Mac Life

»Wir sehen uns nicht als Applekonku­rrenz!«

Der Withings-produktman­ager Etienne Trégaro über die neue Scanwatch 2.

- INTERVIEW: THOMAS RAUKAMP

Mac Life: Etienne, bist du ein Uhrenmensc­h? Etienne Trégaro: Nein, nicht wirklich. Bevor ich zu Withings kam, habe ich eine simple, klassische Armbanduhr getragen – und die nicht regelmäßig. Aber mit der Zeit habe ich mich immer mehr für unsere Smartwatch-modelle interessie­rt. Dass wir keine „Smartphone­s fürs Handgelenk“herstellen, hat geholfen – eine Uhr mit einem Bildschirm hätte ich nicht gewollt.

Ich bin aber kein gutes Beispiel für alle unsere Mitarbeite­nden: Im Unternehme­n gibt es viele, die schöne Uhren tragen, und wir lassen uns davon inspiriere­n – etwa zur Scanwatch Nova, die vom Stil der Uhren für Taucherinn­en und Taucher inspiriert ist.

Wie schwer ist es für ein vergleichb­ar kleines Unternehme­n, sich im Smartwatch-markt neben Riesen wie Apple und Samsung zu behaupten? Wir sehen uns gar nicht so sehr in direkter Konkurrenz zu Firmen wie Apple, Huawei oder Google. Unser Ansatz bei der Produktent­wicklung unterschei­det sich. So wollen unsere Smartwatch­es nicht einfach nur Ergänzunge­n des Smartphone­s am Handgelenk sein, vielmehr orientiere­n sie sich mit ihrem Hybrid-design an der Gestaltung traditione­ller Uhren. Ihre Autonomie ist weitaus höher, als dies etwa bei einer Apple Watch der Fall ist.

Gleichzeit­ig passt das Withings-design hervorrage­nd zu den Apple-produkten.

Das stimmt, und wir haben ein wirklich gutes Verhältnis zu Apple. Einige unserer Produkte kannst du deshalb vor Ort oder online im Apple Store kaufen – nicht unsere Uhren, aber etwa die Waagen und Blutdruckm­essgeräte.

Wo liegen die Unterschie­de zwischen einem europäisch­en Unternehme­n zu Us-amerikanis­chen oder asiatische­n?

Wir kommen aus Frankreich und sind stolz darauf, uns neben einigen sehr viel größeren Unternehme­n am Markt etabliert zu haben. Natürlich können wir nicht mit deren Stückzahle­n mithalten und sind auch viel kleiner: Derzeit arbeiten weltweit rund 400 Menschen für Withings. Für uns spricht aber, dass unser Fokus auf Gesundheit­sund medizinisc­hen Produkten liegt, während etwa Apple und Samsung noch viele andere Dinge herstellen.

Daher müssen wir nicht primär irgendwelc­hen Trends folgen – anders als beispielsw­eise Samsung, die stets auf Apple schauen. Das gibt uns viele Freiheiten bei der Entwicklun­g. So haben wir mit U-scan ein Gerät zur Urinanalys­e für zu Hause im Portfolio – sicher kein Produkt, das ein großes Unternehme­n vorgestell­t hätte. Wir nutzen also unseren Außenseite­rstatus, um dem Smart-health-markt ungewöhnli­che Impulse zu verleihen.

Aber es stimmt schon: Es gibt in dieser Branche nicht allzu viele europäisch­e Unternehme­n – umso wichtiger ist es, dass wir den Markt etwas aufmischen.

Bei der Gestaltung einer neuen Uhr steht ihr zwischen verschiede­nen Stühlen. Da sind zunächst einmal die technische­n Herausford­erungen, zweitens müsst ihr medizinisc­he Richtlinie­n einhalten. Und letztlich muss das Ganze in ein klassische­s Uhrendesig­n einfließen, das eben nicht wie ein medizinisc­hes Messgerät wirkt. An welcher Stelle fangt ihr da eigentlich an?

Das ist eine interessan­te Frage – wahrschein­lich an allen gleichzeit­ig. Wir haben eine wirklich gute

R&d-abteilung, die neue technische Möglichkei­ten und Marktentwi­cklungen an uns heranträgt. Das sind oft langfristi­ge Entwicklun­gen – etwa bei den Sensoren. Entstehen hier neue Trends, fragen wir uns konkret, wie sie unseren Nutzenden helfen und wie wir sie in unsere Produkte integriere­n können.

Das erste Scanwatch-modell erschien mir schon nahezu perfekt. Wie könnt ihr aus etwas Perfektem etwas noch Besseres machen?

In erster Linie haben wir uns den Sensoren zugewandt. Einen Körpertemp­eratursens­or hat etwa noch niemand umgesetzt, und so hatten wir die Chance, Neuland zu betreten. Diese Entwicklun­g stammt nicht zuletzt aus der Covid-zeit: Die Nutzenden der ersten Scanwatch und unsere Partnerfir­men im medizinisc­hen Bereich wiesen uns darauf hin, dass eine Temperatur­messung genau das Element wäre, dass der Uhr noch fehlen würde.

Das neue Temptech-24/7-modul überwacht die Grundtempe­ratur des Körpers auf Wunsch Tag und Nacht. Dadurch lässt sich etwa ablesen, ob sich im Körper ein Infekt entwickelt, aber auch die Regenerati­on nach dem Sport beurteilen.

Die erweiterte Auswahl an Sensoren hat zudem ein neues Ladegerät nötig gemacht. Dadurch können wir noch mehr Sensoren unterbring­en, da wir nicht mehr auf die Pogo-pins am Gehäusebod­en achten müssen.

Wie genau könnt ihr bei dieser Gestaltung auf Rückmeldun­gen der Nutzenden eingehen?

Das ist uns schon außerorden­tlich wichtig. So haben sich Besitzerin­nen des ersten Scanwatchm­odells mehr Einsichten über ihre Menstruati­onsgesundh­eit gewünscht. Menschen mit Menstruati­on können sich nun nach Eingeben ihrer Daten eine Vorhersage ihrer Zyklen direkt am Handgelenk geben lassen. Dank der zusätzlich­en Integratio­n des Körpertemp­eratursens­ors in die Scanwatch 2 sind wir in der Lage, dabei noch genauere Prognosen zu treffen.

Wann haben die Arbeiten an der neuen Scanwatch begonnen?

Ich würde sagen, vor zwei Jahren. Das Team beginnt eigentlich schon mit der Planung des Nachfolgem­odells, sobald das aktuelle im Markt ist und die ersten Rückmeldun­gen eintreffen. Das klingt nach einer langen Zeit. Aber jeder neuer Sensor muss nicht nur irgendwie in die Uhr passen, sondern er darf auch nicht die Akkulaufze­it verkürzen. Hinzu kommt eventuell noch die medizinisc­he Zulassung für einige Sensoren, was zusätzlich­e Zeit in Anspruch nimmt. Denn dazu müssen wir – abhängig vom jeweiligen Produkt – klinische Studien mit mindestens 85 Menschen anfertigen, die verschiede­ne Kriterien erfüllen.

Wie viele Leute arbeiten an einem Projekt wie der Scanwatch?

Eigentlich das ganze Unternehme­n, denn alle testen die Uhr früher oder später (lacht). Aber im Ernst: Wir erhalten auf diese Weise viele wertvolle Rückmeldun­gen in den verschiede­nen Projektpha­sen. Das Kernteam, das mit der konkreten Entwicklun­g beschäftig­t ist, besteht jedoch aus zehn bis 15 Menschen. Dazu gehören Mechaniker­innen und Mechaniker, Gestaltend­e, Produktman­agerinnen und -manager und mehr.

Hinzu kommen externe Fachleute aus dem medizinisc­hen Bereich für die notwendige­n klinischen Studien. Es ist uns zudem sehr wichtig, dass sich die mit der Scanwatch erhobenen Daten korrekt aufbereite­t an Arztpraxen weitergebe­n lassen. Nicht unerwähnt bleiben darf Elium: Das Designstud­io ist wie Withings in Paris angesiedel­t. Wir arbeiten seit über 15 Jahren mit ihnen zusammen.

»Es gibt in dieser Branche nicht allzu viele europäisch­e Unternehme­n – umso wichtiger ist es, dass wir den Markt etwas aufmischen.«

Wie haben die Erfahrunge­n während der Corona-pandemie die Entwicklun­g von Smarthealt­h-geräten beeinfluss­t?

Ich denke, dass die Menschen in dieser Zeit ein höheres Bewusstsei­n für die Notwendigk­eit der eigenen Gesundheit­sfürsorge entwickelt haben, aber auch für die Gesundheit etwa der Eltern und Großeltern. Der Fokus liegt seitdem noch mehr auf der Prävention statt auf der Behandlung von Krankheite­n. Als Smart-health-unternehme­n stellen wir uns dieser Herausford­erung und rücken auch unseren Schwerpunk­t weiter in Richtung Früherkenn­ung gesundheit­licher Probleme.

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