die aus „präpandemischen“Zeiten bereits Erfahrungen mit der Verteilung von Mitarbeitern ins Homeoffice und über unterschiedliche Zeitzonen hinweg sammeln konnten, erweist sich die Beschreibung einer solchen Struktur am Bild einer Pyramide.
Unterstützend für die Präferenz der Methode der primär asynchronen Kommunikation entworfen, implementiert dieses Modell trotzdem den Wert des direkten Austauschs als auch der temporären Dringlichkeit bestimmter Nachrichten.
Das weltweit operierende Softwareunternehmen Doist etwa setzt als Fundament seiner Kommunikation sowohl in den eigenen Teams (Entwicklung, Gestaltung, Support, …) als auch des gesamten Unternehmens einen professionellen Messengerdienst ein. Nachdem die Wahl zunächst auf das verbreitete Slack fiel, überwogen schon bald die Probleme.
„Je mehr wir wuchsen“, erzählt Doist-ceo Amir Salihefendić in einem Blogpost, „umso mehr stellten wir fest, dass Slack süchtig macht und sich zudem über Zeitzonen hinweg nur schwer skalieren lässt.“
Zudem verlören sich Themen schnell in den unterschiedlichen Chatgruppen; Informationen seien im Nachhinein nur schwer auffindbar.
Das Fundament: Kommunikation in Threads
Aus dieser Herausforderung entwickelte der Anbieter des Projektmanagement-werkzeugs Todoist kurzerhand einen eigenen Unternehmensmessenger: „Twist“ordnet Konversationen im Gegensatz zu Slack bindend in Threads, wie man sie aus Foren und heutigen E-mail-applikationen kennt.
Dies erlaubt den sachgebundenen Austausch innerhalb eines hierarchischen Aufbaus: Die erste Nachricht mit einem festgelegten Thema befindet sich an oberster Stelle, alle anderen folgen darunter. Ein Thread verläuft also quasi wie ein „Gedankenfaden“(die direkte Übersetzung von „Thread“lautet „Faden“), der sich für die eingeladenen Teilnehmer nachvollziehbar und leicht nachträglich durchsuchbar entspinnt.
Zudem erleichtert diese Herangehensweise allen Beteiligten, die für sie relevanten Themen nach ihren eigenen Zeitfenstern zu verfolgen, um auf Wunsch nachträglich in darin „einzusteigen“.
Die Kommunikation bleibt somit – eine entsprechend geschulte Disziplin der Teilnehmenden vorausgesetzt – strukturiert, ablenkungsfrei, nachvollziehbar und unternehmensweit transparent.
Die zweite Ebene: Kommunikation im Kontext
Die Kommunikation in einem Messenger franst schnell aus, wenn sie sich nicht direkt um ein Projekt dreht. Zudem bezieht sie potenziell zu viele nicht involvierte Mitarbeiter mit ein – und lenkt diese damit von ihren eigentlichen Aufgaben ab.
Die zweite Ebene der „Pyramide des asynchronen Arbeitens“implementiert daher Werkzeuge und Lösungen, die einen zeitversetzten Austausch innerhalb eines Projekts oder einer Aufgabe ermöglichen.
An erster Stelle stehen hier To-do-applikationen wie Trello, Omnifocus und Todoist respektive Projektmanagement-anwendungen wie Asana, Monday und Quire. Der Übergang zwischen diesen beiden Programmkategorien ist heute zunehmend fließend.
Hinzu kommen aufgabenbezogene Lösungen wie Google Docs (etwa für die gemeinsame Arbeit an Beschreibungen und Tabellen), Marvel (für den Austausch von Entwürfen und Ideen im Designteam) oder Lucidchart (zur Erarbeitung von Diagrammabläufen).
Das Ziel ist bei all diesen Herangehensweisen der schnelle und direkte Austausch entlang eines Projekts mit verantwortlichen Teammitgliedern und somit die „Entschlackung“der Kommunikation des im Fundament der Pyramide eingesetzten Messengerdienstes.
Auch auf der projektbezogenen Ebene bewegen sich die Beteiligten vollständig auf dem Feld der asynchronen Kommunikation: Teammitglieder können selbst entscheiden, ob und vor allem wann sie zur Kommunikation beitragen, die sich auf ein bestimmtes Projekt fokussiert.
Natürlich weiterhin unabdingbar: ein sparsamer Umgang mit Push- und E-mail-benachrichtigungen seitens aller Involvierten. Denn alle Überlegungen helfen nur wenig, wenn sich auch die kleinste Änderung etwa an einem Google-dokument in einem umgehenden „Alarm“auf dem iphone, ipad und/oder Mac niederschlägt.
Die dritte Ebene: Meetings und Videokonferenzen
Die dritte Ebene der Kommunikationspyramide anerkennt erstmals die Notwendigkeit des direkten – und somit synchronen – Austauschs. Denn besonders Mitarbeiter im Homeoffice vermissen oft die Interaktion mit ihren Kollegen.
Zudem würde die initiale und fortlaufende Beschreibung von allen Projektdetails innerhalb
»Derzeit verschieben wir unsere E-mails einfach auf einen anderen Dienst. Dummerweise ist dieser weitaus schlechter zu durchsuchen.«
Sarah Peck, Gründerin der Onlinegemeinschaft „Startup Parent“
eines Messengers oder Projektmanagers die erschaffenen Threads, Gruppen und Kommentarfunktionen unnötig belasten.
Und außerdem entstehen im wirklichen Arbeitsleben eben doch immer wieder „unter den Nägeln brennende“Themen und dringliche Situationen, die einen unmittelbaren Austausch sowie eine schnelle Entscheidung erfordern.
Das Problem mit Meetings: Diese sind oftmals ineffektiv und zeitraubend. Virtuelle Konferenzen mit Onlinelösungen wie Zoom, Google Meet oder Facetime haben diese Problematik lediglich in den digitalen Raum verschoben, um sie hier aufgrund fehlender Interaktionsmöglichkeiten und Latenzen eher noch zu verstärken.
Zudem sind viele virtuelle Gesprächsrunden schlicht zu lang. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Konzentrationsspanne in Onlinemeetings noch kürzer ist als bei der Anwesenheit aller Teilnehmer in einem physischen Raum: Nach spätestens 30 Minuten reißt im Durchschnitt durch die ständige Konzentration auf den Bildschirm der sprichwörtliche Faden.
Experten sprechen hier von einer dysfunktionalen „Selbstaufmerksamkeit“(Duval & Wicklund, 1972), was eine intensive Beschäftigung mit der eigenen Person beschreibt.
Die virtuelle Situation passt zudem oft nicht zur realen Situation. Sprich: Der Körper befindet sich woanders als der Geist. Außerdem ist auch die virtuelle Umgebung nicht eindeutig: Der eine Teilnehmer ist im Zug, die andere im Wohnzimmer, der nächste auf der Terrasse und die vierte Person im Büro.
Unternehmen und Teams sollten daher sehr sparsam mit diesem Mittel umgehen und Videokonferenzen nach Möglichkeit mit einigem Vorlauf ansetzen. Dabei sollte eine klare „Struktur innerhalb der Struktur“erkennbar sein, die möglichst viele Beteiligte entlastet und die Kommunikation in den Messenger-threads lediglich ergänzt.
So sollten etwa Teamleiter einmal monatlich einen direkten Austausch mit ihrem Vorgesetzten anstreben. Innerhalb des Teams reicht meist ein wöchentlicher Abgleich, der aber nicht lange dauern darf; eine halbe Stunde ist hier die magische Grenze.
Kick-off-meetings sollten außerhalb der Reihe stattfinden. Empfehlenswert ist, dabei in Zyklen zu denken und Projekte so zu planen, dass sie monatliche Ergebnisse hervorbringen. Im Initial-meeting geht es dann um die transparente Zuordnung von Aufgaben, Zuständigkeiten und Zeitvorgaben, die sich wiederum auf der zweiten und ersten Ebene spiegeln.
Doch auch in den am besten organisierten und diszipliniertesten Teams gibt es unvorhergesehene Ereignisse, die einen sofortigen Austausch erfordern. Diese sogenannten „Ad hoc“-meetings sollten jedoch ausschließlich zu einem klar vorab kommunizierten Thema erfolgen, möglichst kurz gehalten sein und nur die betroffenen Mitarbeiter einbeziehen.
Die vierte Ebene: Kommunikation im Notfall
Je nach Art der zu erledigenden Projekte sowie der Routine und der Zusammensetzung der einzelnen Teams sollte die asynchrone Kommunikation – ergänzt mit sorgfältig geplanten und zeitlich bewusst begrenzten Videokonferenzen und Meetings – den allergrößten Teil der Arbeitsabläufe innerhalb eines Unternehmens bestimmen dürfen.
Trotzdem gibt es Ausnahmefälle. Was ist zum Beispiel, wenn der Server ausfällt und die IT-ABteilung schnell handeln muss? Oder was, wenn das Social-mediaTeam umgehend einen Krisenfall behandeln sollte? Und was ist bei echten Notfällen, etwa bei Unfällen und kurzfristigen Ausfällen durch Krankheit?
Für diesen Fall sollten sich Teams über einen Notfallkanal einigen: Dies kann eine Chatgruppe innerhalb des Unternehmensmessengers auf Ebene eins sein, den alle Beteiligten (ausnahmsweise) mit der Möglichkeit von Pushnachrichten „scharf stellen“.
Alternativ lässt sich ein unabhängiger Kanal einsetzen: Die It-mitarbeiter von Doist nutzen den privaten Messengerdienst Telegram, um sich gegenseitig unmittelbar warnen zu können, wenn etwa die Todoist- und Twist-server nicht mehr erreichbar sind. Denn eine hier angesiedelte Chatgruppe würde dann ebenfalls verstummen.
Ein Sonderfall: Kommunikation mit „Externen“
Professionelle Messengerdienste wie Slack und Twist bieten die Möglichkeit, Gäste in ihre verschiedenen Chatgruppen einzuladen. Dies vermeidet die parallele Diskussion per E-mail und bezieht zudem alle relevanten Projektmitglieder ein, statt sich auf ein ständig vermittelndes Teammitglied zu stützen.
Erfahrungsgemäß werden sich nicht alle Partner und Kunden darauf einlassen: Nicht alle sind auf demselben Stand technischen Verständnisses oder erkennen den Wunsch nach und den Wert von asynchroner Kommunikation an.
Ganz ist die E-mail also nicht wegzurationalisieren. Unternehmen und Teams sollten sich jedoch bemühen, die Nutzung aufs Wesentliche zu reduzieren. Denn besonders die Kommunikation mithilfe eines Thread-basierten Messengerdienstes birgt in der Praxis schlicht keine Nachteile und ist mindestens so leicht zu durchsuchen wie der gute alte E-mail-postkasten.
Königsweg zu mehr Zufriedenheit und Produktivität
Um die Vorzüge dezentralisierter Arbeit auch über die Zeit des mit der aktuellen Pandemie einhergehenden Lockdowns voll auszunutzen, bedarf es eines Ansatzes, der die Ruhe im Homeoffice erkennt – „Deep Work“führt zu mehr Produktivität, einer sinnvoller genutzten Zeit und letztlich mehr Zufriedenheit.
Der Ansatz der weitestgehenden asynchronen Kommunikation verteilter Teams könnte sich in Verbindung mit zunehmender Erfahrung und dem disziplinierten Umgang aller Beteiligten mit den zur Verfügung stehenden digitalen Hilfsmitteln als Königsweg in eine sich gerade erst eröffnende Zukunft der Arbeitswelt erweisen.