Märkische Oderzeitung Strausberg
Zwischen Asbest und Utopie
Die Kunsthalle Rostock, die in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag feiert, verwandelt sich in einer neuen Ausstellung in den Berliner Palast der Republik. Anschließend wird das Haus grundsaniert. Von Inga Dreyer
Der Palast der Republik steht nicht mehr. Doch obwohl das asbestverseuchte Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Stadtschlosses 2006 bis 2008 abgerissen wurde, ist es nicht ganz verschwunden. Es lebt fort – in Erinnerungen, Diskussionen und künstlerischen Arbeiten, die sich mit dem Bauwerk und seiner gesellschaftlichen Wirkung auseinandersetzen. Auch Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke aus dem Palast der Republik existieren noch – und werden von diesem Sonnabend an in der Rostocker Kunsthalle zu sehen sein. Die Ausstellung „Palast der Republik – Utopie, Inspiration, Politikum“lädt dort zu einer Zeitreise in die Vergangenheit.
„Wir werden das gesamte Gebäude zum Palast machen“, sagt Jörg-Uwe Neumann, der Direktor der Rostocker Kunsthalle. „Die Ausstellung wird Besucher ansprechen, die den Palast noch mal erleben wollen – aber auch die, die ihn blöd fanden.“Denn die Schau will keine blauäugige Hommage an den einstigen Prestigebau sein, sondern facettenreiche künstlerische Auseinandersetzungen präsentieren.
Mehr als ein Verwaltungsgebäude
Das zwischen 1973 und 1976 erbaute Regierungsgebäude der DDR mit dem Sitz der Volkskammer war kein reines Verwaltungsgebäude, sondern auch öffentlich zugängliches Kulturhaus mit Veranstaltungsangeboten und Gastronomie. In der Kunsthalle Rostock feiert es nun für einige Monate eine Art Auferstehung.
Das denkmalgeschützte Gebäude ist das einzige zu DDR-Zeiten neu gebaute Kunstmuseum. Wie beim Palast der Republik stellte sich auch dort die Frage, wie es weitergehen sollte – denn die Besucherzahlen sanken nach der Wende enorm. Neumann berichtet von Ideen, aus der Kunsthalle ein Autohaus zu machen – oder „ein schönes Einkaufszentrum“. Dass dort heute weder Autos noch Klamotten verkauft werden, sondern weiterhin Kunst zu sehen ist, habe viel mit dem Einsatz des Direktors zu tun, betont Ilka Lochner, ständige Vertreterin der Bevollmächtigten des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund. „Ohne Neumann gebe es die Kunsthalle vielleicht nicht mehr“, sagt sie.
In diesem Jahr feiert das Haus seinen 50. Geburtstag. Die Jubiläumsausstellung im Erdgeschoss des neuen Schaudepots gibt Einblicke in ein halbes Jahrhundert Kunsthallen-Geschichte mit ihren Erfolgen und ihren Brüchen. Wie die Palast-Schau läuft sie noch bis Mitte Oktober. Danach wird die Kunsthalle grundsaniert. Rostock bleibt damit ein zeithistorisches architektonisches Zeugnis erhalten.
Auch den Palast der Republik würde man heutzutage nicht mehr abreißen, ist sich Neumann sicher. „Es braucht vielleicht den nötigen Abstand.“Zur Vorbereitung der Ausstellung haben sich die Mitarbeiter der Kunsthalle in akribische Recherchen gestürzt, um Ausstattungsstücke des Palastes aufzutreiben. Mit Erfolg. Gezeigt werden Bodenbeläge, Tapisserie und stapelbare Stühle. „Was einem natürlich auch begegnet, sind die Lampen“, berichtet Kuratorin Elke Neumann. Aus gutem Grund wurde der Palast der Republik auch „Erichs Lampenladen“genannt. Zu sehen sind aber auch Kunstwerke von Malern wie Bernhard Heisig, Ronald Paris, Willi Sitte und Werner Tübke, die sie für Foyer, Restaurants und Sitzungssäle geschaffen haben.
Die Kuratorin beschreibt den Palast der Republik, dessen Personal extra vom Modeinstitut eingekleidet wurde, als „Gesamtkunstwerk“. Er sei ein Aushängeschild der DDR gewesen und habe für eine bestimmte Art der Selbstdarstellung gestanden. Dazu gehörte die Lebendigkeit des Ortes mit Disko im Jugendtreff, dem Theater und dem Spreebowling. Der Palast war jedoch auch Symbol eines Regimes, mit dem sich viele Bürgerinnen und Bürger nicht identifizieren konnten und wollten. In der Rostocker Schau werden deshalb ebenso Positionen gezeigt, die außerhalb des offiziellen Kanons standen – und solche, die sich kritisch mit dem Gebäude und seiner Wirkung auseinandersetzen.
Die Zeitreise startet Anfang der Siebzigerjahre und reicht bis zur Gegenwart. Während Fotos von Georg Eckelt den Aufbau des Palastes dokumentieren, zeigen Aufnahmen von Christoph Rokitta den Abriss. Zwei Zeitzeugen lässt die Berliner Künstlerin Kerstin Honeit in ihrem Beitrag zu Wort kommen. Einer war am Aufbau, der andere am Abriss beteiligt.
In den Diskurs um das Ende des Gebäudes mischte sich 2017 der Leipziger Künstler Daniel Theiler mit seinem Projekt „PdR-Leipzig – Palast der Republik Leipzig“ein. Auf einer Internetseite kündigte er den Wiederaufbau des asbestsanierten Palastes am Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig an. „Es entsteht ein Labor für Gegenwartskunst, als flexibel nutzbarer Ort der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Geschichte“, heißt es dort. Während Berlin sein neues Stadtschloss einweihen würde, sollte in Leipzig ein neuer Ausstellungsort eröffnet werden.
Das Gebäude wurde jedoch nicht nur geliebt, gehasst, diskutiert und fotografiert – sondern auch gestrickt. Die Hamburger Künstlerin Annette Streyl hat einen Palast der Republik in Wolle verewigt. Um die gestrickte Architektur zu stabilisieren, stülpt sie sie über Gerüste – oder sie hängt sie einfach wie nasse Wäsche über eine Leine. „Palast der Republik – Utopie, Inspiration, Politikum“, 1. Juni bis 13. Oktober, Di–So 11– 18 Uhr, Kunsthalle Rostock, Hamburger Straße 40, Rostock, Tel. 0381 3817008
Aus gutem Grund sprach man auch von „Erichs Lampenladen“.