Märkische Oderzeitung Fürstenwalde
Von ihren Träumen flüsterten sie nur
Rainer Eppelmann erzählt Schülern von der DDR
Strausberg. Im Rahmen einer Geschichtswerkstatt hat der DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann am Donnerstag im Strausberger Stadtmuseum vor Abiturienten des Oberstufenzentrums von der DDR erzählt. In Workshops beleuchteten sie die deutschen Revolutionen seit 1918.
„Aufarbeitung in Siebenmeilenstiefeln von 1919 bis heute“hatte Hans Strambowski vom Förderverein des Oberstufenzentrums Märkisch-Oderland als Motto für sein Impulsreferat genannt, als rund drei Dutzend Jugendliche im Seminarraum des Stadtmuseums die Geschichtswerkstatt zu „100 Jahre Revolutionen in Deutschland“absolvierten. Er verglich ihre Lebenssituation mit der der Generation 1900 und zitierte aus einer Todesanzeige von 1918.
Einen nicht ganz so großen Bogen schlug Rainer Eppelmann. Der einstige Wehrdienstverweigerer, Pfarrer, Bürgerrechtler und schließlich DDR-Minister für Abrüstung erzählte lebhaft, wie er als christlich erzogener Junge immer wieder aneckte. Oft sprach er die Schüler direkt an: „Mit euren amerikanischen Klamotten, hier, Jeans und so, das hätte in den 1960er-Jahren bissige Bemerkungen vom Klassenlehrer eingebracht.“Gerade nach dem Mauerbau 1961 sei die politische Erziehung der Jugend verstärkt worden. Er konnte seinen Gymnasiumsbesuch in Westberlin nicht fortsetzen. Er war wie alle geradezu ausgeliefert. „Und trotzdem sind eure Eltern und Großeltern allabendlich ausgereist, na ja, so um die 80 Prozent, die in Dresden und auf Rügen hatten keinen Westempfang.“Und dann hätten sie die Lebensweise drüben gesehen, denen ging es ja viel besser, und reisen durften die, wohin sie wollten! „Aber das sahen sie nur abends. Von ihren Wünschen, ihren Träumen flüsterten sie nur, im engsten Kreis, und doch kriegte die Stasi vieles mit. Im Betrieb, in der Schule mussten sie ganz anders reden.
Was macht das mit einem, wenn man zum Flüsterer, zum Heuchler wird? Es ist unmenschlich. Die Diktatur ist unmenschlich“, stellte Eppelmann fest. Viele der Abiturienten zog der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mit seinen Berichten in seinen Bann. Ihm habe es sehr gut gefallen, bestätigte Vincent Fücks: „Es war sehr persönlich. Bei uns zu Hause wird eher selten über das Leben in der DDR gesprochen.“