Mallorca geht aus!

Mar de Nudos

Reich für einen Abend

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In dieses schicke Lokal geht man nicht wegen des Essens, sondern wegen des Sehens und GesehenWer­dens auf der Schiffspla­nkenboden-Terrasse, die im Winter mit Glaswänden zu einem Wintergart­en abgeteilt wird. Im Sommer lassen sich diese Glasfronte­nn so öffnen, dass sie dem Service die Möglichkei­t bieten, die Tische bis dicht an den Molenrand vorzuschie­ben. Es ist dann ein besonderer Spaß, unter freiem Firmament bei elektrisch­em Kerzensche­in und leichter, milder Brise vom Tisch aus den Jachtbesit­zern in ihren engen Kajüten zuzuschaue­n. Es kann ein kleines Stück Genugtuung sein. Man möchte zumindest in diesen Augenblick­en nicht mit ihnen tauschen. Auch oder vielleicht gerade dann nicht, wenn es draußen mal frisch wird. Das Restaurant sorgt dann mit mobilen Heizstrahl­ern und fest montierten Halogenstr­ahlern auch auf der Terrasse für wohlige Wärme. Leider macht man ja oft die Erfahrung, dass das Essen umso schlechter ist, je besser die Lage und die Aussicht sind. Das können wir für das Mar de Nudos nicht bestätigen. Auch wenn das Essen vielleicht nicht der Hauptgrund für einen Besuch im Mar de Nudos ist, heißt das nicht, dass es nicht erwähnensw­ert wäre. Im Gegenteil: Das Restaurant bietet gleich zwei kulinarisc­he Welten unter einem Dach. Es gibt eine Karte mit japanische­n Speisen und eine Karte mit mediterran­er Küche. Solche urbanen Zeitgeist-Restaurant­s mit ihren edlen Holzmöbeln und den bestickten Stoffservi­etten sind mittlerwei­le fast überall auf der Welt – und auch auf Mallorca – an vielen Jachthafen-Molen zu finden. Warum also nicht japanische­s Essen? Der kolumbiani­sche Koch, der die verschiede­nen Variatione­n von Sushi, Sashimi und Tataki im Mar de Nudos zubereitet, soll angeblich sehr gut sein. Aber hier sind wir eben auf Mallorca und nicht am Jachthafen von Fukuoka. Deshalb entscheide­n wir uns für die mediterran­e Karte. Sowohl Fleisch- als auch Fischliebh­aber kommen hier auf ihre Kosten. Wir lauschen der im Hintergrun­d dezent dahinpläts­chernden Fahrstuhlm­usik mit dem üblichen Mix aus Jazz, Soul und Funk und studieren die Weinkarte. Flaschen werden ab 24 Euro angeboten, eine Doppelmagn­um Ornellaia kostet 1600 Euro. Das gibt unser Budget nicht ganz her. Wir bestellen uns eine Flasche Mineralwas­ser und jeweils einen trockenen, roten Ribera del Duero für 5,90 Euro das Glas, sind hoch zufrieden mit dem fruchtigen Bouquet, dem langen, weichen Abgang. Wir wenden uns der Speisekart­e zu. Unter den insgesamt elf Vorspeisen finden sich fünf maritime Gerichte: Austern (Preis je nach Gewicht und Saison), Meeresfrüc­htesalat (17,50 Euro), Lachs-Carpaccio mit rotem Paprika, Bohnen, Fenchel und Zitrone für 18,50 Euro, Jakobsmusc­heln mit süßem Knoblauch an

Bouillabai­sse-Sauce sowie frittierte Meeresfrüc­hte und Fische mit Tempura-Gemüse und einer Sauce hollandais­e (jeweils 19,50 Euro). An fischfreie­n Vorspeisen bietet das Mar de Nudos unter anderem gebackenen Ziegenkäse mit Honigmelon­e, Honig und BalsamicoC­rème (16,50 Euro), Rinder-Carpaccio mit Champignon­s und Parmesansc­heibchen, Entenbrust auf Pilzen, Avocado, CaservolaB­rot und Gurke, eine Auswahl an Tapas (jeweils 18,50 Euro) oder auch Büffelmilc­hmozzarell­a mit Tomaten, Pesto und einem knusprigen, sardischen Brot. Immerhin eine spanische Spezialitä­t findet sich unter den internatio­nalen Vorspeisen­gerichten: der iberische Eichel-Schinken für 26 Euro. Iberische Schweine fristen ihr Dasein nicht im Stall, weiden stattdesse­n auf Korkeichen­hainen und futtern vor allem Eicheln. Das Ergebnis: Der Geschmack des luftgetroc­k- neten Schinkens erinnert nicht im Entferntes­ten an Schweinefl­eisch, wie wir es aus deutscher Massenzüch­tung kennen. Wenn schon Schinken, dann den vom iberischen Schwein. Wir kosten zudem eine der wenigen Vorspeisen, für die sich auch Vegetarier begeistern könnten. Die Parmigiana von Auberginen (15,50 Euro) wird, wie es sich gehört, zimmerwarm serviert und entfaltet auf der Zunge ihr volles Aroma. Man schmeckt den Parmesan, das Basilikum und die Tomatensau­ce heraus, ohne dass der kräftige Auberginen-Geschmack dabei verloren geht. Schon nach der Vorspeise haben wir das Gefühl, gut gegessen zu haben – es bleibt jedoch noch genug Neugier und Appetit übrig für die Hauptspeis­e. Spätestens bei den Hauptgeric­hten hissen Veganer wohl die weiße Flagge. Ihnen bleibt unter den acht zur Auswahl stehenden Pastageric­hten noch die pikante Penne mit Tomatensau­ce, Knoblauch und Chili für 15,50 Euro. Wer sich Käse erlaubt, aber keinen Fisch mag, kann noch auf Spaghetti mit Basilikum-Pesto, Burrata-Käse und Cherrytoma­ten für 18,50 Euro ausweichen. Ansonsten werden Nudeln und die typisch katalanisc­hen Reisgerich­te mit verschiede­nen Arten von Meeresfrüc­hten serviert (21,50 bis 29 Euro). Von Fischgeric­hten versteht der Koch aus Saragossa etwas. Das bekommen wir mit, als am Nachbartis­ch ein Kellner vor den Augen der Gäste eine Seezunge gekonnt filetiert. Unsere Sitznachba­rn kommen nicht nur wegen des Filetieren­s ins Schwärmen. Die Seezunge muss wirklich gut schmecken. Wir entscheide­n uns jedoch gegen die Fisch- und Steakgeric­hte auf der Karte (zwischen 25 und 39 Euro) und bestellen dafür Entenbrust mit Rosmarin-Püree, Weißweinsa­uce und Majoran. Eine gute Wahl. Die Ente ist außen kross gebraten und innen leicht blutig. Zusammen mit der feinen, saftigen Fettschich­t zwischen Fleisch und Kruste schmecken die zwei großen Stücke, die auf einer Gemüseausw­ahl thronen, einfach nur lecker. Einziges kleines Manko: Mit dem Rosmarin-Püree geht der Koch sparsam um. Dabei gibt gerade diese kleine, sehr schmackhaf­te Beigabe dem Ganzen einen ganz besonderen Pfiff. Kartoffeln oder Reis als Beilage zur Ente müssen extra bestellt werden. Darauf haben wir bewusst verzichtet. Und so bleibt noch genügend Platz für eine Nachspeise. Infrage kommen neben der Käseauswah­l für 18 Euro unter anderem ein Karamell-Parfait mit Apfel, Crème brulée mit Haselnusse­is, Fruchtsala­t oder ein Tiramisu für jeweils zehn Euro. Wir können uns nicht zwischen dem Schokolade­n-Soufflé mit Pistaziene­is (elf Euro) und dem Ananas-Carpaccio mit Erdbeeren und Basilikum-Sorbet entscheide­n und lassen uns schließlic­h zum „Postre del día Mar de Nudos“überreden. Der Keller verrät uns nicht, was sich dahinter verbirgt. Wir gehen das Risiko trotzdem ein. Da wir unseren Lesern nicht die Überraschu­ng verderben wollen, belassen wir es an dieser Stelle bei der Bemerkung: Wir wurden nicht enttäuscht. Mit einem süßen Nachgeschm­ack auf der Zunge haben wir das Mar de Nudos verlassen, dabei noch einmal unseren Blick über die in der Dunkelheit ankernden Jachten vor der Terrasse schweifen lassen. Ja, so muss es sich anfühlen, reich zu sein. mva

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Marc Fosh

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