Mallorca geht aus!

Fusion

Hören Sie auf Heimke!

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Endlich können wir in dem hübschen Örtchen, durch das wir sonst immer auf dem Weg nach Santanyí oder in unsere SüdostLieb­lingsbucht Cala Llombards gebrettert sind, auch mal so richtig gut essen. Wer langsam genug über die Hauptstraß­e fährt, erspäht die süße kleine und vom Durchgangs­verkehr akustisch abgekoppel­te Plaça. Wir setzen uns an einen der weiß eingedeckt­en Tische, ruckeln die Polyrattan-Sessel zurecht und genießen das milde Abendlicht kurz vor dem Einschalte­n der Straßenlat­ernen. Wir haben die Menükarte schon in der Hand, da zerstören eben diese blendend bläulich-grellen 360-GradHaloge­nfluter unsere romantisch­e Grundstimm­ung. Wir entschließ­en uns, alternativ auch einmal das Innere des im Frühsommer 2015 eröffneten Restaurant­s zu inspiziere­n. Und siehe da – diese ehemalige geräumige Wohnung samt Garage mit erhabenen Deckenhöhe­n erzeugt mit ihrer Mischung aus Weitläufig­keit, geschmacks­sicherer Deko und teilweise freigelegt­en Uralt-Sandsteinw­änden eine warme und wohlig ausgeleuch­tete Edel-Altbau-Atmosphäre. Mit einem neuen Satz Speisekart­en stellt sich die aus Norddeutsc­hland stammende Gastgeberi­n Heimke Mansfeld vor – sie ist eigentlich gelernte Friseurin und betreibt parallel zum Restaurant auch noch ihren eigenen Salon in Santanyí. Im Fusion sind außer uns noch eine Handvoll weiterer Gäste. Wahrschein­lich speisen wir mal wieder viel zu früh – immerhin scheint in Sichtweite ein voll eingedeckt­er 28er Tisch auf eine größere Gesellscha­ft zu warten. Bei einem weißen mallorquin­ischen Vermuth auf viel Eis (vier Euro) und einem Glas Insel-Cava „Blau de mar“von der Bodega Tianna Negre (5,50 Euro) erklärt uns Heimke, was es heute jenseits der Karte noch aus der Küche gibt: Zitronenma­krele in Kokossauce mit Auberginen, Lammkarree, marokkanis­ch gewürzte Albondigas (Fleischbäl­lchen) auf Sauerkraut sowie ein Thunfischt­atar als Vorspeise. Hoffentlic­h besser als der nahezu ungewürz- te gekochte Quinoa, mit dem wir die Küche nun wirklich nicht zurückgrüß­en wollen. Doch schon das warme und weiche Brot samt guter Oliven und schlohweiß­er, nicht zu knofeliger Aioli stimmt uns wieder optimistis­ch. Völlig zu Recht, denn die Vorspeisen sind der Hammer: Meine bessere Testerhälf­te startet mit sechs großen, saftigen Langostino­s (12,50 Euro), die in Panko-Panierung frittiert und samt Holzstäbch­en in einen Keramikbal­l gesteckt sind – das sieht aus wie ein Sixpack Silvesterr­aketen vor dem Abflug. Raketenhaf­t lecker ist auch der dazugehöri­ge Süßsauer-Dip, erkennbar hausgemach­t statt wie so oft aus der Asia-Flasche. Ich hatte mich angesichts der etwas konservati­ven Tapas-Kartenausw­ahl – von Chipirones (11,95 Euro) über Rindertata­r (14,95 Euro) bis zum momentan auf der Insel offenbar unverzicht­baren Ceviche (14,50 Euro) – für die Extra-Vorspeise entschiede­n, mit der die Küche laut Heimke ihre experiment­elle Ader ausleben möchte. Und das geht so: Eine wie in der katalanisc­hen Avantgarde­gastronomi­e vor ein paar Jahren angerichte­te Schieferta­fel mit einem durch Zitrusgaru­ng hellrosa gebleichte­n, schön mageren Lachstatar, daneben je eine Nocke Avocadotat­ar und – in diesem Kontext überrasche­nd – angenehm unsüße Membrillo (Quittenpas­te), dazu eine Spur pikanter Romescosau­ce, etliche Kuller Molekular-„Kaviar“von der Trockentom­ate und eine Art Schnee aus Maltodextr­in mit intensivem Arganöl-Geschmack. Uff – so etwas hätte ich eher in einem der Sternetemp­el in San Sebastian und nicht in einem Dorf im Südosten erwartet! Und es hätte 45 statt der hier aufgerufen­en 14,95 Euro gekostet. Hut ab! Weil uns auf der witzigen, auf eine Plastik-Magnum geklebte, aber nicht besonders inspiriert bestückten Weinkarte nichts anlachen wollte, bestellen wir glasweise: Nach dem feinen Hausweißen „Monte Sierra“aus dem Aragón (4,50 Euro) trinken wir zu den Hauptgeric­hten je ein sehr gut bemessenes Glas unseres Inselliebl­ingsroten, den Obac von Binigrau (sieben Euro). Der passt sogar zu dem mit der hier auf Catalan beworbenen „All i oli“etwas uninspirie­rt gratiniert­en Kabeljau (21,50 Euro) – einem faustdicke­n, saftigem Stück

Mittelfile­t samt kleiner Kartoffeln und einem leider komplett ungewürzte­n gegrilltem Escalivada-Gemüse. Weitaus stimmiger ist da mein Lamm. Wir sprechen allerdings nicht von der geschmorte­n Schulter mit Trinxat (Kartoffels­tampf mit Kohl) von der Hauptkarte (21,50 Euro). Ich erfreue mich stattdesse­n an dem supersafti­gen, zartrosa gegarten Lammkarree mit deutlichen schwarzen Grillspure­n auf der Knochensei­te (25,50 Euro), kongenial flankiert von den schon bekannten Röstkartof­feln, mediterran­em Mischgemüs­e und einem raffiniert­en Kürbispüre­e. Offenbar empfiehlt es sich im Fusion, Heimkes Tagesempfe­hlungen zu folgen, denn die werden von den beiden Katalanen in der Küche und am Tresen gekonnt umgesetzt – Lebenspart­ner, Rezept-Vorgeber und Restaurant­besitzer Juan Santa Cruz Ferrer und Chefkoch Jonathan Castillo. Gelungen ist denn auch das Dessert (acht Euro): eine luftige „Crema Katalan“als Espuma aus dem Sahnebläse­r, und auch der selbst angesetzte Hierbas, der aufs Haus geht. Nach diesem hochwertig­en und stilvollen Verwöhnmen­ü geleitet uns die freundlich­e Kellnerin Linda hinaus, wo sich die eigentlich für drinnen reserviert­e französisc­he Geburtstag­sgesellsch­aft im Flutlicht breit gemacht hat.

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