Osten, Südosten
Marktfrisches auf dem Marktplatz
Viele Gäste, die sich von hier aus mittwochs oder samstags das Treiben auf dem legendärsten Wochenmarkt im Insel-Südosten bei einem kühlen Gläschen angesehen haben, ahnen nicht, welche verwunschene Geschichte dieses Restaurant hat. Die Gastgeber, Sabine und Frank Sattler, haben bis 2011 eine Ecke weiter hinter der Kirche das malerische „Hotel Santanyí“betrieben, bis sie hinter dem Holzverschlag eines eher hässlichen 70er-JahreHauses am belebten Dorfplatz einen ungehobenen Schatz entdeckten: Dort nämlich schlummerten seit Jahrzehnten die räumlichen Überreste einer uralten Mandelmühle – aus dem namensgebenden Jahr 1849. Aufwendig und stilvoll restauriert, hat das Restaurant nun vier Bereiche: einen vorne auf dem Marktplatz unter freiem Himmel, einen direkt am Eingang bei der Bar mit zwei Tischen. Dahinter sitzt man in einem wunderschönen, romantischen Patio unter einem lichten Strohdach mit vielen Pflanzen und kunstvoll gestalteten rohen Marès-Wänden. Und links geht eine Treppe hinauf in den inneren Gastraum, wo es sich vor allem in den Nebensaisons gemütlich speisen lässt. An kühleren Frühjahrs- oder Herbstabenden wird dieser Bereich leicht beheizt, gedämpftes Kerzenlicht sorgt für eine wunderschön romantische Stimmung. Wir haben erst einmal Durst, und die ausgesprochen freundliche deutsche Kellnerin bringt mir rasch ein Caña (2,50 Euro) und meiner Begleitung den zuvor empfohlenen Cocktail: Ein Lillet mit Cava und viel Eis, der für nur 4,80 Euro ein „verücktes Herz“verspricht – er nennt sich „corazón loca“. Weniger verrückt, eher etwas lasch sind die entkernten Oliven, die zu einem schön krossen Weißbrot und einer angenehm milden Aioli gereicht wer- den und die uns beim Speisekartenstudium begleiten. Im März sind Speisen angesagt wie der „Große winterliche Salat mit krossem Speck, gegrilltem Kardamomapfel und Wachtelei“(12,50 Euro). Mangels frisch gefangenen Fisches – den gibt die Jahreszeit noch nicht her – muss auf Doradenfilets zurückgegriffen werden, und weil uns auch das „Lachsfilet in Sternanis“(18,50 Euro) nicht anlacht, bleiben wir beim Fleisch. Eines der beiden Entengerichte vielleicht? Señora Pesi entscheidet sich für den Ganzjahresklassiker Roastbeef mit Bratkartoffeln (15,75 Euro). Ich habe Lust auf die in Rosado geschmorte Entenkeule (17,20 Euro), zu der ich mir ohne Aufpreis aus den für alle Hauptspeisen angebotenen Beilagen zwei bestellen kann: Krautsalat, Apfelrotkohl, grüne Bohnen, Pommery-Senfkohl, glasierter Rosenkohl, Bratkartoffeln, polnische Knödel, PfefferWedges, Pommes, Semmelknödel-Brioche und Reis. Uff! Zur Ente passen sehr gut Rosenkohl und die polnischen Kartoffelknödel mit Butterbrösel-Topping, die mir vom Service empfohlen wurden. Vorneweg hätten wir ein Hummerschaumsüppchen mit Vanille für 7,50 Euro oder die preiswertere Tagessuppe (heute: Blumenkohlcreme) bestellen können, aber uns lachen dann doch das ThunfischCarpaccio und die Ziegenkäsevariation (9,50/10,80 Euro) mehr an. Eine gute Wahl. Der Fisch ist großzügig bemessen und butterzart, begleitet von aufwendigen Beilagen: einer knusprigen Hippe aus frittiertem Wan-Tan-Teig und einer leicht scharfen Meerrettich-HonigCreme, außerdem Gurkensalat aus dem Spiralschneider und absurd lange, fein marinierte Rettich-Spaghetti. Hört sich nach einem überfüllten Teller an, passt aber alles wunderbar zusammen und sättigt auch nicht allzu sehr. Meine Käsevariation dagegen ist viel übersichtlicher, aber nicht minder hochwertig. Eine gebackene Frühlingsrolle mit weicher Ziegenkäsefüllung wird kongenial begleitet von einem mit Senfkörnern geschärftem, leicht süßlichem ZwiebelChutney. Dazu gibt es ein Schüsselchen mit herrlich cremiger Ziegen-Crème-bruleé. Auch die Hauptgänge zeigen, dass die Küche ihr Handwerk versteht. Einzig die etwas zu dünnflüssige Remoulade zum Roastbeef wäre zu bemängeln, sonst ist alles tippitoppi. Knackige Bratkartoffeln, das Fleisch keine Spur trocken, dazu meine Ente mit krosser
Haut und innen saftig vom Knochen fallend und in feiner Begleitung von bissfestem Rosenkohl mit Speck und Zwiebeln. Ich lasse mir noch etwas Sauce nachkommen, schaffe aber die gewaltige Portion angesichts unseres Vorsatzes, auch die Desserts probieren zu wollen, nicht. Wir machen ein Päuschen und erfreuen uns an dem würzigen und vollmundigen roten Monte Sion von der Bodega Castell Miquel, mit 28 Euro teuerster Posten auf der kleinen Weinkarte, die zehn Positionen ab 13,90 Euro die Flasche listet. Fast alle werden freundlicherweise auch glasweise kredenzt (3,60 bis 6,50 Euro). Das Warten auf den Nachtisch hat sich leider nicht wirklich gelohnt. Das Parfait (6,10 Euro) schmeckt eher nach Sahne denn nach weißer Schokolade, mein Bratapfel im Glas (6,90 Euro) entpuppt sich als große Menge zerbröselter Mürbteig in viel Mascarpone mit nur wenigen, etwas laffen Apfelstückchen. Egal, wir haben trotzdem sehr gut und reichlich gegessen in dieser wunderbaren Mandelmühle, mitten im auch in der Nebensaison spürbar deutsch geprägten Zentrum Santanyís. pesi