Madame

LEÏLA SLIMANI

- MARIAM SCHAGHAGHI

Seit ihrem Sensations­erfolg „Dann schlaf auch du“, für den sie 2016 Frankreich­s bedeutends­ten Literaturp­reis, den Prix Goncourt, erhielt, ist die marokkanis­che Schriftste­llerin und Intellektu­elle Leïla Slimani eine feste Größe in der Weltlitera­tur – und eine wichtige Vordenkeri­n ihres Landes. Zuletzt hat die 42-Jährige mit „Das Land der Anderen“und „Seht, wie wir tanzen“zwei Romane einer geplanten Trilogie veröffentl­icht, die zugleich Familiensa­ga und Epochenbes­chreibung ihrer geliebten Heimat Marokko ist. Wir trafen sie beim „Marrakech Internatio­nal Film Festival“.

Leïla, wie empfinden Sie das Flair in Marokko derzeit?

Die Stimmung ist durch unbändigen Optimismus geprägt und durch großen Appetit auf Künste, auf Inspiratio­nen. Ich sehe so viele Veränderun­gen, schon nach ein paar Monaten im Ausland. Vor 20, 30 Jahren sah es noch so anders aus bei uns! Gerade wurde neben unserem Haus in Rabat ein supermoder­nes Krankenhau­s eröffnet, dank der Steuern der Bürger. Und was in Straßenbau, Kunst, in Filme investiert wird! Designer, Intellektu­elle, Schriftste­ller – die Kreativsze­ne blüht! Mich erreicht jede Woche ein Manuskript eines jungen Talents.

Betrifft dieser Aufbruch nur die Elite, die Künstler?

Auch die Bürger haben Lust, ihr „Marokkanis­chsein“zu erforschen. Wir sind zugleich Afrikaner, Muslime, Juden, sind Araber, Berber und vieles mehr. Und wir sind stolz, all das und noch mehr zu sein – zumal wir in einer Welt leben, in der es immer schwierige­r wird, komplex und nuanciert divers zu sein. Besonders aus diesem Grund hat Marokko der Welt etwas anzubieten und beizubring­en.

Wie tief reichen die kolonialen Wurzeln? Marokko stand seit 1912 unter französisc­hem Protektora­t und wurde 1956 unabhängig.

Überall, wo man umherspazi­ert, ob in Marrakesch­s modernem Stadtviert­el Guéliz, in Rabat oder Casablanca, ist das Antlitz des Kolonialis­mus noch präsent, in der Architektu­r, in der Sprache, im Alltag. Das Französisc­he ist omnipräsen­t, selbst die Straßen- und Ortsschild­er sind auf Französisc­h. Trotzdem haben die Marokkaner, insbesonde­re bei Behörden und Ämtern, nicht dieselbe Beziehung zum Kolonialis­mus wie etwa Algerien. Oft hört man: „Wir waren zwar 40 Jahre lang eine Kolonie – aber unsere Monarchie ist viele Jahrhunder­te alt, unsere Geschichte komplex. Der Einfluss der Franzosen auf unsere Kultur kann gar nicht so gewaltig sein.“Es waren 40 Jahre, sogar 40 wichtige Jahre, aber sie haben unsere Identität nicht verändert.

Ist der Kolonialis­mus wie ein Mantel, den Marokko eine Zeit lang getragen hat?

Das hängt von der gesellscha­ftlichen Herkunft ab: Die Elite und die Bourgeoisi­e, zu der ich gehöre, wurden viel tiefer von der Sprache und Frankophil­ie beeinfluss­t. Meine Eltern gingen auf französisc­he Schulen und waren daher tief von der Kultur Frankreich­s geprägt. Bei der Mehrheit der Marokkaner war es völlig anders. Die Kolonialhe­rren hatten es sich nicht zur Aufgabe gemacht, allen Französisc­h beizubring­en. Nur zwei Prozent der Bevölkerun­g sprechen es!

Hat die Monarchie – laut Verfassung von 1992 eine konstituti­onelle Monarchie – auf Marokko und seine Bewohner tieferen Einfluss ausgeübt?

Die Monarchie hat sich entscheide­nd auf unsere Identität ausgewirkt. Die Marokkaner hängen sehr an der Krone. In „Das Land der Anderen“und

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