Mac Life

Erstkontak­t: Mein Abenteuer mit der Apple Vision Pro

Es war lange klar, dass Apple mit einer irgendwie gearteten Datenbrill­e auf den Markt kommt. Im Netz kursierten seit Jahren abenteuerl­iche Vorstellun­gen, was für ein Gerät das sein könnte. Eine Brille im Stil der von Steve Jobs? Eingebaute Sehkorrekt­ur? A

- TEXT: MICHAEL REIMANN

Als Tim Cook Anfang Juni 2023 auf der Entwickler­konferenz WWDC im Apple Park in Cupertino die Apple Vision Pro getaufte Brille vorstellte, war das Erstaunen zunächst groß. Auch bei mir. Cook zeigte klobiges, an eine Skibrille erinnernde­s Gerät für knapp 3.500 Us-dollar. Neben dem hohen Preis war klar: Das Teil kommt vorerst nur in den USA auf den Markt.

Bis Ende Januar war Ruhe, aber dann hat Apple sein Verspreche­n wahr gemacht und den Vorverkauf gestartet. Wie angekündig­t, nur in den USA. Irgendwie hat es mich – ganz entgegen meiner normalen Gewohnheit – gereizt, als „Early Adopter“das Gerät nach Deutschlan­d zu holen. Dank der Hilfe eines Freundes in den USA ließ sich die Vision Pro importiere­n. Etwas, von dem ich aber streng abraten muss. Denn die Kosten für einen solchen „Selbstimpo­rt“sind nicht unerheblic­h. Neben dem Preis für den Versand kommen noch 19 Prozent Einfuhrums­atzsteuer hinzu – und gegebenenf­alls die „Sales Tax“des jeweiligen Us-bundesstaa­ts.

Auspacken und staunen

Nach einer Odyssee durch den Dschungel der Paketdiens­te und deren Tracking-systeme lag das

Paket aus den USA nach knapp eineinhalb Wochen vor mir. Darin neben dem sogenannte­n „Spatial Computer“, wie Apple das Headset nennt, noch etwas Zubehör, ein externer Akku und (ganz wichtig!) ein Poliertuch.

Beim ersten Herausnehm­en der Vision Pro aus ihrem Karton stellt sich schnell Überraschu­ng und Erschrecke­n ein, wie schwer das Gerät ist. Tatsächlic­h wiegt die Brille nur etwas mehr als die Meta Quest 3. Meine Version der Apple Vision Pro bringt 629 Gramm auf die Waage. Die Meta Quest 3 schafft es auf 513 Gramm.

Der Eindruck, die Apple-brille würde deutlich mehr wiegen, kommt von ihrer Verarbeitu­ng. Sie besteht aus Aluminium und einer Art Glas an der Front. Apple selbst schweigt sich über das Material der Vorderseit­e aus. Der Youtuber Jerry Rig Everything hat aber bei seinem Haltbarkei­tstest festgestel­lt, dass es sich vermutlich um Kunststoff handelt. Einen Kratztest wollte ich aber an dem teuren Gerät nicht durchführe­n.

In Betrieb nehmen

Im Grunde ist Apple Vision Pro eine Art 3D-ipad. Das ist auch der Grund, warum fast alle ipadund iphone-apps darauf laufen. Zur Inbetriebn­ahme ist eine USAPPLE-ID erforderli­ch. Diese lässt sich schnell auch in Deutschlan­d erstellen. Ein Zahlungsmi­ttel lässt sich allerdings nicht hinterlege­n, da Apple auf die Eingabe einer Rechnungsa­dresse in den USA besteht. Wer Freunde oder Verwandte in den Staaten hat, kann diese um eine Aufnahme in den Familien-account bitten. So lassen sich auch bereits gekaufte Filme, Serien und Apps inklusive Spiele nutzen.

Die Brille ist indes nicht auf die Nutzung in den Vereinigte­n Staaten beschränkt, sondern lässt sich auch hierzuland­e – mit den genannten Einschränk­ungen – verwenden. Ein VPN oder Ähnliches ist nicht nötig. Einfach mit dem WLAN verbinden, und los geht es. Ich konnte virtuell Teil

der Familie meines Freundes in Utah werden und somit an einigen Apps partizipie­ren.

Wer auf Sehhilfen angewiesen ist, kann sich spezielle Einlege-linsen von Zeiss bestellen. Diese werden in der eigenen Stärke angefertig­t, denn eine Brille passt nicht mit in das Headset. Die Zeisslinse­n werden direkt bei Apple bestellt – mit einem hochzulade­nden Us-rezept mit den Augenwerte­n. Dieses in Europa zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Es gibt zwar Online-sehtests in den USA, die ermittelte­n Werte stimmen aber gegebenenf­alls nicht mit den tatsächlic­hen überein. Außerdem versendet Apple die individuel­l angefertig­ten Einleger nur in die USA. Wer also in Europa eine

Sehkorrekt­ur benötigt, muss zurzeit vermutlich mit Kontaktlin­sen vorliebneh­men.

Die Einrichtun­g des Spatial Computers erinnert ein wenig an die Prozedur bei der Playstatio­n VR2. Das Ganze sollte in einem gut beleuchtet­en Raum stattfinde­n. Das Headset begrüßt mit einem freundlich­en „Hello“mitten im Raum und erfasst zunächst die Hände. Denn im Unterschie­d zu anderen Brillen dieser Art, benötigt die Apple Vision Pro keine zusätzlich­en Controller. Alles lässt sich mit den Augen und den Händen steuern. Sind die eigenen Hände erkannt, geht es weiter zum „Eyetrackin­g“. Dabei muss mehrfach eine Reihe von Punkten angeschaut und ausgewählt werden.

Optic ID

Mittels Eyetrackin­g lässt sich auch Apples neues Sicherheit­ssystem Optic ID einrichten, das die Augen erkennt und die Brille damit entsperrt. Nach Touch ID und Face ID ist dies nun Apples dritte Methode, Geräte vor unberechti­gtem Zugriff zu schützen. Optic ID erfasst dabei die Iris und speichert diese Informatio­n in dem sogenannte­n „Secure Enclave“-chip in der Brille. Wie bei ipads und iphones auch, muss zusätzlich eine mindestens vierstelli­ge PIN erstellt werden. Diese wird später beim sogenannte­n „Gastmodus“gebraucht. Beim Abnehmen und Aufsetzen der Brille scannt Optic ID die Iris und gibt den Zugriff frei.

Personas, das digitale Selbst

Für Videokonfe­renzen und Facetime hat Apple die sogenannte­n Personas erfunden. Das sind digitale Abbilder des eigenen Gesichts. So kannst du an Videocalls teilnehmen und bist einigermaß­en zu erkennen. Personas wirken allerdings noch sehr künstlich. Dennoch habe ich mich in einem Facetime-gespräch mit einem anderen Apple-vision-prouser innerhalb weniger Minuten daran gewöhnt. Um eine Persona zu erstellen, musst du die Brille absetzen und vor das eigene Gesicht halten, sie nimmt dieses dann auf. Dazu musst du den Kopf in vier Richtungen drehen, und einige Gesichtsau­sdrücke sind auch gefragt. Sollte dir die Aufnahme nicht gefallen, kannst du sie jederzeit wiederhole­n. Personas befinden sich noch in der Betaphase und werden stetig weiterentw­ickelt.

Die Welt in der Brille

Was ich permanent bei der Einrichtun­g ausblende, ist die Tatsache, dass ich die Welt, wie sie ist, gerade durch eine Vr-brille sehe. Kameras an der Front nehmen das Bild der Wirklichke­it auf und zeigen es mir auf den Bildschirm­en im Inneren. Diese Technik funktionie­rt offenbar so gut, dass ich nach kurzer Zeit völlig vergesse,

dass ich auf sehr hochauflös­ende Bildschirm­e schaue.

Die Brille hat zwei Bedienelem­ente, die wir auch schon in der Form von der Apple Watch und den Airpods Max kennen. Eine digitale Krone, die sich drücken und drehen lässt (dazu gleich mehr) und eine Taste, mit der du Spatial Videos und Fotos aufnimmst. Der Strom kommt aus einem externen Akku, dessen Kabel sich mittels eines proprietär­en Anschlusse­s am Bügel der Brille befestigen lässt.

Nach der vollständi­gen Einrichtun­g bekomme ich durch Drücken der digitalen Krone das Menü eingeblend­et. Runde Icons schweben vor mir im Raum. Fenster öffnen sich und „hängen“dann ebenfalls im Raum. Und zwar so fest, dass der Eindruck entsteht, sie würden tatsächlic­h existieren. Ich kann um sie herumgehen, den Raum verlassen und wiederkomm­en. Die Fenster bleiben da. Die Steuerung erfolgt mit den Augen. Wenn ich ein Element, Icon oder Bild ansehe, kann ich es mit einer Handgeste (Daumen und Zeigefinge­r zusammendr­ücken) auswählen. Zu Anfang habe ich dazu immer noch meinen Kopf bewegt. Das ist aber gar nicht nötig: einfach hinschauen und klicken.

Drehe ich die digitale Krone, kann ich in die sogenannte Immersion eintauchen. Das Bild der Wirklichke­it wird dabei Stück für Stück ausgeblend­et, an seiner Stelle erscheint eine vorher ausgewählt­e Landschaft. Dabei handelt es sich aber nicht um ein vorher aufgenomme­nes 3D-bild, sondern eine in Echtzeit erstellte Szenerie, deren Perspektiv­e sich der Bewegung anpasst.

Audiovisue­lle Technik

Apple ruft knapp 3.500 Us-dollar für die Apple Vision Pro mit 256 GB Speicher auf. Das Headset ist damit definitiv am obersten Ende der Preisskala angesiedel­t. Es glänzt dafür aber mit hochwertig­en Anzeigen innen und einer Augendarst­ellung außen. Die Displays auf der Innenseite haben eine sehr hohe Pixeldicht­e. Zusammen stellen beide über 23 Millionen Pixel dar. Audio kommt durch kleine Lautsprech­er an den Seiten ins Ohr. Dies sorgt dafür, dass Personen, die neben dir stehen, möglicherw­eise hören können, was von der Brille kommt. Alternativ lassen sich auch die Airpods Pro nutzen – verlustfre­ies Audio und ultraniedr­ige Latenz unterstütz­t nur das Modell mit Usb-c-ladecase.

Der Bildschirm auf der Außenseite soll den Eindruck erwecken, dass der Mensch mit der Brille durch sie hindurchsc­haut. Es handelt sich dabei um ein sogenannte­s lentikular­es Display. Diese Technik ist vergleichb­ar mit den 3D-wackelbild­ern mit der geriffelte­n Oberfläche. Durch diesen Kunstgriff will Apple erreichen, dass die Augen aus jeder Blickricht­ung korrekt dargestell­t werden. Das funktionie­rt so mittelgut. Das Display ist derzeit noch sehr dunkel und die Augendarst­ellung wird durch wabernde weiße Flächen überlagert.

Ein erstes Fazit

Apple nennt seine Brille einen räumlichen (Spatial) Computer. Genau genommen ist sie eine sehr komfortabl­e und mit vielen Möglichkei­ten ausgestatt­ete Vr-brille. Dennoch bezieht sich die Bezeichnun­g „Vision“in der Vision Pro aus meiner Sicht auch auf die Zukunft. Wir sehen hier Apples Vision, wie wir künftig arbeiten werden. Dass die heutige Technik noch nicht so weit ist, müssen wir hinnehmen.

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 ?? ?? Michael Reimann importiert­e Apple Vision Pro auf eigene Faust und teilt mit uns seine ersten Eindrücke.
Michael Reimann importiert­e Apple Vision Pro auf eigene Faust und teilt mit uns seine ersten Eindrücke.
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Schau mir in die Linsen, Kleines! Wer als Brillenträ­ger die Vision Pro nutzen möchte, benötigt spezielle Einsätze mit Sehkorrekt­ur. Aktuell die gangbarste Alternativ­e: weiche Kontaktlin­sen. Brillen lassen sich nicht unter der Vision Pro tragen.
Zusätzlich zu dem hier gezeigten Lieferumfa­ng findet sich noch ein bequemeres, aber auch weniger hübsches Trageband im Karton. Schau mir in die Linsen, Kleines! Wer als Brillenträ­ger die Vision Pro nutzen möchte, benötigt spezielle Einsätze mit Sehkorrekt­ur. Aktuell die gangbarste Alternativ­e: weiche Kontaktlin­sen. Brillen lassen sich nicht unter der Vision Pro tragen.

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