Märkische Oderzeitung Fürstenwalde
Ausrufer des Freistaates
Vor 100 Jahren wurde der Revolutionär Kurt Eisner ermordet
Gegen 10 Uhr war es, als Kurt Eisner am 21. Februar 1919 in München Richtung Bayerischer Landtag aufbrach. Dort wollte er nach der krachend verlorenen Wahl für seine USPD den Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten erklären. Vom Ministerium zum Parlament hinter dem Hotel Bayerischer Hof waren es nur wenige Meter. Mit Hass- und Drohangriffen hatte er sich zuletzt immer häufiger konfrontiert gesehen, sodass ihn Freunde baten, nicht den gewohnten Weg zu gehen. Doch Eisner ließ sich nicht abbringen: „Man kann einem Mordanschlag auf die Dauer nicht ausweichen, und man kann mich ja nur einmal totschießen.“Wenige Minuten später brach Eisner in der heutigen Kardinal-Faulhaber-Straße leblos zusammen, niedergestreckt von zwei Schüssen des antisemitischen Nationalisten Anton Graf von Arco auf Valley (1897–1945).
Von den Leibwächtern Eisners überwältigt und selbst schwer verletzt, wurde Arco nach seiner Genesung zum Tod verurteilt, letztlich aber zu lebenslanger Festungshaft begnadigt.
Dabei genoss er Vergünstigungen und wurde 1924 wieder entlassen. Als ob es Eisner vorausgesehen hätte. Schon 1894 hatte er in einem Zeitungsartikel beklagt, dass der Mittelstand in seiner Not dazu neige, den Scharlatanen nachzulaufen und deren Schwindel glaube, dass an allem die Juden schuld seien.
Seine Entwicklung zum Revoluzzer war ihm indes nicht in die Wiege gelegt. 1867 wurde er in eine bürgerlich-jüdische Kaufmannsfamilie in Berlin geboren. Für den Gymnasiasten waren organisierte Arbeiter eine „Horde wilder Verbrecher“. Doch auch für seine Familie ging es ökonomisch bergab. Der Sohn begann umzudenken; sein 1886 aufgenommenes Studium der Literatur und Philosophie musste er abbrechen. Fortan arbeitete Eisner als freier Journalist, der sich zunehmend der sozialen Frage zuwandte. Politisch orientierte er sich vom Liberalismus hin zur Sozialdemokratie.
1898 trat Eisner in die SPD ein. Nach einer Zwischenstation als Chefredakteur in Nürnberg bei der „Fränkischen Tagespost“kam er 1910 nach München. Dort schrieb er für das SPD-Blatt „Münchner Post“über den Landtag und gab privat ein „Arbeiterfeuilleton“heraus.
Der Erste Weltkrieg veränderte alles. Anfangs fand er Eisners Zustimmung, denn er meinte, Deutschland müsse sich gegen das russische Zarenreich verteidigen. Doch gründliches Aktenstudium änderte seine Haltung, auch zur SPD. Im Januar 1918 gelang es ihm, in mehreren Münchner Rüstungsbetrieben einen Streik anzuzetteln. Dafür wurde er des Hochverrats beschuldigt und inhaftiert. Im Oktober kam er frei, die USPD hatte ihn zu ihrem Spitzenkandidaten erklärt.
Vom 7. auf den 8. November glückte ihm dann in München eine friedliche Revolution, an deren Ende die Proklamation des Freistaates Bayern stand – mit ihm als Ministerpräsidenten. „Der Mensch darf nicht mehr Objekt des Profits werden, sondern jeder, der arbeitet, muss mitbestimmen können an der Gestaltung dieser Arbeit“, das war sein Credo.