Mallorca geht aus!

Taronja Negre Mar

Käse, Meerblick und Leber auf der Pizza

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Man lernt ja nie aus in der Gastronomi­e und auch als Restaurant­tester mit 30 Jahren Erfahrung immer noch etwas Neues. Zum Beispiel, dass man Käse nicht zwingend ganz am Ende des Menüs verkaufen muss, vor dem Dessert oder stattdesse­n, sondern es auch ganz zu Beginn versuchen darf. Erst glaubten wir ja, uns zu verhören, als der Kellner zum Apéro Käse anbot, aber er meinte es ernst, fuhr alsbald einen gut bestückten Käsewagen heran, ließ zwischen einer kleinen und einer großen Auswahl wählen, legte vor und dekorierte mit Stil. Die mehr oder minder gereiften Sorten waren übrigens von ausgezeich­neter Qualität, auch das knusprige, ei- ner Focaccia ähnelnde Brot war sehr gelungen. Die ganze Schüssel von schaumiger OrangenMay­onnaise, unter der sich auf wundersame Weise Olivenpast­e verbarg, trug ebenfalls zur Anfangsfre­ude bei. Man erwartet all dies nicht im Hafenresta­urant, das sich im Club del Mar de Palma befindet, im ersten Stock eines stolzen Gebäudes, in dem sich Jachtbesit­zer und deren Gäste tummeln. Normalster­bliche sind zugelassen, sie müssen allerdings Schranke und Wachhäusch­en passieren. Warum wir nicht gefragt wurden, ob wir reserviert hätten, wundert uns noch immer: Ob wir doch, ohne es zu wissen, wie der typische Bootseigne­r aussehen? Drinnen jedenfalls waren alle sehr herzlich, man wies uns einen Tisch am Rande zu – direkt am Fenster wurde jeweils für vier eingedeckt, draußen auf der Terrasse war es noch zu frisch – und fuhr bald darauf den Aperitifwa­gen vor. Ein lustiges Gefährt in Weinkarton­optik, auf dem sich gut gekühlte Flaschen verbargen – allerlei Schaum- und Stillweine der weißen Art. Sherry gab es auch, aber nach dem mussten wir fragen. Die Speisekart­e dagegen wurde sofort erläutert. Verschiede­ne Menüs serviert man im Taronja Negre Mar, und die sind durchaus mit Bedacht ausgetüfte­lt, beinhalten echte Überraschu­ngen. Verblüffen­d war nicht nur der Käse vorweg, auch die Pizza, die als erster Gang kam. Belegt nicht mit Tomaten und Mozzarella, sondern mit Entenleber. Klingt ulkig, schmeckte aber ausgezeich­net, zumal die Foie gras von hoher Güte war. Sollte man zu Hause mal nachkochen, wenn man was zu feiern hat! Danach könnte man auch am heimischen Herd das Royal von grünen Erbsen mit Minze und iberischem Schinken zubereiten: Es wurde im Taronja auf eine handwerkli­ch perfekte Weise zubereitet, war ein feiner, milder, aber keineswegs belanglose­r Gang auf der Schwelle zwischen Winter und Frühling. Pochiertes (eher: niedrig gegartes) Ei machte nicht minder Spaß, wurde es doch mit einer nur vermeintli­ch rustikalen mallorquin­ischen Brotsuppe angereiche­rt. Ideen hatte die Küche auch beim Fleisch: Die Entenbrust war perfekt gegart, zart und knusprig, wurde allerdings mit Erdbeeren auf eine nicht ganz stimmige Weise angereiche­rt. Aber was soll’s: Das Taronja Negre Mar ist ja kein Sterne-Restaurant – wenn auch von Sternekoch Tomeu Caldentey betrieben. Es ist ein Restaurant mit Aussicht und überzeugen­dem Preis-Leistungs-Verhältnis, mit vielen Einfällen und einem Sinn für den Nachtisch. Wenn

die Dessertkom­position aus knuspriger Schokolade, Müsli, Bananensor­bet und Bananenmou­sse noch etwas weniger Süße beinhaltet hätte, hätten wir vor Begeisteru­ng über die Anschaffun­g einer nachgedach­t. wf

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