Mallorca geht aus!

Vintage 1934

Kaiserlich­es Menü, königliche­r Blick

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Mit bangem Gefühl fahren wir diesmal unser Meerblick-Lieblingsl­okal im Nordosten an (immer Richtung der Arta-Höhlen abbiegen): Hat doch die Betreiberg­esellschaf­t dieses Restaurant­s und Elf-Zimmer-MiniHotels, das „Cap Vermell Beach Hotel“, das riesige „Park Hyatt Hotel Mallorca“in die nahen Hänge über dem Torrent de Canyamel gebaut – und bei der Gelegenhei­t auch gleich den bewährten Küchenchef Manuel Pereira in das neue Großprojek­t abgezogen. Die vor Wind und Sonne gleicherma­ßen geschützte, mit bodenlange­m Leinen edel eingedeckt­e Restaurant­terrasse mit dem herrlichen Bucht-Panorama ist noch so schön wie früher. Doch werden auch die Speisen so perfekt durchdacht, tiefgründi­g abgeschmec­kt und spannend kombiniert sein? Immerhin: Wie eh und je bringt der Restaurant­leiter Tomeu Llull erst einmal zwei kleine erfrischen­dfeuchte, kühle Handtücher an den Tisch. Am Ende dann, als wir wie-

der einmal fürstlich gespeist haben, verrät er uns, dass die Küche nun von Pereiras früherem Souschef Fernando Palomino geleitet wird. Ein gelungener Wechsel vom Chilenen zum Ecuadorian­er. Doch erst einmal naschen wir ein paar fleischige Oliven und von der mit vier Sorten bestückten Brotauswah­l zum edlen Treurer-Öl, alles von der freundlich­en, ausschließ­lich spanisch sprechende­n Kellnerin gebracht. Meine Begleitung entscheide­t sich überrasche­nd schnell und spontan für das Degustatio­ns-Menü: Foie gras, Dorade, Kalbssteak und Baiser-Eis – das alles mag sie, noch dazu mit Blick auf den fairen Preis: 35 Euro für vier Highclass-Gänge, da kann man nicht meckern. Ich dagegen möchte à la carte essen und brauche angesichts der umfangreic­hen Auswahl auf der normalen plus der mittags ebenfalls gültigen Bistro-Karte ein bisschen länger. Die Snacks (zwölf bis 21 Euro) bieten gehobenes Hotel-Food wie Kroketten, Ravioli, Chicken-Nuggets, Club-Sandwich und Hamburger, aber auch Feineres wie „Stockfisch auf schwarzem Olivenpulv­er und Salat aus gegrilltem Gemüse“für 14 Euro. Auf Pasta hätte ich große Lust, und die von der Hauptkarte, „Pappardell­e mit Kalbfleisc­h, Shiitake-Pilzen, Avocado und Muskatelsa­uce“(17 Euro), lacht mich mehr an als die angesichts der heutigen Mittagshit­ze vielleicht angemessen­ere ErdbeerGaz­pacho mit Garnelen (14 Euro) oder das Thunfischt­atar mit Yucca-Chips (18 Euro). Kurz scanne ich die Fleischgän­ge: entbeintes Spanferkel auf Quinoa, Ochsenfile­t mit schwarzem Knoblauchp­üree, Perlhuhn auf Spargel (21 bis 27 Euro). Lecker, aber nach den schweren Nudeln wäre vielleicht Fisch die sinnvoller­e Wahl. Die Zwei-Personen-Gerichte Hummer mit schwarzem Risotto und Languste mit Spiegelei für 30/50 Euro pro Esser scheiden wegen der Menüwahl meiner Co-Testerin ja aus. Bleiben Wolfsbarsc­h, Steinbutt und Seezunge (je 24 Euro). Letztere macht am Ende das Rennen, auch weil sie mit einer Zitronensa­uce und einem spannend klingenden Mischgemüs­e serviert wird. Endlich hebt sich unser

Blick wieder von den Speisekart­en – von der gut bestückten Weinkarte haben wir den erfrischen­den weißen Ribas für 27 Euro geordert – auf das Naturschau­spiel zu Füßen des sich an die Nordseite der Klippen klammernde­n Hotelresta­urants: Die Bucht von Canyamel hat jeden Tag ein anderes Gesicht. Heute hat sie sich die Hawaii-Maske aufgesetzt: Der Wind peitscht über zwei Meter hohe Brecher auf, in denen sich Dutzende mutige Wellensurf­er tummeln. Manchmal verschwind­en sie in einer Gischt, die so dicht ist, als würde dicker weißer Brandrauch über das Was- ser ziehen. Unser Küchengruß: ein schön fein püriertes Kürbissüpp­chen mit ein paar neckischen Spritzern Trüffelöl. Schon beim ersten Gang zeigt sich die ungebroche­ne Meistersch­aft der Küche: Die Entenleber ist sauber pariert und kräftig gebraten, geschmackl­ich elegant ergänzt von etwas Salat, einer herzhaften Bratenjus und einer nicht zu süßen Apfelcreme. Meine Pasta, fast schon eine Hauptgeric­htsportion, ist exakt al dente, die Sauce eine gelungene Kombinatio­n aus zarten Kalbswürfe­ln, soften Avocado- und PilzStückc­hen und einer spannend restsüßen Weißweinsa­uce. So darf das gern weitergehe­n. Tut es auch: Das Menü-Doradenfil­et ist scharf auf der Haut angebraten und innen saftig, ruht auf bissfest gegrilltem Gemüse und wird gekrönt von einem frischen Limettensc­häumchen. Ordentlich, aber kein Vergleich zu meiner riesigen filetierte­n Seezunge, die mit einer cremigen, nicht zu sauren Zitronen-Beurre-blanc und ein paar Spritzern Schnittlau­chöl lackiert ist. Sie wird umrahmt von einer genialen Mischung aus klein geschnitte­nen Buchenpilz­en, Spargel, Babyartisc­hocken und grauen Bohnenkern­en. Dagegen fällt das etwas zu durchgebra­tene KalbsEntre­cote ein wenig ab. Macht nichts, denn die Desserts (alle zehn Euro) reißen es wieder raus. Meine im Glas geschichte­ten zwei- erlei Cremes (Maracuja und Erdbeer) sind fruchtig und gekonnt glatt gemixt, darauf ruhen karamellis­ierte Walnüsse. Fast noch besser mundet der Menünachti­sch, ein schlotzige­s Mandeltart­e-Stück mit mundfüllen­dem SauerrahmB­aiser-Eis. Die Flasche ist längst leer, wir bestellen noch zwei sehr gut eingeschen­kte Gläserser vom offen ausgeschen­kten Verdejo (5,50 Euro) als Ausrede, um den von Minute zu Minute dramatisch­er werdenden Buchtblick weiter genießen zu können. Nachher schlafen wir unten auf einer Liege den Mittagsrau­sch aus. Selig träumen wir davon, all diese großartige­n Vintage-Teller gleich noch mal zu essen. pesi

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