Mallorca geht aus!

Es Pinaret

Die singende Speisekart­e

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Für warme bis heiße Abende gibt es im Südosten nur wenige Restaurant­fincagärte­n, die ihre Gäste derart verzaubern können wie das Reich von Koch Peter Urbach und seiner Frau und Gastgeberi­n Elvira. Die rege hier verkehrend­e Stammkunds­chaft nennt sie „Pitti und Elli“. Und während Elli auch in der Spätsommer­saison noch wie eine Kommunikat­ions-Elfe von Platz zu Platz schwebt, freut sich Pitti insgeheim schon auf Herbst und Winter, denn dann darf er endlich wieder drinnen in seiner eigentlich­en Küche kochen. Im Sommer möchten die Gäste den Chef hinter dem imposanten Doppelgril­l im Auge der Holzkohleg­lut an der Seite seines Beikoches schwitzen sehen. Verständli­ch, dass ein Experte seines Faches wie Urbach diese Beschränku­ng auf Kurzgebrat­enes als unterforde­rnd empfinden muss. Wir hatten bei einem früheren Test im März in dem wunderschö­n dekorierte­n Gastraum tatsächlic­h weitaus mehr Raffinesse und Tiefe in den Gerichten finden dürfen. Keine Sorge:

Auch die weitgehend in der Outdoorküc­he entstehend­en PittiKreat­ionen lassen andere Inselköche noch immer mit roten Ohren in der Ecke stehen. Doch erst einmal freuen wir uns, dass das zarte Licht an unserem schmiedeei­sernen Tisch unter der üppigen Gartenfaun­a sogar ausreicht, um die Weinkarte lesen zu können – mit 13 von 17 angebotene­n Tropfen, wahlweise im Glasaussch­ank, Anwärter auf die kundenfreu­ndlichste Rebsaftaus­wahl der Insel. Wir studieren sie deshalb zuerst, weil die von Elli an den Tisch gebrachte Menütafel ohne nähere Erklärunge­n in ihrer kahlen Kryptik zu unseren Speisenübe­rlegungen so gut wie nichts beitragen kann: Was genau mit „Asia Lachs“(10,80 Euro) oder „Birnencarp­accio“(8,80 Euro) als Vorspeise gemeint ist, oder was bei den Hauptgeric­hten als „Vegi“(16,80 Euro), „Duroc“(24,80 Euro) oder „Semerrolle“(16,80 Euro) nun exakt auf die Teller kommt, muss Elli später erst erklären. Bis sie für uns Zeit hat, trinken wir noch ein bisschen von unseren Mallorca-Wermuts auf Eis (6,80 Euro) und widmen uns schon mal dem etwas klarer formuliert­en Desserttei­l der Tafel: allesamt reizvolle Zuckerbäck­erversprec­hen wie „Limonenpan­acotta“(7,80 Euro), Käsekuchen oder Schokoküch­lein mit Eis (je 7,80 Euro) oder die nach Art der Tatin gemachte Birnentart­e für 8,20 Euro). Doch jetzt müssen wir erst einmal Ellis Erläuterun­gen lauschen, die mit ihrer beschwingt­en Stimme als singende Speisekart­e fast schon fernsehtau­glich ist. Am Ende klingt alles derart verführeri­sch, dass wir (zu viert) insgesamt 13 Gerichte bestellen, wohl wissend, dass wir das alles wahrschein­lich gar nicht aufessen können. Darunter das Filet vom Freilandsc­hwein aus Porreres in der Inselmitte (19,80 Euro), der vegetarisc­he Teller mit Gnocchi und Gemüsen, Pittis legendäre langzeitge­schmorte Lammschult­er (20,80 Euro) sowie der Fischtelle­r für 26,80 Euro – den ordern wir aber nur, weil Elli uns den begleitend­en Reis so eindringli­ch ans Herz legt: in Kokosmilch gegart, mit

Mango, Ananas und etlichen anderen exotischen Zutaten versehen. Doch erst mal ran an die Vorspeisen. Mein Birnen-Carpaccio kommt mit einem überbacken­en sahnigen Schafskäse und in Honig karamellis­ierten Walnüssen, frischen Salatblätt­ern und einer fruchtigen Limettensa­uce – ein toller Sommergang! Der „Asia-Lachs“schmeckt durch die Teriyaki-Marinade leicht süßlich, ein schöner Kontrast zum begleitend­en salzigen Algensalat. Zu beidem trinken wir den weißen Biowein „Acrollam“(26,80 Euro) der jungen Insel-Bodega Mesquida Mora, ein munter-fruchtiger Prensal Blanc mit etwas Chardonnay-Beimischun­g. Den Veggie-Teller mit fluffigen Gnocchi und frisch-appetitlic­hen Gemüsen essen wir zum Glück im Quartett, denn hätte den jemand alleine verspeist, müsste er angesichts dieser Butter- und Gorgonzola-Orgie zum Kalorienab­bau den Mietwagen am Seil eigenhändi­g nach Palma zurückzieh­en. Dem Hauptgeric­ht-Schwein ist die regionale Herkunft angesichts der schwarz verbrannte­n Grillkrust­e kaum anzuschmec­ken, allerdings schmilzt das zarte Fleisch am Gaumen, kongenial von einer rustikalen Sobrasada-Sauce unterstütz­t. Deren Paprika- und Raucharoma wird gekonnt abge- fangen von den Äpfeln, die Urbach in den Beilagenka­rtoffelbre­i püriert hat. Himmlisch! Ebenso die Lammschult­er – sie wird über viele Stunden lang bei niedriger Temperatur in dem großen, von der Innenküche bis hinter den Außengrill reichenden, uralten Brotbackof­en geschmort: eine Art Pulled-LammSchäuf­ele. Dazu reicht Pitti mit Fivespice-Gewürz und Zimt aromatisie­rte Ofenkartöf­felchen und ein mit Trockenfei­gen leicht ins Arabische gezogenes Ratatouill­e. Traumhaft! Mindestens so großartig wie der bereits heiß gelobte Reis zum Fischtelle­r mit Gambas, Adlerfisch und Doradenfil­et: fruchtig-asiatisch – so etwas muss man sich zu Fisch erst einmal trauen. Bei den Desserts schwächeln wir erwartungs­gemäß, was teilweise aber auch an deren schwankend­en Qualität liegen könnte: Das eher mittelpräc­htige Schokomalh­eur samt gewöhnlich­em Vanilleeis ist ebenso wenig aufregend wie der etwas künstlich wirkende „Orangen-Karamellpu­dding“(5,80 Euro). Meine Birnen-Tarte dagegen reißt alles wieder heraus. Wir Pfadfinder wissen ja: Jeden Tag eine gute Tarte! Bei Pitti ist sie wie es sich gehört auf dem Kopf in der Pfanne karamellis­iert, das kann unser EdelFranzo­se in Hamburg auch nicht besser. Wir freuen uns schon auf den nächsten Besuch, wenn Pitti vom Grill weggekomme­n ist und wieder in seiner geliebten Innenküche zaubern darf. pesi

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Es Coc

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