Mit dem Cdu-parteitag könnte sich das Schicksal von Annegret Kramp Karrenbauer entscheiden
Nach ihrer Wahl zur Cdu-chefin machte sie viele Fehler, wirkte angezählt. Der Showdown bleibt wohl zunächst aus. Ob der Parteitag für die Verteidigungsministerin die Wende bringt, ist aber offen.
Die Rede ihres Lebens, schon wieder. Nicht weniger wird von Annegret Kramp-karrenbauer auf dem Parteitag Ende der Woche erwartet. Dabei ist es nicht mal ein Jahr her, dass sie auf der riesigen Bühne in Hamburg stand, ein bisschen zaghaft begann, dann aufdrehte, den Saal mitriss – und Vorsitzende der CDU Deutschlands wurde. Seither ist sie die Chefin, aber längst hat sich in der Union und im Rest des Landes die Frage festgesetzt, ob das wirklich die beste Wahl war. In Leipzig steht Kramp-karrenbauer also nicht nur ihr allererster Parteitag als Vorsitzende bevor, bei dem sie für alles von der Saal-deko bis zur Abstimmungspremiere per Computer verantwortlich ist, sondern auch ein Wochenende, das die Wende bringen kann. So oder so.
Hinter AKK liegt ein Jahr prallvoll mit Ereignissen, die auch für zwei gereicht hätten: Fehler, verlorene Wahlen, die eigene Partei in der Krise, der Koalitionspartner am Abgrund und die Republik verunsichert, dazu jede Menge interne Rivalen, die auf ihre Chance warten, sowie ein neues Ministerium. Und dann ist da eben auch noch Angela Merkel, die Kanzlerin, die ihr den Weg an die Parteispitze gebahnt hat, nun aber keinerlei Anstalten macht, weitere Wegbereitungsarbeiten vorzunehmen. Die beiden Frauen haben etwas Neues gewagt mit dem Cdu-modell einer Doppelspitze, aber so wie es derzeit aussieht, hat das nicht zu einer Verdoppelung der Macht geführt. Im Gegenteil.
Es geht jetzt immer um alles
Kramp-karrenbauer jedenfalls muss kämpfen – und der Druck ist ihr anzumerken. „Die Leichtigkeit ist weg“, sagt eine, die zum Kreis ihrer Unterstützer zählt. Es geht jetzt immer um alles, wie zum Beispiel an einem Mittwochnachmittag Anfang November: Geladen ist zu einem transatlantischen Kongress. Im Fraktionssaal der Union herrscht professionelles Gewusel, Abgeordnete, Experten, Ministeriale, Militärs, man kennt sich. Eine Community, zu der Kramp-karrenbauer, die Landesministerin, die saarländische Regierungschefin, die Parteipolitikerin bislang nicht wirklich Zugang hatte. Jetzt ist sie es, die Verteidigungsministerin und möglicherweise eben auch künftige Kanzlerin, auf deren Worte alle warten. Im tiefblauen Blazer tritt sie ans Rednerpult, reibt die Hände und bekennt freimütig, „etwas aufgeregt“zu sein. Die Nervosität gilt dann allerdings vor allem dem Folgetermin im Haushaltsausschuss, wo die Ministerin erstmals für das Budget ihrer Truppe kämpfen muss.
Bereits im Sommer hatte sie sich zusätzlich das Verteidigungsministerium aufgeladen – ein Zugriff, der schon damals nicht aus einer Position der Stärke erfolgte, sondern um weitere Schwächung zu verhindern. Sicher, das Ressort, in dem nicht nur über das zweitgrößte Budget des Bundeshaushalts, sondern mitunter auch über Leben und Tod entschieden wird, ist eines der wichtigsten im Kabinett. Zugleich ist es aber auch ein Ministerium, in dem man tief in komplizierte (und teure) Details einsteigen muss, ohne dass das viel Breitenwirkung erzeugt. Auch Wohlmeinende hatten ihr damals abgeraten. Merkel war, nach allem, was man weiß, dafür. Der Aufbruch in die Regierung war zudem von einem Wortbruch begleitet, denn noch kurz zuvor hatte AKK versichert, nicht ins Kabinett wechseln zu wollen. Den Sturm der Entrüstung nahm sie in Kauf.
Und sie hängt sich rein. Nach nicht mal 120 Tagen im Amt kündigt ihr Haus eine „sicherheitspolitische Grundsatzrede“
an – die Nachrichtensender berichten live. Tatsächlich hat es dieser Aufschlag in sich, auch wenn die Saarländerin schlecht beraten ist, zwischendurch den ehemaligen Us-präsidenten Barack Obama im Original zu zitieren. Englisch ist jedenfalls nicht ihre Stärke. Aber dann: Handelswege freihalten, China auch mit deutscher Beteiligung in die Schranken weisen, einen Nationalen Sicherheitsrat einrichten, Einsatzentscheidungen beschleunigen, das Zwei-prozent-ziel bis 2031 erreichen. AKK feuert in ihrer Münchner Rede aus allen Vorschlagsrohren. Dass der Widerhall sich in Grenzen hält, liegt dann an einem noch lauteren Knall, den der französische Präsident Emmanuel Macron am selben Tag mit seinem Nato-„hirntod“zündet. Übrig bleibt für die Ministerin nun die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es deutsche Marineschiffe gibt, die es bis ins südchinesische Meer schaffen.
In Sachen Syrien hat Kramp-karrenbauer bislang jedenfalls keine konkreten Ergebnisse vorzuweisen. Ihr Vorstoß Ende Oktober war der Versuch, endlich wieder in die Offensive zu kommen. Dass sie sich weder mit Spd-außenminister Heiko Maas noch mit den Bündnispartnern vorab abstimmte, sorgte bei den politischen Profis für Augenrollen. An der Basis kam der Vorstoß schon besser an:
Die traut sich wenigstens mal was, so der Tenor.
Sich was trauen ist überhaupt ein gutes Stichwort. Manchmal hat man den Eindruck, dass AKK gerade aus der Defensive besonders weit nach vorne springen kann. Mitte Oktober in ihrer saarländischen Heimat zum Beispiel. Die Junge Union tagt und hat sich mit Beifallsstürmen und Bierflaschen ihrem Idol Friedrich Merz buchstäblich zu Füßen gelegt. Hat den Plan verabschiedet, der Parteichefin die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur aus der Hand nehmen zu wollen. Hat ein bisschen Kopfschmerzen nach der Party am Vorabend. Die Stimmung ist also mäßig. AKK allerdings, Lederblazer über dem schwarzen Shirt, lässt das schützende Rednerpult links liegen, schnappt sich ein Handmikro und tigert fast eine Dreiviertelstunde lang auf der Bühne hin und her. Am Ende stehender Applaus, rhythmisches Klatschen. Womöglich fragt sich auch der ein oder andere im Saal, ob Merz sich bei vergleichbar ungünstiger Ausgangslage überhaupt in den Dienstwagen gesetzt hätte.
Merz und AKK: Auf dieses Duell starrt die Partei nun schon wieder. High Noon in Leipzig also? Der Sauerländer hat bereits abgewunken. „Wer glaubt, in Leipzig käme es zu einem großen Showdown, irrt gewaltig“, teilte er der Republik per Twitter mit. Dabei sah es kurz nach der verlorenen Thüringen-wahl noch so aus, als setze er zum Sprung an. „Kann die CDU nicht einfach aussitzen“, „grottenschlecht“, so seine Kritik. Im Parteivorstand übernimmt der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, den Frontalangriff.
„Die Führungsfrage ist gestellt worden“, berichtet eine aufgewühlte, aber auch entschlossene Parteichefin anschließend in aller Öffentlichkeit. Von Kleinreden hält AKK nicht viel, das offene Wort macht dann allerdings aus einem Nachwuchspolitiker auch eine Herausforderung. Zu Hilfe eilt der bedrängten Parteichefin dann erstmal kaum jemand, auch Merkel nicht. Die Kanzlerin ist offenbar der Ansicht, da müsse die Neue nun alleine durch. Es ist dann der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, der mit seiner Kritik an den „alten Rechnungen älterer Männer“die Pfeile für eine Weile auf sich lenkt.
Keine freie Fahrt zur Kanzler-kandidatur
Umgekehrt allerdings war auch von AKK nichts zu hören, als Merkel von Merz als diejenige angegangen wurde, die mit Untätigkeit und Führungsschwäche das Land unter einem „Nebelteppich“versinken lasse. Während das Verhältnis von Merz zu Merkel ein klarer Fall für den Therapeuten ist, ist die Beziehung zwischen den beiden Frauen komplizierter. Innige Umarmungen auf offener Bühne wie damals in Hamburg wird es wohl nicht mehr geben. Versuche, die Regierungschefin vorzeitig aus dem Amt zu drängen, wohl auch nicht. Dass es schwierig werden würde, war beiden von Anfang an klar, dass es so schwierig werden würde, eher nicht. Persönlich scheinen sie damit umgehen zu können.
Wie geht es nun also weiter? Auf dem Parteitag, das zeichnet sich seit Tagen ab, wird der Aufstand wohl ausbleiben. Nach Merz drehte auch Kuban inzwischen bei. Es häufen sich die Aufrufe zur Geschlossenheit, die Machtmaschine CDU findet zurück in ihren üblichen Modus. Zumal ausgerechnet die Grünen gerade eine neue Bestmarke in Sachen Harmonie gesetzt haben.
Freie Fahrt zur Kanzlerkandidatur hat Kramp-karrenbauer andererseits noch lange nicht, auch wenn der Urwahl-antrag der Jungen Union scheitert. Ob sie kann, ob sie will und ob sie wird, entscheidet nicht nur die Leipziger Rede, sondern auch der Verlauf des nächsten Jahres. AKK formuliert ihren Anspruch inzwischen gewundener: „Ich treibe als Cdu-vorsitzende aus der Führungsposition heraus den Prozess nach vorne.“Vorzeitig aufgeben, so viel ist klar, wird sie nicht.
Manchmal hat man den Eindruck, dass AKK gerade aus der Defensive besonders weit nach vorne springen kann.
Enttäuschung: Nach der verlorenen Landtagswahl in Thüringen und einigen Fehlern scheint die Parteichefin Ende Oktober angezählt.
Freude: Nach der Wahl zur Parteichefin verteilt „AKK“im Dezember 2018 Küsschen.
Angriff: Als Verteidigungsministerin hängt sich Krampkarrenbauer rein.