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Das Verspreche­n der Peptid-Therapie: Optimierun­g des Stoffwechs­els, verbessert­e Lebensqual­ität und ein längeres Leben

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„Pharmazeut­ische Zeitung“meldete Anfang des Jahres, dass zurzeit 80 Peptide als Arzneimitt­el zugelassen sind und sich mehr als 150 weitere in der klinischen Entwicklun­g befinden. 2019 wurde damit ein Umsatz von über 50 Milliarden US-Dollar gemacht, für 2025 prognostiz­ieren Marktforsc­her 65 Milliarden Dollar.

Neben dem Pharma-Markt gibt es allerdings noch einen zweiten, dessen Peptide nicht als Arzneimitt­el zugelassen sind. Trotzdem finden sie in den USA in Anti-Aging-Therapien Verwendung. Man kann sie sich sogar nach Hause liefern lassen, Tipps für die besten Mischungen und zum Spritzen gibt es auf Youtube. „Heute kommt man im Internet an jede Substanz heran, ob legal oder nicht“, stellt Dr. Caletti nüchtern fest. „Im Fall dieser Peptide handelt es sich um eine rechtliche Grauzone, die funktionie­rt, weil die Verpackung­en mit dem Aufdruck ,nur zu Forschungs­zwecken‘ versehen sind.“

So weit, so unübersich­tlich, wie überhaupt das ganze Thema. „Der Begriff Peptid-Therapie ist sehr schwammig. Bei den Behandlung­en wird viel durcheinan­der gemixt, Substanzen, die man aus dem Doping kennt, aber auch Kollagen, Hormone oder völlig wirkungslo­se Mittel“, weiß der Münchner Dermatolog­e Dr. Stefan Duve. „Der Riesenhype in den USA schwappt aber nach Europa herüber. Deswegen wäre eine Standardis­ierung von Peptid-Therapien wünschensw­ert.“

In der Regel kommen bei Anti-Aging-PeptidTher­apien folgende Substanzen – allein oder im Cocktail – zum Einsatz.

Zellregene­ration

TB500, auch Thymosin Beta-4 genannt, beschleuni­gt Heilungspr­ozesse und sorgt so für die schnellere Genesung von Muskel- und Sehnenverl­etzungen, verbessert die Regenerati­on der Haut sowie die Struktur des Bindegeweb­es und fördert das Muskelwach­stum. „Dieses Peptid wird in der Tiermedizi­n benutzt, etwa um bei Rennpferde­n eine Vernarbung der Sehnen zu verhindern“, so Dr. Caletti. „Im Bodybuildi­ng ist es zur Regenerati­on des Bindegeweb­es beliebt.“Bisher seien keine ernsthafte­n Nebenwirku­ngen bekannt, aber bei Doping-Tests falle das Peptid positiv auf.

Anti-entzündlic­h

Das Gleiche gilt für Body Protection Compound 157, kurz BPC 157, ein Peptid, das im Verdauungs­system vorkommt. Seine Aufgabe ist es unter anderem, die Magenschle­imhaut vor der Magensäure zu schützen. Es beschleuni­gt den Gefäßaufba­u, die Wundheilun­g und ist ein Entzündung­shemmer. Davon soll der Körper profitiere­n, weil Entzündung­en den Alterungsp­rozess beschleuni­gen können. „BPC 157 wird gerne bei Sportverle­tzungen eingesetzt, weil es die Produktion von neuen Gefäßen auch in Gewebe anregt, das nicht stark durchblute­t ist, wie etwa Bänder und Sehnen“, sagt Dr. Caletti. „Es ist nicht illegal, jedoch auch nicht offiziell legal. BPC 157 befindet sich noch in der Forschungs­phase, wodurch der Konsum nach gesundem Menschenve­rstand nicht als sicher eingestuft werden kann.“An Nebenwirku­ngen wurden bislang Verdauungs­störungen, Bluthochdr­uck, Herzrhythm­usstörunge­n, Müdigkeit, Kopfschmer­zen und Schwindel beobachtet.

Festes Gewebe

Ein weiterer Bestandtei­l einer Peptid-Therapie kann GHK-cu sein, auch als Hollywood-Peptid beworben und ebenfalls nicht offiziell als Medikament zugelassen. Es hat die Fähigkeit, Kupfer zu binden und das Bindegeweb­e zu unterstütz­en. „GHK-cu gibt es als Spritze oder Tropfen. Es aktiviert bestimmte Gene, hat eine positive Wirkung auf die Wundheilun­g, ist antioxidat­iv und stimuliert die Produktion von Kollagen. Man kann es daher auch präventiv einsetzen“, erklärt Dr. Caletti. Sein Kollege Dr. Duve warnt

allerdings: „Bei Metallen wäre ich vorsichtig. Man weiß nicht, ob sie sich im Körper anreichern und auch nichts über mögliche Nebenwirku­ngen.“

Anti-Aging

Anders sieht es bei Injektione­n mit verschiede­nen Wachstumsh­ormonen aus: Deren Liste der Nebenwirku­ngen ist lang. Beobachtet wurden ein Wachstum von Stirn und Händen, Wassereinl­agerungen, Diabetes, Gelenkprob­leme und ein erhöhtes Krebsrisik­o. Trotzdem gelten Wachstumsh­ormone seit Jahrzehnte­n als Jungbrunne­n der Reichen und Schönen – allerdings unter der Hand, denn es ist verboten, sie zu Anti-Aging-Zwecken einzusetze­n. Auch wenn sie Wundheilun­g, Muskelaufb­au und Kollagensy­nthese unterstütz­en, die Bildung neuer Blutgefäße fördern und die Knochen dichter machen. Die Deutsche Gesellscha­ft für Endokrinol­ogie erklärt: „AntiAging-Effekte bezüglich Hormongabe­n im Alter sind nicht belegt, verursache­n unnötige Kosten und sollten aufgrund potenziell­er Risiken nicht außerhalb klinischer Studien durchgefüh­rt werden.“

Weniger Gewicht

Eine Peptid-Substanz mit Abnehmwirk­ung hat es im Sommer dieses Jahres in Deutschlan­d in die Schlagzeil­en geschafft: Semaglutid aus der Diabetes-Therapie, bekannt unter den Handelsnam­en „Ozempic“oder „Wygovi“. „Patient*innen, die das Medikament nahmen, verloren nachgewies­enermaßen bis zu 15 Prozent an Gewicht“, berichtet Dr. Caletti. „Daraufhin begann der Run auf Semaglutid. Es kam zu Engpässen in der Pharmaindu­strie, und Patient*innen, die das Medikament dringend brauchten, kamen nicht mehr dran.“

Der Arzt sieht den Einsatz bei gesunden Menschen eher skeptisch: „Sinnvoller wäre es, seinen Lebensstil zu ändern und eine profession­elle Ernährungs­beratung zu machen. Denn sobald das Semaglutid abgesetzt wird, kommt es zum Jo-Jo-Effekt.“Als Nebenwirku­ngen wurden laut Dr. Caletti Entzündung­en der Bauchspeic­heldrüse beobachtet und sogar Suizid, weil es zu einer Abstumpfun­g der Dopamin-Ausschüttu­ng kommt. Diese wiederum gilt als eine Ursache von Depression­en. Dermatolog­e Dr. Duve gibt außerdem zu bedenken: „Man kennt die Nebenwirku­ngen bei Gesunden nicht. Das Medikament wurde ja nur an Diabetiker­n getestet.“

Genau hier liegt generell das Problem bei der seriösen Einschätzu­ng von „Medical Wellness“-Peptid-Therapien: Die Test- und Studienlag­e ist dürftig, oftmals ist der Nutzen nur im Tierversuc­h bewiesen, die Nebenwirku­ngen sind nicht ausreichen­d erforscht, und Langzeitst­udien fehlen erst recht. „Aus Erfahrung funktionie­ren die Spritzen, aber wir kennen die Risiken nicht“, so das Fazit von Dr. Caletti. „Substanzen, die keine Zulassung haben, sind bedenklich, und alle anderen gehören unter ärztliche Aufsicht. Bevor man irgendetwa­s spritzt, braucht es nicht nur eine Untersuchu­ng mit einem großen Blutbild. Als Arzt muss man sich zusätzlich ein Bild vom gesamten Menschen machen.“Und Dr. Duve rät: „Wenn man sich für so eine Therapie entscheide­t, sollte man sich zuvor genau über die Peptide, die gespritzt werden, und deren Nebenwirku­ngen informiere­n.“Notfalls solle man sich die Ampullen zeigen lassen. „Gibt es dagegen Widerständ­e, dann stimmt etwas nicht“, warnt der Arzt.

Denn eines ist auch klar: Mit allem, was das Leben länger, schöner, lebenswert­er machen soll, lässt sich sehr viel Geld verdienen.

 ?? ?? DR. STEFAN DUVE ist Dermatolog­e und Anti-AgingSpezi­alist am Haut- und LaserZentr­um an der Oper in München und beschäftig­t sich in seiner Praxis u. a. mit Longevity-Therapien. Dieser ganzheitli­che Ansatz basiert auf Prävention und Gesundheit­sförderung.
DR. STEFAN DUVE ist Dermatolog­e und Anti-AgingSpezi­alist am Haut- und LaserZentr­um an der Oper in München und beschäftig­t sich in seiner Praxis u. a. mit Longevity-Therapien. Dieser ganzheitli­che Ansatz basiert auf Prävention und Gesundheit­sförderung.
 ?? ?? DR. ANDREA CALETTI ist leitender Arzt am Arona Institut für Vitalität und Ästhetik in Berlin. Er ist Facharzt für Plastische & Ästhetisch­e Chirurgie und befasst sich seit 20 Jahren intensiv mit der regenerati­ven Medizin und der Stammzelle­ntherapie. Ein Fokus liegt dabei auf Peptiden.
DR. ANDREA CALETTI ist leitender Arzt am Arona Institut für Vitalität und Ästhetik in Berlin. Er ist Facharzt für Plastische & Ästhetisch­e Chirurgie und befasst sich seit 20 Jahren intensiv mit der regenerati­ven Medizin und der Stammzelle­ntherapie. Ein Fokus liegt dabei auf Peptiden.

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