Märkische Oderzeitung Eisenhüttenstadt
Zwischen Verzweiflung und Aufbruch
Trotz aller Widrigkeiten gehen die 2. Tage des offenen brandenburgischen Buches an den Start.
Niederfinow/Angermünde. Wenn am Sonntag tatsächlich die Stimme von Judith Zander aus dem Mikrofon dringt und Sätze aus ihrem aktuellen Roman im Kloster Angermünde erklingen – dann wird Hans Jörg Rafalski wahrscheinlich ziemlich erleichtert aufatmen. Der Organisator der Tage des offenen brandenburgischen Buches ringt seit Januar darum, sein 2020 aus dem Boden gestampftes Literaturfest auch im zweiten Jahr durchzuziehen: trotz sich wegen der Pandemie ständig verändernder Bestimmungen, Auflagen und Ansprechpartner.
Die Auftaktveranstaltung in Schwedt am Sonnabend (Lesung Brygida Helbig, 18 Uhr) ist kurzfristig von der zwischenzeitlich favorisierten Open-Air-Variante doch wieder in den Berlischky-Pavillon verlegt worden, Tests sind nun Vorschrift … Mehrmals täglich muss Rafalski die Angaben auf der Internetseite aktualisieren.
„Die Autoren haben mich bei der Stange gehalten“, erzählt der in Niederfinow lebende Organisator. „Da gibt’s so viel Dankbarkeit, dass mal wieder etwas stattfindet, das konnte ich einfach nicht enttäuschen.“Der Autor und Verleger, im Hauptberuf Grafikdesigner, stemmt das alles ehrenamtlich und fast im Alleingang. Ein wenig Sorge bleibt, dass entweder eine Veranstaltung im letzten Moment noch untersagt wird oder wegen der Auflagen und der Schwierigkeiten der Bewerbung niemand kommt.
Das Programm der zweiten Ausgabe kann sich sehen lassen:
Es lesen Autoren wie Judith Zander, Julia Schoch und Hellmuth Henneberg an schönen – und extra weitläufigen! – Orten in ganz Brandenburg. Bewusst sollen gerade kleine und entlegene Orte bespielt werden, Criewen etwa, wo im Lenné-Park sechs brandenburgische Autoren parallel aus ihren Büchern lesen (13.6.).
Bewusst setzt Rafalski auf analogen Austausch, auf der Startseite spricht er davon, „gegen diese seltsame Atmosphäre der Erstarrung, die unter uns eingezogen ist, ein Zeichen zu setzen“. Einige digitale Angebote gibt’s aber auch, eine Buchkunstausstellung etwa und die Aufführung „Gebrochene Poesie Uckermark“(Gramzow), die ins Netz verlegt wurde. Ausfallen müssen wegen der Auflagen allerdings Musik und Tanz sowie das geplante Lesefest in Einfacher Sprache im Schloss Wartin, wo auch Judith Hermann aus ihrem für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Roman lesen wollte. Hoffnung gibt’s noch für das Kinder- und Jugendbuchfest mit vielen brandenburgischen Verlagen, die Bücher für junge Leser machen (15.8., Schöneiche). Das ist das eigentliche Ziel des einzigen landesweit stattfindenden Literaturfestivals – den vielen kleinen Verlagen, Buchkünstlern und Autoren im Land ein Podium zu bieten, die es auch ohne Corona nicht leicht haben. Fast schon trotzig nennt der Initiator sein Festival „Der Neustart für Literatur und Buchkunst in Brandenburg“– ach, möge es so sein.
Informationen
Frau Hielscher, was bedeutet Brandenburg für Ihr Werk?
Der bewegte Raum als Ausdruck für Leben bildet den Fokus meines malerisch-grafischen Schaffens. Dabei werden Ambivalenzen von Paradiesgarten und Wüste, Gemeinschaft und Abgrenzung, Fülle und Leere, Liebe und Hass unter dem Aspekt von Potenzial, Resonanz und Balance künstlerisch ausgelotet. Hier geboren und irgendwann zurückgekehrt, ist Brandenburg nicht nur Heimat, sondern mit seinen Menschen und Landschaften eben der unmittelbare Erfahrungsort für meine Interpretationen des bewegten Raumes.
Was braucht die Kunstszene in Brandenburg am dringendsten?
Ich halte die Forderung des Berufsverbandes der Bildenden Künstler in Deutschland und damit auch in Brandenburg für wichtig, endlich die lange diskutierten Ausstellungshonorare gesetzlich zu verankern. Damit würde die Szene der Bildenden Kunst eine öffentliche Anerkennung und existenziell wichtige Förderung erhalten.
Was hat sich durch Corona in Ihrer Arbeit verändert?
An meiner Arbeit hat sich grundsätzlich nichts verändert. Allerdings ist die Möglichkeit des direkten Publikumskontaktes seit einem Jahr sehr eingeschränkt. So hatte ich im Mai 2020 meine erste digitale Ausstellungseröffnung. Das beförderte einerseits die überregionale Präsenz, konnte jedoch den wichtigen persönlichen Kontakt zwischen Künstler und Besucher nicht ersetzen. Ein zweiter Aspekt meiner Arbeit ist künstlerische Bildung, die stark eingeschränkt beziehungsweise unmöglich wurde.