Märkische Oderzeitung Fürstenwalde
Gefragt wie nie
Fachkräfte sind rar in Deutschland / Besonders aber Handwerker
Berlin. Wer baut oder auch nur seine Wohnung neu tapezieren lassen will, hat seit längerem erhebliche Mühe, geeignete Kräfte dafür zu finden. Die seit Jahren anhaltende Konjunktur hat in Deutschland einen Fachkräftemangel zur Folge, der insbesondere auch im Handwerk zu spüren lässt. Sie schleifen, sägen und hämmern – und sind dabei aktuell so heiß begehrt wie kaum jemand sonst. Die Rede ist von Handwerkern. In Zeiten von Bauboom und Niedrigzins trifft wohl kaum ein Thema den Nerv der Zeit besser, als die verzweifelte Suche nach kompetenten Arbeitskräften: „Kennst Du eigentlich einen guten Handwerker?“
Einmal gestellt, geistert die harmlose Frage wie ein Lauffeuer quer durch jede Party. Und wer jemanden kennt, der jemanden kennt, dessen Cousin dritten Grades als Fliesenleger seine Brötchen verdient, wird ganz flugs zum Dreh- und Angelpunkt einer leidenschaftlichen Gesprächsrunde. Dankbar werden jeder Tipp und jede Telefonnummer entgegengenommen oder mitunter sogar offensiv eingefordert.
Doch woran mag das liegen? War es vor einigen Jahren nicht noch vollkommen ausreichend, zwei Stunden vor Auftragsbeginn beim Schreinermeister von nebenan zu klingeln? Welche Gründe gibt es für den Mangel an Handwerkern?
Seit sieben Jahren wird in Deutschland kräftig gebaut. Die Branche boomt. „Ein Ende dieser positiven Entwicklung ist vorerst nicht abzusehen“, kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Dieter Babiel. Die anhaltend niedrigen Zinsen wirken auf viele Menschen einfach zu verführerisch, als dass sie noch länger auf die Erfüllung ihres Traums vom eigenen Heim verzichten möchten.
Mit einem Umsatzplus von nominal zwölf Prozent, im Vergleich zum Vorjahr, konnten die ohnehin schon hohen Erwartungen des deutschen Bauhauptgewerbes 2018 sogar noch übertroffen werden. Doch während die Nachfrage weiter steigt, haben die meisten Handwerker ihre Kapazitätsgrenzen bereits erreicht.
„Unsere Betriebe kommen terminlich schwer hinterher“, zeigt der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke auf. Immer häufiger müssten Aufträge abgesagt werden.
Gleichzeitig bereitet es den ausgelasteten Handwerksfirmen große Mühe, passgenaues Personal zu finden. Rund eine Million Handwerksbetriebe gibt es derzeit in Deutschland. Etwa 5,5 Millionen Menschen finden im Handwerk einen Arbeitsplatz. Dennoch meldete die Bundesagentur für Arbeit Ende 2017 rund 150 000 unbesetzte Stellen. Obwohl der Fachkräftemangel deutschlandweit sowie über alle Gewerke hinweg zu spüren ist, macht er sich in der Baubranche doch besonders bemerkbar. Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags gelang es zuletzt nur 13 Prozent der Firmen, „Einstellungen ohne Schwierigkeiten“vorzunehmen.
Auf ein Nachrücken der jüngeren Generation ist vorerst nicht zu hoffen. Denn obwohl die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge im Handwerk seit einigen Jahren wieder steigt, bleiben laut ZDH jährlich bis zu 20 000 Lehrstellen unbesetzt.
Die häufig veraltete Vorstellung von körperlich anstrengenden sowie schmutzigen Tätigkeiten mit Schraubenziehern und Blaumann wird als Grund für den Nachwuchsmangel aufgeführt. „Die Leistungen unseres Wirtschaftsbereichs erfahren oft zu wenig Wertschätzung“, ergänzt Schwannecke. „Das Handwerk ist für viele Menschen selbstverständlich geworden und somit als Arbeitsplatz vermeintlich weniger attraktiv.“So entscheiden sich rund 60 Prozent aller Schulabgänger für eine akademische Laufbahn. Auch, weil sie sich dort höhere Verdienstaussichten versprechen.
Für die Kundschaft ist das wenig positiv. Denn, wer es überhaupt schafft, in das volle Auftragsbuch eines Handwerkers aufgenommen zu werden, muss sich – je nach benötigtem Gewerk – mittlerweile auf Wartezeiten von bis zu einem Vierteljahr einstellen. Während sich die Interessenten weiter um die wenigen verbliebenen Handwerker reißen, verstärkt das deutsche Handwerk seine Bemühungen, um das Angebot an qualifiziertem Personal auszuweiten. Die offenen Stellen sollen schnellstmöglich besetzt werden. Die Vertreter der Betriebe setzten ihre Hoffnungen mitunter in die Realisierung des im Koalitionsvertrag verankerten Berufsbildungspaktes. Dieser sieht die Stärkung der beruflichen Bildung vor. Zudem wandte der ZDH sich unlängst mit der Imagekampagne „Ist das noch Handwerk?“an die Öffentlichkeit. Deren Ziel ist es, die Modernität der 130 Ausbildungsberufe an den Nachwuchs zu vermitteln.
Bis sich diese Anstrengungen allerdings in einer deutlichen Verbesserung der Fachkräftesituation niederschlagen, wird die Suche nach dem passenden Handwerker wohl noch zahlreiche gesellige Runden beschäftigen. Die Frage „Kennst Du eigentlich einen guten Handwerker?“dürfte noch viele Male gestellt werden.