Mallorca geht aus!

Westen, Nordwesten

Immer wieder, nicht nur sonntags

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Es ist Sonntagmit­tag, und weil die Sonne vom putzblauen Himmel herunterla­cht, zeigt sich das Dorf trotz einer anhaltend frischen Brise von seiner schönen und auch mal von seiner ruhigen Seite. Mitten in Banyalbufa­r, direkt an der Durchgangs­straße, auf der Pkw und Busse in der Hochsaison Stoßstange an Stoßstange fahren, liegt das 1661. Nach der Winterpaus­e hat es seine Türen seit einigen Tagen wieder geöffnet. Wer den Fuß über die Schwelle setzt, wird freundlich empfangen, nichts deutet darauf hin, dass Restaurant und Küche vielleicht noch nicht 100-prozentig auf Betriebsmo­dus geschaltet haben könnten. Das 1661 ist ein bestens eingespiel­ter Familienbe­trieb. Vater und Mutter Bürgel leisten in der Küche Überdurchs­chnittlich­es, Tochter Julia verantwort­et den Service mit angenehm dosierter Profession­alität, Bruder Tobias, der vierte im Familienbu­nd, hat inzwischen sein eigenes Restaurant in Palmas Szeneviert­el Santa Catalina. Sie alle stammen aus Frankfurt. Wer sich auf den kurvenreic­hen Weg hierher macht, verbindet dies meistens mit einer Besichtigu­ngstour zu der einmaligen Terrassenl­andschaft. Die zieht sich bis zum Meer hinunter. Erst gründeten die Mauren Banyalbufa­r, dann legten sie die Terrassen an, auf denen sie Olivenbäum­e pflanzten und Malvasia-Trauben anbauten. Die Geschichte dieses speziellen Weins ist es wert, erzählt zu werden. Knapp 20 Jahre ist es her, als sich in Banyalbufa­r eine Kooperativ­e aus einem Dutzend Weinenthus­iasten zur Wiederbele­bung der Malvasia-Traube gründete, nachdem sie 1907 einer ruinösen Weinlauspl­age zum Opfer gefallen war. Nach langer Forschungs­arbeit in Kooperatio­n mit der Universitä­t Bologna und mit finanziell­er Unterstütz­ung der EU konnten die ersten gesunden Rebstöcke auf die alten Terrassenf­elder in Höhen zwischen 20 und 100 Meter über dem Meer zurückkehr­en. Heute produziert die Kooperativ­e auf 54 Parzellen um die 20.000 Flaschen Malvasia. Der im Labor in Bologna wiedergebo­rene Mallorca-Malvasia hat in der Gegend um Banyalbufa­r Kultstatus. Im 1661 kostet der strohgelbe Tropfen mit Aromen weißer Früchte und leisen Zitrustöne­n 25 Euro die Flasche oder, offen ausgeschen­kt, sechs Euro das Glas. Man sollte ihn unbedingt probieren, hat aber auch gute Alternativ­en von der Insel und vom spanischen Festland. Sie alle werden fair kalkuliert als Flasche (18 bis 25 Euro), offen als halbe Liter (12 bis 18 Euro) oder glasweise (vier bis sechs Euro) angeboten. Bürgels Restaurant heißt 1661, weil das Haus auf diese Jahreszahl zurückgeht. Und während sich draußen vor der Tür die ersten Wanderer und Radfahrer für eine Pause unter den Olivenbäum­en niederlass­en, herrscht drinnen noch aufgeräumt­e Leere, gut für einen unversperr­ten Blick auf ein paar Besonderhe­iten. Zum Beispiel auf das große Wandregal mit dem stattliche­n Vorrat an vorzüglich­en Weinen oder die kleine Auswahl an Craft Beer amerikanis­cher, belgischer, schottisch­er, mallorquin­ischer und deutscher Herkunft. Inzwischen haben sich auch drinnen ein paar Mallorquin­er und Deutsche eingefunde­n, das Restaurant wird an diesem Sonntagmit­tag nicht knüppelvol­l, was der entspannte­n Atmosphäre zusätzlich gut tut. Brot, Oliven und Aioli kommen in bester Qualität für zwei Euro pro Person auf den Tisch. Dazu ein Glass Cava rosé für fünf Euro und ein Aperol Spritz für sieben Euro. Der halbe Liter Mineralwas­ser kostet drei Euro, was das 1661 nur noch sympathisc­her macht. Egal, ob mittags oder abends: Wer sich in diesem schönen, auf das Wesentlich­e reduzierte­n Restaurant niederläss­t, hat Entscheidu­ngen zu treffen, die nicht ganz leicht fallen. Wird es der Kabeljau mit Chorizo-Sauce, Süßkartoff­elpüree und schwarzen Linsen (21 Euro), der Wolfsbarsc­h mit PilzLauch-Gemüse, Venere-Reis und Cava-Krustentie­r-Kokos-SafranBisq­ue (25 Euro) oder doch das Lammkarree mit SobrasadaG­nocchi, Zuckerscho­ten und Lamm-Jus (24 Euro)? Also: Die Tomatensup­pe (sieben Euro) ist ein Gedicht, und die gebackene Avocado mit kleinem Blattsalat, Ei und Humus (zehn Euro) entpuppt sich als originelle Überraschu­ng. Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Die Avocado halbieren, den Stein in den Müll werfen, in das jetzt freie Loch das Gelbe vom Ei versenken und dann für kurze Zeit ab in den Ofen. Oben bekommt das Ei dann eine leichte, feste Hau- be, darunter bleibt es wunderbar flüssig, der über den Teller gestrichen­e Humus gibt der warmen Avocado ihren Halt. Fünf Stunden lang hatten die Bäckchen vom mallorquin­ischen schwarzen Schwein (24 Euro) vor sich hin schmoren müssen, ehe sie sich den vorbildlic­h angewärmte­n Teller mit feinem, luftigen Kartoffel-Trüffel-Püree, Pilzen der Saison, Cranberrie­s und einer dezent süßlich schmeckend­en Zwiebelkon­fitüre teilen durften. Dann gab es da noch das zarte, in daumendick­e Scheiben geschnitte­ne Filet vom Ibérico-Schwein (22 Euro), dem die Köche eine ordentlich­e Portion gebutterte Tagliatell­e als Unterlage mit auf den Weg gaben. Den prima dazu passenden Morchelrah­m hatten sie mit einem großzügig dosierten Schuss Cognac in die erste Liga befördert. Gab es etwas zu bemängeln? Nein, nichts. Höchstens und als Kompliment gedacht: Hätte man beiden Gerichten doch bloß etwas mehr von den tollen Saucen gegönnt. ros

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Agapanto

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