Märkische Oderzeitung Fürstenwalde
Das große Ziel: Paris 2024
Die Strausberger Sportlandschaft hat durch die Box Union, Abteilung Thaiboxen, einen Farbtupfer in der Angebotspalette hinzugewonnen. Am 9. März fahren zehn Kämpfer zu den Deutschen Meisterschaften
Was für eine Vorstellung: Die deutsche Nationalhymne erklingt, die Flagge wird gehisst, Tränen fließen, und ein Strausberger Sportler steht ganz oben auf dem Podest. Bei den XXXIII. Sommerspielen 2024 in Paris bekommt er eine Medaille im Thaiboxen. Den Namen des Sportlers kennt man bei der Box Union in Strausberg zwar noch nicht, doch die Trainer René Büttner und Sandro Wichmann arbeiten schon heute auf dieses große Ziel hin.
Thaiboxen (Muay Thai) gilt als einer der härtesten und effektivsten Stile im Kampfsport überhaupt. Das Muay Thai Boxen gehört zu den VollkontaktKampfsportarten. Die Ursprünge der Techniken wurden vor mehr als 2000 Jahren in Asien entwickelt.
René Büttner ist es mit zu verdanken, dass die Strausberger Sportwelt diesen Farbtupfer in ihrer Palette dazubekommen hat. Gemeinsam mit seinem Freund Sandro Wichmann hat er den Sport in der Stadt inzwischen etabliert. Und die beiden machen es richtig gut, wie nicht nur die Sportler bestätigen. Vor allem die Eltern der Jüngsten sind begeistert von der Ruhe und der großen Sorgfalt, mit der die beiden Trainer zur Sache gehen.
Büttner ist selbst durch eine Erfahrung zu diesem Sport gekommen. Früher hat er Shotokan Karate, Judo bei SC Dynamo Hoppegarten und später Kickboxen betrieben. Anschließend kam er zum Thaiboxen und wurde vom anerkannten Trainer Ajarn Meo Siri Wog Sa in dessen Geheimnisse eingeweiht. Mit ihm reiste er auch nach Thailand, um dort den Sport, das Land, seine Kultur und die Menschen kennenzulernen. „Es ist eine andere Welt“, erzählt Büttner. „Die Menschen dort sind überaus gastfreundlich und sehr, sehr herzlich.“
Einige Monate lang konnte er ihre Lebensweise erfahren – und bekam zudem Einblicke in eine fremde Religion, den Buddhismus. Auch wenn er nicht gläubig ist, erinnert er sich doch gern an diese Zeit. Den Sport aber als eine Art Lebensphilosophie zu betreiben, „nein, so weit geht das Ganze dann doch nicht“, sagt der dreifache Familienvater. Und: „Wir verehren
hier nicht, wie es in andern asiatischen Kampfkünsten der Fall ist, Großmeister, die vor Jahrhunderten gelebt haben.“Auch einige Zeremonien, wie sie woanders bekannt seien, würden nicht ganz so übertrieben genau genommen. „Es gibt aber die normale Begrüßung vor dem Kampf, beispielsweise Wai Khru. Dabei werden drei Stufen eingehalten, die wichtig sind“, erläutert Büttner. „Es wird zunächst der König gegrüßt, denn in Thailand besteht noch eine strenge Monarchie. Als Zweites erweist der Kämpfer dem Großmeister seinen Respekt. Und schließlich drücken die Schüler ihrem
Lehrer eine besondere Ehrerbietung aus.“
Der 42-Jährige erklärt auch einige Rituale, die gerade bei Wettkämpfen auffallen. Dabei laufen die Thaiboxer zunächst ruhig den Ring ab und tragen dazu einen seltsam anmutenden Kopfschmuck. Dieser ist aus Seilen gefertigt – man nennt ihn Mongkon. „Er hat eigentlich keine große Bedeutung“, sagt Büttner, „sondern ist nur eine Art Glücksbringer oder Talisman. In Thailand ist man sehr abergläubisch. Bei uns wurde das mit übernommen.“
Ein Training auch in Strausberg beginnt mit „Ram Muay“. Dabei erweisen sich die Kämpfer noch gegenseitig Respekt. Der Hauptunterschied zum herkömmlichen Boxkampf liegt dann im Körpereinsatz. Darf beim Boxen nur mit den Fäusten gekämpft werden, kommen in der thailändischen Version auch Knie, Ellenbogen, Füße, Kopf und Schienbeine zum Einsatz. „Bei den Kindergruppen ist ein Schlag gegen den Kopf allerdings verboten“, sagt Büttner deutlich.
53 Kinder und Jugendliche hat der Verein momentan in seinen Reihen. Dazu kommen noch 35 Erwachsene. „Wir wollen als Schwerpunkt durchaus die Jüngeren für diesen Sport begeistern“, sagt Wichmann, der ebenfalls als Trainer im Verein tätig ist und selbst bei Büttner trainiert hat. Gemeinsam bewegen sie in der Strausberger ErnstGrube-Sporthalle im wahrsten Sinne des Wortes eine Menge.
Virginia Höhne hat ihren zehnjährigen Wilhelm in einer Trainingsgruppe und ist begeistert, wie die beiden Trainer mit den Kindern umgehen. „Sie sind sehr ruhig und absolut souverän. Mein Kleiner kommt stets mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht vom Training.“Und auch Christin Bieroth bestätigt das. „Mein Marco ist erst sieben. Er ist voll bei der Sache und übt sogar zu Hause vor dem Spiegel noch Schritte oder Stellungen.“Was sich wirklich bewährt habe, sei das sogenannte Kinder-Eltern-Training, sagen Wichmann und Büttner, an dem schon ganz junge Sportler teilnehmen können.
Wie beliebt Thaiboxen inzwischen in Strausberg ist, hat die jüngste Veranstaltung in der eigenen Halle gezeigt. Der Verein war dort Gastgeber für die Ostdeutsche Meisterschaft; mehr als 350 Zuschauer verfolgten die Kämpfe.
Auch bundesweit erlebt der Sport Aufwind. Davon berichtet beispielsweise Detlef Türnau, Präsident des Muay Thai Bundes Deutschland (M.T.B.D). „Wir reden längst nicht mehr von einer Trendsportart. Auch die Tatsache, dass der Sport nunmehr zu den olympischen Disziplinen gehört, verleiht dem Thaiboxen noch mehr Attraktivität. Deutschlandweit gibt es mehr als 9000 Aktive. Sehr beliebt ist der Sport vor allem bei Frauen.“
Ein gutes Beispiel dafür ist Suri Richter. Die 36-Jährige lässt sich kaum eine Trainingsstunde entgehen und liebt ihren Sport. „Es ist sehr extrem und ein kompletter Sport. Ich will damit sagen, dass Ausdauer, Kraft, Technik und Stehvermögen zu gleichen Teilen trainiert werden. Wenn man wie ich einen Bürojob hat, ist das hier der perfekte Ausgleich.“Seit viereinhalb Jahren ist sie dabei und hat auch ihr Leben etwas umgestellt. „Der Sport macht selbstbewusst. Ich bin ein Wettkampftyp, und wenn alles klappt, will ich auch einmal in den Ring steigen. Vor einer großen Kulisse zu kämpfen, darauf freue ich mich.“
Selbstvertrauen über diesen Sport zu finden, war auch der Ansatz für Mahdi Masavi. Der 20-Jährige ist noch nicht lange in Deutschland. Er kommt aus Afghanistan und hat durch den Sport auch leichter Anschluss gefunden. Mahdi Masavi hat inzwischen Freunde im Verein. Das Vorstandsmitglied bei der Box Union, Carsten Olesch, sagt dazu mit Stolz: „Ich denke, gerade er ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir als Verein etwas für die Integration tun können.“
Natürlich, geben die beiden Trainer zu, gebe es auch Sorgen. „Leider ringt unser Sport trotz Olympia und zahlreicher Selbstverpflichtungen wie Körperschutz und strengen gesundheitlichen Kontrollen immer noch um Anerkennung“, betont Wichmann. „Thaiboxen wird gern einem bestimmten Milieu zugeordnet. Ich sage ganz deutlich, dass solche Dinge, auch politische Ansichten, bei uns nichts zu suchen haben. Wir sind Sportler und lieben das Thaiboxen.“
Wie viel Freude vor allem die Kinder haben, zeigt der neunjährige Jaden Eisenberger. Der Strausberger Junge ist seit knapp 18 Monaten mit dabei und freut sich auf nahezu jede Trainingsstunde. Der Schüler der vierten Klasse hat schon drei Kämpfe absolviert. „Ich habe zweimal verloren und einmal Remis gekämpft. Nicht schlimm, ich trainiere fleißig, habe viel in den vergangenen Wochen gelernt und werde bestimmt auch bald einmal gewinnen“, sagt er mit großem Optimismus. Seine Kämpfe waren in Bremen, Düsseldorf und in seiner Heimatstadt.
Schon jetzt steht für die Strausberger Thaiboxer der nächste große Höhepunkt auf dem Plan; in diesen Tagen wird dafür sehr intensiv trainiert. Am 9. März fahren zehn Kämpfer zu den Deutschen Meisterschaften nach Rockenhausen, einer Stadt im Donnersbergkreis im Bundesland Rheinland-Pfalz.
Thaiboxen erfreut sich steigender Beliebtheit vor allem bei Kindern und Jugendlichen Der Sport ringt trotz Eingliederung in die olympische Familie um Anerkennung