Flanigan
Adel verpflichtet
Eine frische Brise weht an diesem sonnigen Frühlingstag. Die Bootsflaggen knattern im Wind, und die Takelage der Segeljachten liefert den dazu passenden, vielstimmig klirrenden Sound. Auf und um die millionenschweren Schiffe der Superreichen wuselt das Personal. Vielleicht hat sich der Eigner fürs Wochenende angekündigt? Und dann muss natürlich alles glänzen. So ist und war das in Jachthafen Puerto Portals, den mein fast 20 Jahre alter Marco-Polo-Reiseführer so treffend beschreibt: „Mallorcas Marbella für Sehleute mit Hang zum Luxus für Leib und Magen.“Wobei: Die Schönen und Reichen trafen sich eher nebenan im Tristán-Imperium, das 2016 endgültig die Segel strich. Das Flanigan war immer auch die im besten Sinne schlichtere Alternative dazu. Hier gab man sich entspannt, pfiff auf Dresscodes und feierte fröhlich bis ausgelassen. Einhei- mische, Festlandspanier, Deutsche und Briten neben- und manchmal auch miteinander. Sagen wir es mal so: Dies ist der Treffpunkt der Genießer – mit und ohne Boot –, die keine Lust auf Etikette haben. Sogar die spanischen Royals geben sich hier immer wieder die Ehre. König Felipe und Letizia, ihre beiden Töchter sowie das emeritierte Königspaar Juan Carlos und Sofía waren zuletzt im Sommer 2016 im Flanigan zu Gast. Ob der Ex-König und seine Gattin wohl an dem schlicht eingedeckten Tisch auf der Terrasse getafelt haben, der uns jetzt einen traumhaften Blick über den Hafen bietet? Egal, man hat uns freundlich empfangen, die Speisekarte gebracht und unaufgefordert Brot mit Tapenade auf den Tisch gestellt. Was eigentlich nicht korrekt ist, schließlich wird das Brot mit drei Euro pro Person berechnet. Aber das hat hier noch niemanden gestört. Klassiker des Hauses sind etwa der berühmte Tomatensalat aus unterschiedlichen Sorten (13 Euro), der stets die Frage aufwirft, woher die Küche so aromatische Exemplare bekommt, das Tatar vom Rind (27 Euro), das sich zwei normale Esser gut und gerne teilen können, und die Apfeltarte (14 Euro), die frisch gebacken wird und deshalb 30 Minuten braucht, bis sie an den Tisch kommt. Außerdem gibt es ganze Fische (meist nach Tagespreis), kapitale Steaks, etwa ein galizisches Rinderfilet (um 27 Euro)
sowie natürlich – das gehört sich so in einem spanischen Restaurant – Paella und deren mallorquinische Variante, die Fideua (ab zwei Personen, 21 bis 33 Euro pro Person). Da sich die Karte von Jahr zu Jahr nur in Nuancen verändert, wird alles, was sich dann doch verändert hat, deutlich sichtbar mit dem Attribut „Neu/nuevo/new“versehen. Als „Neu“weist sie etwa täglich wechselnde Löffelgerichte (gemeint sind Eintöpfe, etwa mit Linsen, Bohnen oder Kichererbsen, zwischen 11 und 18 Euro), gefüllte Kroketten (9 bis 13 Euro) und verschiedene Pasta-Gerichte aus. Das alles gibt es schon ewig, wird vielleicht nur mit anderen Zutaten zubereitet. Da wir aber neu hier und außerdem allem Neuen gegenüber aufgeschlossen sind, wählen wir die Kroketten, gefüllt mit Iberico-Schinken, und das Löffelgericht von heute. Danach wollen wir uns gegrillten Tintenfisch (21 Euro) mit Ratatouille (eine von mehreren Beilagen, die zur Auswahl stehen, vier Euro) und – ebenfalls neu auf der Karte – Tagliatelle mit Hummer (23 Euro) schmecken lassen. Das Personal arbeitet perfekt und kümmert sich professionell um die so unterschiedlichen Gäste. Da scheint sich die junge spanische Familie mit Kleinkind ebenso wohlzufühlen wie die formell gekleideten Damen und Herren, die hier gerade Business machen. Deutsche Gäste sind heute nicht da – außer uns natürlich. Das Löffelgericht, die Suppe, kommt. Jeden Tag wechselt sie. Heute ist Freitag, und es gibt Bohnen mit Krabben, Artischocken und Sardinen. Der sämige, aromatische Eintopf überzeugt mit einer unaufdringlichen pikanten Schärfe, die wohl von den Paprikastückchen kommt, die das Gericht so dekorativ sprenkeln. Von den Kroketten aber hätten wir uns, ganz ehrlich, mehr versprochen. Den Schinken habe wir in der Masse nicht herausschmecken können. Und die frittierten Bällchen ohne jede weitere Zutat in einem Schälchen auf den Tisch zu stellen, erscheint uns zu wenig für ein Restaurant in der Liga des Flanigans, erinnert uns an eine schlichte Tapas-Bar. Der Tintenfisch ist sehr gut, die Pasta hingegen verbesserungsfähig. Die Hummerstückchen schwimmen in einer gemüsigen Sauce und kamen geschmacklich leider nicht zur Geltung. Gut, dass wir wenigstens zum Dessert einen Klassiker geordert haben: die berühmte Apfeltarte. Tatsächlich ist die Köstlichkeit, die warm, mit Puderzucker bestreut und in unserem Fall mit Pistazieneis serviert wird, allein schon den Besuch des Flaningas wert. Doch Tarte – so steht es in der Karte – gibt es nur in Verbindung mit anderen Gerichten. Wenn man es sich leisten will … Der Weißwein, ein Verdejo, ist wunderbar und mit 3,25 Euro pro Glas ein Schnäppchen.
hü