Cassai Beach House
Erste Adresse am Strand
In der Colonia Sant Jordi vor oder nach einem Es-TrencStrandtag mal eben was Leckeres zu essen und dabei auf das offene Meer (abends Sonnenuntergang inclusive) zu blicken – das war viele Jahre leider nicht möglich. Eine Lücke, die von den Betreibern des Restaurants Cassai im nahen Ses Salines nun geschlossen wurde. Von der Straße aus strahlt uns das frisch gestrichene zweistöckige Haus fast schon auf griechische Art entgegen: leuchtend weiß, die Mauern, Fensterrahmen und -läden in tiefem Meerblau, an der Ecke zu einem Strandzugang gelegen. Direkter Nachbar zur Linken ist der Laden „Cassai Lifestyle” (ähnlich wie beim Stammhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite) mit Accessoires in dem Stil, in dem auch die Restaurants gestaltet sind. Auch der Eingang in den Gastraum mit freundlich hellem Holz und mit viel Mühe auf shabby getrimmten Möbeln erinnert an die warme, ausgeprägt mediterrane Anmutung des Stammlokales. Wir haben trotz Spätsaison sicherheitshalber einen Tisch draußen auf der prächtigen, barrierefrei erreichbaren, barfußfreundlichen Altholzterrasse reserviert. Wir wundern uns zunächst, dass sonst nur ein einsames deutsches Paar an einem der teilweise ziemlich wackeligen Plätze sitzt. Nun gut, es ist ja auch erst kurz vor zwölf, genießen wir halt exklusiv den Paradeblick über den schmalen Küstenwanderweg und zwei malerische Pinien hinweg auf den leicht felsigen kleinen Strand mit seinen Badegästen. Wir haben es also nicht mit einem Beach Club zu tun, wo man die Füße in den Sand stecken kann, sondern mit einer Beach-Beobachtungs-Plattform. Das Meer gleißt im Mittagslicht, wir zischen erst einmal ein schnelles Mahou-Caña vom Fass (1,90 Euro) und ein für
2,70 Euro sehr freundlich eingeschenktes Glas Rosé. Eine Stunde später ist es rappelvoll, vor dem Eingang steht eine kleine Traube Laufkundschaft, und muss warten, bis drinnen etwas frei wird, wo wie so oft die vor der Mittagshitze flüchtenden spanischen Familien lunchen. Auch abends, wenn eine leichte Brise vom Meer her erfrischt, muss das hier ein echtes Paradies sein. Ob die Portionen so mächtig sind wie im Stammrestaurant, dessen Speisekarte im Beach House weitgehend übernommen wurde? Der liebenswerte Kellner jedenfalls runzelt sofort die Stirn, als wir zu Salat, Fleischgericht und Kroketten auch noch die „Tapas-Variation, ausgesucht vom Chef“(13,90 Euro) bestellen – von der allein seien schon Kleinfamilien satt geworden. Nun passt erfahrungsgemäß in so einen Testermagen auch eine Menge Essbares, wir wagen also die Bestellung. Zumal die Preise hier nicht nur bei den Drinks angesichts der phänomenalen Lage und Aussicht recht fair sind: Ein 250-Gramm-Hamburger mit Pommes und Salat kostet 11,50 Euro, die riesige Meeresfrüchte-Nudel-Paella Fideua 17 Euro pro Esser (ab zwei Personen wie auch die „normale“Paella mit Reis für 22,90 Euro pro Portion), der große Caesar-Salat mit Hühnchen 10,50 Euro, ebenso wie das fast den ganzen kleinen Nachbartisch einnehmende Schinken-Käse-Brot „Pan amb oli Cassai“. Hier wird man stilvoll gesättigt, aber nicht über Gebühr geschröpft. Die Seeteufel-Kroketten (8,90 Euro) – sechs dicke Kugeln – sind exakt so, wie wir sie lieben: außen kross, innen sämig, aber mit zarten Faserstrukturen und einer gekonnten Geschmacksbalance zwischen Fisch und Käse. Die riesige Tapasplatte überrascht uns nicht, wir haben Ähnliches schon des Öfteren im anderen Cassai bewältigt – allerdings eher nach einem Strandtag mit ausgiebigen Schwimmexkursionen. Am heutigen Mittag werden wir das eher nicht schaffen: Auf unserer Platte liegen zwei Haufen mit knacksauren Pickles und sehr guten Pimientos, fünf große, knusprig frittierte andalusische Tintenfischringe, zwei Schüsselchen mit ausgesprochen fein im Weinsud gekochten Venusmuscheln, gegrilltes Inselbrot mit Ramallet-Tomate und frisch abgesäbeltem Schinken. Allein davon wären wir schon pappsatt, haben dann aber den Fehler gemacht, nicht auch noch den exzellenten bunten Mayo-Kartoffelsalat Ensaladilla (mit Thunfisch und Ei) und die stattliche Tranche luftig-zwiebeliger Tortilla zu probieren. Irre viel gutes Essen für diesen Preis – sofern man bereit ist, danach zum Ausgleich von hier nach Palma zu schwimmen. Irre sind aber auch wir, noch einen weiteren Gang zu bestellen. Meine Co-Testerin hatte sich vorsorglich statt Kalbsrücken mit Trüffelmayo (19,50 Euro), Lammkoteletts (21,50 Euro) oder
Kabeljau (16,90 Euro, beides mit dem Insel-Mischgemüse Tumbet) „nur“einen „Salat Beach House“mit frischer Zitrus-Vinaigrette kommen lassen. Von dem Berg Grünzeug ließe sich eine halbe Kuhherde ernähren, aber wer isst dann die sieben Mammut-Garnelen? Ich jedenfalls nicht, obwohl ich ein paar Minuten warten muss, bis meine zu blass servierten Tranchen vom Iberico-Secreto (ein toll marmorierter, herzhafter Rückenmuskel) mit spannend geräuchertem Kartoffelpüree
(18,50 Euro) nachgebraten sind. Ein Hochgenuss, nur mit ein paar Salzkristallen gewürzt.
Statt eines Desserts wie dem Brownie mit Vanilleeis oder dem Mandelkuchen mit Schokosauce (je 5,90 Euro), teilen wir uns eine – nicht erschrecken – Sangria, die an heißen Tagen hier sehr erfrischend ist für nur 3,90 Euro ausreichend Fruchtsalat für ein gesättigtes Testerpaar liefert.
Rundherum zufrieden, und dabei nicht arm geworden. Was will man mehr? pesi