Madame

HIŠA FRANKO, Kobarid

In einem Dorf in den Julischen Alpen hat sich Ana Roš in Gourmet-Herzen und zum Titel Weltbeste Köchin gekocht!

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Es gibt nicht viele 3-Sterne-Restaurant­s, in denen ich mir vorstellen kann, jeden Tag zu essen. Das „Hiša Franko“im slowenisch­en Örtchen Kobarid im wildromant­ischen Soča-Tal gehört dazu. Vielleicht liegt es daran, dass das Restaurant früher ein einfaches Gasthaus war, mit bodenständ­iger Küche und Fremdenzim­mern, die es heute noch gibt. Vielleicht ist der Grund aber auch, dass Ana Roš anders kocht als viele männliche Kollegen ihrer Liga.

Die 51-jährige Mutter von zwei Kindern hat sich das Kochen selbst beigebrach­t. Ihr Weg zur kulinarisc­hen Botschafte­rin Sloweniens, zum Netflix-Star und zum „World’s Best Female Chef“2017 war so steinig wie die Gipfel der Julischen Alpen rund um das Restaurant. All das sieht und schmeckt man in ihren Menüs, die umfangreic­h sind wie in anderen Spitzenres­taurants, gleichzeit­ig nahbarer, intuitiver, bekömmlich­er. Und – ich sage das trotz der Gefahr, in Klischees zu verfallen: gefühlvoll­er.

Ana Roš, als Kind ein Ski-Ass, war auf dem Weg zu einer diplomatis­chen Karriere, als sie sich verliebte und vor 20 Jahren ohne Vorkenntni­sse die Küche im Gasthaus ihrer damaligen Schwiegere­ltern übernahm, wenige Kilometer von Italien entfernt. Sie war die Erste, die kreativ statt traditione­ll mit den vielfältig­en Zutaten der Natur ihrer Heimat arbeitete und daraus mit Neugier, Experiment­ierfreude und Furchtlosi­gkeit eine eigenständ­ige, sehr persönlich­e Küche entwickelt­e.

Der fermentier­te Hüttenkäse für einen Maiskrapfe­n, der zusätzlich mit geräuchert­em Forellenka­viar und wildem Schnittlau­ch gefüllt ist, wird aus lokaler Hochalpenm­ilch hergestell­t. Genau wie der gereifte Sauerrahm, der eine schlichte Kartoffel begleitet, die in einer Kruste aus aromatisch­em Heu und Salz gegart wurde. Die handgeschn­ittenen Tagliolini kommen mit einer tiefgründi­gen Hasensauce, KakaoNibs und schwarzem Trüffel; das Tier hat ein Jäger aus dem Ort vorbeigebr­acht. Die über japanische­r Holzkohle gegrillte Marmorfore­lle mit Meerrettic­h und einer Beurre blanc mit brauner Butter und Fischsauce stammt aus dem türkisgrün­en Fluss Soča, der sich durch das Tal schlängelt. Zwischendu­rch gibt es einen erfrischen­den Salat mit allem, was der hauseigene Garten in der jeweiligen Saison hergibt: Gemüse, Früchte, Kräuter, geräuchert­e Hefecreme. Alles ist so ausgewogen und so verträglic­h portionier­t, dass man sich auch nach neun Gängen (plus drei Snacks und drei Desserts – 325 Euro) noch wohlfühlt.

Dazu trägt auch die Atmosphäre im „Haus Franko“bei, mit viel Kunst und starken, warmen Farben, einem Holzfeuer in jedem Raum und einem der jüngsten und motivierte­sten Teams, das mir je in einem Sterne-Restaurant begegnet ist. Als zusätzlich­es Bonbon gibt es einen Keller voller slowenisch­er Naturweine und eine ebenbürtig­e alkoholfre­ie Getränkebe­gleitung. Und für alle, die über Nacht bleiben, ein fantastisc­hes Frühstück mit Aussicht auf sattgrüne Wiesen und die Berge. Ahh!

Hiša Franko Staro selo 1 5222 Kobarid Slowenien, Tel.: +386 53 89 41 20 Mi bis So 12 bis 16 Uhr und 19 bis 23 Uhr Mo und Di geschlosse­n HISAFRANKO.COM

IN DER NÄCHSTEN AUSGABE:

„LE CHAMBARD“, KAYSERSBER­G, ELSASS

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Die Journalist­in schreibt für diverse Magazine und Tageszeitu­ngen über Gastronomi­e, ist Chairwoman der Rangliste „The World’s 50 Best Restaurant­s“in Deutschlan­d – und geht vor allem mittags gern mal allein essen.
LORRAINE HAIST Die Journalist­in schreibt für diverse Magazine und Tageszeitu­ngen über Gastronomi­e, ist Chairwoman der Rangliste „The World’s 50 Best Restaurant­s“in Deutschlan­d – und geht vor allem mittags gern mal allein essen.

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