IM STEIGFLUG
Schauspielerin Sandra Hüller ist schon lange im Geschäft – und jetzt Oscar-Kandidatin
Zu behaupten, Sandra Hüller sei im Film „Toni Erdmann“aus dem Jahr 2016 eine Neuentdeckung gewesen, wäre eine Lüge. Zuvor war sie schon EnsembleMitglied an renommierten Bühnen wie dem Theater Basel, Bochum und den Münchner Kammerspielen. Aber mit der Geschichte um die junge Unternehmensberaterin Ines, die sich von ihrem Alt-68er-Vater entfremdet hat, wurde sie mit einem Schlag auch einem breiteren Publikum bekannt. Vor allem mit dieser einen Szene, in der die stets angespannte Ines kapituliert, ihr viel zu enges EdelOutfit abstreift und nackt zum Geburtstagsbrunch empfängt. Sandra Hüller spielt diese absurde, ja peinliche Szene mit solcher Ernsthaftigkeit und Würde, dass sie sich tief in das kollektive Filmgedächtnis eingebrannt hat. Der Film von Marion Ade lief in Cannes, erhielt den Europäischen Filmpreis und eine Oscar-Nominierung.
Schon damals war klar, dass man von dieser zierlichen rotblonden Frau, die 1978 in Thüringen geboren wurde und heute mit Mann und Tochter in
Leipzig lebt, noch einiges erwarten darf. So ist es auch gekommen – in den letzten Monaten gab es kaum eine Preisverleihung ohne sie. Applaus bekam sie für die Rolle der hinreißenden Busenfreundin der Kaiserin in Frauke Finsterwalders „Sisi & Ich“. Es folgte das Drama „Anatomie eines Falls“, in dem Hüller eine Schriftstellerin spielt, deren Mann sich aus dem Fenster des gemeinsamen Chalets in den französischen Alpen stürzte – oder war es Mord? Wobei „spielen“das falsche Wort ist: Sandra Hüller atmet ihre Figuren ein. Sie beherrscht all die kleinen Gesten und mimischen Details, die echte Menschen normalerweise von Schauspielern unterscheiden.
Die französische Produktion „Anatomie eines Falls“gewann 2023 die Goldene Palme in Cannes, aber Sandra Hüller hatte an der Côte d’Azur noch einen zweiten hochgelobten Film im Gepäck: In „The Zone of Interest“(ab 29.2. im Kino) spielt sie die Frau des Auschwitz-Lagerkommandanten Rudolf Höss, die sich in Sichtweite des KZ einen „Paradiesgarten“angelegt hat; der Film ist der britische Kandidat für den Auslands-Oscar.