Erstkontakt: Mein Abenteuer mit der Apple Vision Pro
Es war lange klar, dass Apple mit einer irgendwie gearteten Datenbrille auf den Markt kommt. Im Netz kursierten seit Jahren abenteuerliche Vorstellungen, was für ein Gerät das sein könnte. Eine Brille im Stil der von Steve Jobs? Eingebaute Sehkorrektur? A
Als Tim Cook Anfang Juni 2023 auf der Entwicklerkonferenz WWDC im Apple Park in Cupertino die Apple Vision Pro getaufte Brille vorstellte, war das Erstaunen zunächst groß. Auch bei mir. Cook zeigte klobiges, an eine Skibrille erinnerndes Gerät für knapp 3.500 Us-dollar. Neben dem hohen Preis war klar: Das Teil kommt vorerst nur in den USA auf den Markt.
Bis Ende Januar war Ruhe, aber dann hat Apple sein Versprechen wahr gemacht und den Vorverkauf gestartet. Wie angekündigt, nur in den USA. Irgendwie hat es mich – ganz entgegen meiner normalen Gewohnheit – gereizt, als „Early Adopter“das Gerät nach Deutschland zu holen. Dank der Hilfe eines Freundes in den USA ließ sich die Vision Pro importieren. Etwas, von dem ich aber streng abraten muss. Denn die Kosten für einen solchen „Selbstimport“sind nicht unerheblich. Neben dem Preis für den Versand kommen noch 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer hinzu – und gegebenenfalls die „Sales Tax“des jeweiligen Us-bundesstaats.
Auspacken und staunen
Nach einer Odyssee durch den Dschungel der Paketdienste und deren Tracking-systeme lag das
Paket aus den USA nach knapp eineinhalb Wochen vor mir. Darin neben dem sogenannten „Spatial Computer“, wie Apple das Headset nennt, noch etwas Zubehör, ein externer Akku und (ganz wichtig!) ein Poliertuch.
Beim ersten Herausnehmen der Vision Pro aus ihrem Karton stellt sich schnell Überraschung und Erschrecken ein, wie schwer das Gerät ist. Tatsächlich wiegt die Brille nur etwas mehr als die Meta Quest 3. Meine Version der Apple Vision Pro bringt 629 Gramm auf die Waage. Die Meta Quest 3 schafft es auf 513 Gramm.
Der Eindruck, die Apple-brille würde deutlich mehr wiegen, kommt von ihrer Verarbeitung. Sie besteht aus Aluminium und einer Art Glas an der Front. Apple selbst schweigt sich über das Material der Vorderseite aus. Der Youtuber Jerry Rig Everything hat aber bei seinem Haltbarkeitstest festgestellt, dass es sich vermutlich um Kunststoff handelt. Einen Kratztest wollte ich aber an dem teuren Gerät nicht durchführen.
In Betrieb nehmen
Im Grunde ist Apple Vision Pro eine Art 3D-ipad. Das ist auch der Grund, warum fast alle ipadund iphone-apps darauf laufen. Zur Inbetriebnahme ist eine USAPPLE-ID erforderlich. Diese lässt sich schnell auch in Deutschland erstellen. Ein Zahlungsmittel lässt sich allerdings nicht hinterlegen, da Apple auf die Eingabe einer Rechnungsadresse in den USA besteht. Wer Freunde oder Verwandte in den Staaten hat, kann diese um eine Aufnahme in den Familien-account bitten. So lassen sich auch bereits gekaufte Filme, Serien und Apps inklusive Spiele nutzen.
Die Brille ist indes nicht auf die Nutzung in den Vereinigten Staaten beschränkt, sondern lässt sich auch hierzulande – mit den genannten Einschränkungen – verwenden. Ein VPN oder Ähnliches ist nicht nötig. Einfach mit dem WLAN verbinden, und los geht es. Ich konnte virtuell Teil
der Familie meines Freundes in Utah werden und somit an einigen Apps partizipieren.
Wer auf Sehhilfen angewiesen ist, kann sich spezielle Einlege-linsen von Zeiss bestellen. Diese werden in der eigenen Stärke angefertigt, denn eine Brille passt nicht mit in das Headset. Die Zeisslinsen werden direkt bei Apple bestellt – mit einem hochzuladenden Us-rezept mit den Augenwerten. Dieses in Europa zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Es gibt zwar Online-sehtests in den USA, die ermittelten Werte stimmen aber gegebenenfalls nicht mit den tatsächlichen überein. Außerdem versendet Apple die individuell angefertigten Einleger nur in die USA. Wer also in Europa eine
Sehkorrektur benötigt, muss zurzeit vermutlich mit Kontaktlinsen vorliebnehmen.
Die Einrichtung des Spatial Computers erinnert ein wenig an die Prozedur bei der Playstation VR2. Das Ganze sollte in einem gut beleuchteten Raum stattfinden. Das Headset begrüßt mit einem freundlichen „Hello“mitten im Raum und erfasst zunächst die Hände. Denn im Unterschied zu anderen Brillen dieser Art, benötigt die Apple Vision Pro keine zusätzlichen Controller. Alles lässt sich mit den Augen und den Händen steuern. Sind die eigenen Hände erkannt, geht es weiter zum „Eyetracking“. Dabei muss mehrfach eine Reihe von Punkten angeschaut und ausgewählt werden.
Optic ID
Mittels Eyetracking lässt sich auch Apples neues Sicherheitssystem Optic ID einrichten, das die Augen erkennt und die Brille damit entsperrt. Nach Touch ID und Face ID ist dies nun Apples dritte Methode, Geräte vor unberechtigtem Zugriff zu schützen. Optic ID erfasst dabei die Iris und speichert diese Information in dem sogenannten „Secure Enclave“-chip in der Brille. Wie bei ipads und iphones auch, muss zusätzlich eine mindestens vierstellige PIN erstellt werden. Diese wird später beim sogenannten „Gastmodus“gebraucht. Beim Abnehmen und Aufsetzen der Brille scannt Optic ID die Iris und gibt den Zugriff frei.
Personas, das digitale Selbst
Für Videokonferenzen und Facetime hat Apple die sogenannten Personas erfunden. Das sind digitale Abbilder des eigenen Gesichts. So kannst du an Videocalls teilnehmen und bist einigermaßen zu erkennen. Personas wirken allerdings noch sehr künstlich. Dennoch habe ich mich in einem Facetime-gespräch mit einem anderen Apple-vision-prouser innerhalb weniger Minuten daran gewöhnt. Um eine Persona zu erstellen, musst du die Brille absetzen und vor das eigene Gesicht halten, sie nimmt dieses dann auf. Dazu musst du den Kopf in vier Richtungen drehen, und einige Gesichtsausdrücke sind auch gefragt. Sollte dir die Aufnahme nicht gefallen, kannst du sie jederzeit wiederholen. Personas befinden sich noch in der Betaphase und werden stetig weiterentwickelt.
Die Welt in der Brille
Was ich permanent bei der Einrichtung ausblende, ist die Tatsache, dass ich die Welt, wie sie ist, gerade durch eine Vr-brille sehe. Kameras an der Front nehmen das Bild der Wirklichkeit auf und zeigen es mir auf den Bildschirmen im Inneren. Diese Technik funktioniert offenbar so gut, dass ich nach kurzer Zeit völlig vergesse,
dass ich auf sehr hochauflösende Bildschirme schaue.
Die Brille hat zwei Bedienelemente, die wir auch schon in der Form von der Apple Watch und den Airpods Max kennen. Eine digitale Krone, die sich drücken und drehen lässt (dazu gleich mehr) und eine Taste, mit der du Spatial Videos und Fotos aufnimmst. Der Strom kommt aus einem externen Akku, dessen Kabel sich mittels eines proprietären Anschlusses am Bügel der Brille befestigen lässt.
Nach der vollständigen Einrichtung bekomme ich durch Drücken der digitalen Krone das Menü eingeblendet. Runde Icons schweben vor mir im Raum. Fenster öffnen sich und „hängen“dann ebenfalls im Raum. Und zwar so fest, dass der Eindruck entsteht, sie würden tatsächlich existieren. Ich kann um sie herumgehen, den Raum verlassen und wiederkommen. Die Fenster bleiben da. Die Steuerung erfolgt mit den Augen. Wenn ich ein Element, Icon oder Bild ansehe, kann ich es mit einer Handgeste (Daumen und Zeigefinger zusammendrücken) auswählen. Zu Anfang habe ich dazu immer noch meinen Kopf bewegt. Das ist aber gar nicht nötig: einfach hinschauen und klicken.
Drehe ich die digitale Krone, kann ich in die sogenannte Immersion eintauchen. Das Bild der Wirklichkeit wird dabei Stück für Stück ausgeblendet, an seiner Stelle erscheint eine vorher ausgewählte Landschaft. Dabei handelt es sich aber nicht um ein vorher aufgenommenes 3D-bild, sondern eine in Echtzeit erstellte Szenerie, deren Perspektive sich der Bewegung anpasst.
Audiovisuelle Technik
Apple ruft knapp 3.500 Us-dollar für die Apple Vision Pro mit 256 GB Speicher auf. Das Headset ist damit definitiv am obersten Ende der Preisskala angesiedelt. Es glänzt dafür aber mit hochwertigen Anzeigen innen und einer Augendarstellung außen. Die Displays auf der Innenseite haben eine sehr hohe Pixeldichte. Zusammen stellen beide über 23 Millionen Pixel dar. Audio kommt durch kleine Lautsprecher an den Seiten ins Ohr. Dies sorgt dafür, dass Personen, die neben dir stehen, möglicherweise hören können, was von der Brille kommt. Alternativ lassen sich auch die Airpods Pro nutzen – verlustfreies Audio und ultraniedrige Latenz unterstützt nur das Modell mit Usb-c-ladecase.
Der Bildschirm auf der Außenseite soll den Eindruck erwecken, dass der Mensch mit der Brille durch sie hindurchschaut. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes lentikulares Display. Diese Technik ist vergleichbar mit den 3D-wackelbildern mit der geriffelten Oberfläche. Durch diesen Kunstgriff will Apple erreichen, dass die Augen aus jeder Blickrichtung korrekt dargestellt werden. Das funktioniert so mittelgut. Das Display ist derzeit noch sehr dunkel und die Augendarstellung wird durch wabernde weiße Flächen überlagert.
Ein erstes Fazit
Apple nennt seine Brille einen räumlichen (Spatial) Computer. Genau genommen ist sie eine sehr komfortable und mit vielen Möglichkeiten ausgestattete Vr-brille. Dennoch bezieht sich die Bezeichnung „Vision“in der Vision Pro aus meiner Sicht auch auf die Zukunft. Wir sehen hier Apples Vision, wie wir künftig arbeiten werden. Dass die heutige Technik noch nicht so weit ist, müssen wir hinnehmen.