»Wir sehen uns nicht als Applekonkurrenz!«
Der Withings-produktmanager Etienne Trégaro über die neue Scanwatch 2.
Mac Life: Etienne, bist du ein Uhrenmensch? Etienne Trégaro: Nein, nicht wirklich. Bevor ich zu Withings kam, habe ich eine simple, klassische Armbanduhr getragen – und die nicht regelmäßig. Aber mit der Zeit habe ich mich immer mehr für unsere Smartwatch-modelle interessiert. Dass wir keine „Smartphones fürs Handgelenk“herstellen, hat geholfen – eine Uhr mit einem Bildschirm hätte ich nicht gewollt.
Ich bin aber kein gutes Beispiel für alle unsere Mitarbeitenden: Im Unternehmen gibt es viele, die schöne Uhren tragen, und wir lassen uns davon inspirieren – etwa zur Scanwatch Nova, die vom Stil der Uhren für Taucherinnen und Taucher inspiriert ist.
Wie schwer ist es für ein vergleichbar kleines Unternehmen, sich im Smartwatch-markt neben Riesen wie Apple und Samsung zu behaupten? Wir sehen uns gar nicht so sehr in direkter Konkurrenz zu Firmen wie Apple, Huawei oder Google. Unser Ansatz bei der Produktentwicklung unterscheidet sich. So wollen unsere Smartwatches nicht einfach nur Ergänzungen des Smartphones am Handgelenk sein, vielmehr orientieren sie sich mit ihrem Hybrid-design an der Gestaltung traditioneller Uhren. Ihre Autonomie ist weitaus höher, als dies etwa bei einer Apple Watch der Fall ist.
Gleichzeitig passt das Withings-design hervorragend zu den Apple-produkten.
Das stimmt, und wir haben ein wirklich gutes Verhältnis zu Apple. Einige unserer Produkte kannst du deshalb vor Ort oder online im Apple Store kaufen – nicht unsere Uhren, aber etwa die Waagen und Blutdruckmessgeräte.
Wo liegen die Unterschiede zwischen einem europäischen Unternehmen zu Us-amerikanischen oder asiatischen?
Wir kommen aus Frankreich und sind stolz darauf, uns neben einigen sehr viel größeren Unternehmen am Markt etabliert zu haben. Natürlich können wir nicht mit deren Stückzahlen mithalten und sind auch viel kleiner: Derzeit arbeiten weltweit rund 400 Menschen für Withings. Für uns spricht aber, dass unser Fokus auf Gesundheitsund medizinischen Produkten liegt, während etwa Apple und Samsung noch viele andere Dinge herstellen.
Daher müssen wir nicht primär irgendwelchen Trends folgen – anders als beispielsweise Samsung, die stets auf Apple schauen. Das gibt uns viele Freiheiten bei der Entwicklung. So haben wir mit U-scan ein Gerät zur Urinanalyse für zu Hause im Portfolio – sicher kein Produkt, das ein großes Unternehmen vorgestellt hätte. Wir nutzen also unseren Außenseiterstatus, um dem Smart-health-markt ungewöhnliche Impulse zu verleihen.
Aber es stimmt schon: Es gibt in dieser Branche nicht allzu viele europäische Unternehmen – umso wichtiger ist es, dass wir den Markt etwas aufmischen.
Bei der Gestaltung einer neuen Uhr steht ihr zwischen verschiedenen Stühlen. Da sind zunächst einmal die technischen Herausforderungen, zweitens müsst ihr medizinische Richtlinien einhalten. Und letztlich muss das Ganze in ein klassisches Uhrendesign einfließen, das eben nicht wie ein medizinisches Messgerät wirkt. An welcher Stelle fangt ihr da eigentlich an?
Das ist eine interessante Frage – wahrscheinlich an allen gleichzeitig. Wir haben eine wirklich gute
R&d-abteilung, die neue technische Möglichkeiten und Marktentwicklungen an uns heranträgt. Das sind oft langfristige Entwicklungen – etwa bei den Sensoren. Entstehen hier neue Trends, fragen wir uns konkret, wie sie unseren Nutzenden helfen und wie wir sie in unsere Produkte integrieren können.
Das erste Scanwatch-modell erschien mir schon nahezu perfekt. Wie könnt ihr aus etwas Perfektem etwas noch Besseres machen?
In erster Linie haben wir uns den Sensoren zugewandt. Einen Körpertemperatursensor hat etwa noch niemand umgesetzt, und so hatten wir die Chance, Neuland zu betreten. Diese Entwicklung stammt nicht zuletzt aus der Covid-zeit: Die Nutzenden der ersten Scanwatch und unsere Partnerfirmen im medizinischen Bereich wiesen uns darauf hin, dass eine Temperaturmessung genau das Element wäre, dass der Uhr noch fehlen würde.
Das neue Temptech-24/7-modul überwacht die Grundtemperatur des Körpers auf Wunsch Tag und Nacht. Dadurch lässt sich etwa ablesen, ob sich im Körper ein Infekt entwickelt, aber auch die Regeneration nach dem Sport beurteilen.
Die erweiterte Auswahl an Sensoren hat zudem ein neues Ladegerät nötig gemacht. Dadurch können wir noch mehr Sensoren unterbringen, da wir nicht mehr auf die Pogo-pins am Gehäuseboden achten müssen.
Wie genau könnt ihr bei dieser Gestaltung auf Rückmeldungen der Nutzenden eingehen?
Das ist uns schon außerordentlich wichtig. So haben sich Besitzerinnen des ersten Scanwatchmodells mehr Einsichten über ihre Menstruationsgesundheit gewünscht. Menschen mit Menstruation können sich nun nach Eingeben ihrer Daten eine Vorhersage ihrer Zyklen direkt am Handgelenk geben lassen. Dank der zusätzlichen Integration des Körpertemperatursensors in die Scanwatch 2 sind wir in der Lage, dabei noch genauere Prognosen zu treffen.
Wann haben die Arbeiten an der neuen Scanwatch begonnen?
Ich würde sagen, vor zwei Jahren. Das Team beginnt eigentlich schon mit der Planung des Nachfolgemodells, sobald das aktuelle im Markt ist und die ersten Rückmeldungen eintreffen. Das klingt nach einer langen Zeit. Aber jeder neuer Sensor muss nicht nur irgendwie in die Uhr passen, sondern er darf auch nicht die Akkulaufzeit verkürzen. Hinzu kommt eventuell noch die medizinische Zulassung für einige Sensoren, was zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt. Denn dazu müssen wir – abhängig vom jeweiligen Produkt – klinische Studien mit mindestens 85 Menschen anfertigen, die verschiedene Kriterien erfüllen.
Wie viele Leute arbeiten an einem Projekt wie der Scanwatch?
Eigentlich das ganze Unternehmen, denn alle testen die Uhr früher oder später (lacht). Aber im Ernst: Wir erhalten auf diese Weise viele wertvolle Rückmeldungen in den verschiedenen Projektphasen. Das Kernteam, das mit der konkreten Entwicklung beschäftigt ist, besteht jedoch aus zehn bis 15 Menschen. Dazu gehören Mechanikerinnen und Mechaniker, Gestaltende, Produktmanagerinnen und -manager und mehr.
Hinzu kommen externe Fachleute aus dem medizinischen Bereich für die notwendigen klinischen Studien. Es ist uns zudem sehr wichtig, dass sich die mit der Scanwatch erhobenen Daten korrekt aufbereitet an Arztpraxen weitergeben lassen. Nicht unerwähnt bleiben darf Elium: Das Designstudio ist wie Withings in Paris angesiedelt. Wir arbeiten seit über 15 Jahren mit ihnen zusammen.
»Es gibt in dieser Branche nicht allzu viele europäische Unternehmen – umso wichtiger ist es, dass wir den Markt etwas aufmischen.«
Wie haben die Erfahrungen während der Corona-pandemie die Entwicklung von Smarthealth-geräten beeinflusst?
Ich denke, dass die Menschen in dieser Zeit ein höheres Bewusstsein für die Notwendigkeit der eigenen Gesundheitsfürsorge entwickelt haben, aber auch für die Gesundheit etwa der Eltern und Großeltern. Der Fokus liegt seitdem noch mehr auf der Prävention statt auf der Behandlung von Krankheiten. Als Smart-health-unternehmen stellen wir uns dieser Herausforderung und rücken auch unseren Schwerpunkt weiter in Richtung Früherkennung gesundheitlicher Probleme.