Joan Marc
Aufsteiger mit Mut zum Risiko
Nur unwesentlich teurer ist es geworden, das Restaurant Joan Marc. Mit 41 Euro für vier Gänge geht das kulinarische Erlebnis inzwischen los, mit 65 für acht endet es. Dafür bekommt man eine Menge in diesem schicken, modernen Restaurant, das wie ein Fremdkörper wirkt in der, nun ja, eher bescheidenen Umgebung. Einen Schönheitspreis gewinnt Inca wohl nie mehr, einen fürs Parkplatzangebot auch nicht. Einen paar Runden müssen wir drehen, um eine Abstellmöglichkeit zu finden. Doch die Mühe lohnt sich, lohnte sich immer. Joan Marc Garcías Amer ist nämlich nicht nur ein sehr netter Koch, sondern auch ein sehr guter, wird unterstützt vom herzlichsten Kellner, den wir auf der Insel kennen, schickt auch die sympathischsten Köchinnen immer mal wieder nach vorn. Zum Schluss kommt er selbst, um die süßen Beigaben zum Kaffee zu annoncieren. Vorher allerdings dürfen wir allerlei präzise abgeschmeckte Vorspeisen und Hauptgerichte verkosten. Nicht zu vergessen das Brot aus dem legendären Xeixa-Weizen, das feine Olivenöl, die gewürzten Haselnüsse, die hausgemachten Cracker. Hat man den richtigen Tisch erwischt, kann man in die Küche blicken, ansonsten den übrigen Gästen beim Aussuchen und Aufessen zusehen. Schön angerichtet sind die Speisen ausnahmslos, und begleitet werden sie von coolen Getränken. Hausgemachte Ingwerlimonade gäbe es, handwerklich hergestelltes Bier, feinsten Vermouth. Sogar tollen Sherry (von Lustau). Prestigeweine fehlen, von Vega Sicilia abgesehen, aber mit einem 4 Kilos (45 Euro) oder dem finessenreichen 2007er Cava von Bertha (36 Euro) fährt man eh mindestens ebenso gut wie mit großen international renommierten Namen. Wir regen allerdings an, in jedem Fall die Jahrgänge der Weine zu nennen: Auch in Spanien existieren Unterschiede zwischen den Herbsten!
Die Teigtaschen mit einer Füllung aus weißen Bohnen sind uns, bei aller Sympathie für dieses kreative Restaurantprojekt, etwas zu mächtig, zu kontrastarm; da können auch Minze und Joghurt nicht ausreichend dagegenhalten. Viel besser dann aber der cremige Reis mit Kabeljau in ziemlich kleinen Partikeln, grünen Erbsen und Kürbis – ein Spiel mit Texturen. Noch bes-
ser: die Calamari à la plancha, kurz gegart, mutig gewürzt, mit Frühlingszwiebeln und knusprigen, zusätzliche Pikanz vermittelnden Kapern. Lamm mit Romanesco kann mithalten, allerdings überlegen wir schon vor dem ersten Bissen Fleisch, ob die Küche sich nicht ruhig einen Moment mehr Zeit lassen könnte: Wir sind ja nicht auf Eile aus, haben nach dem Essen keine Termine mehr. Vielleicht hätten wir schon zu Beginn sagen sollen, dass man bitte mehr Pausen inkludieren möge! Das Lamm ist übrigens gelungen, saftig geschmort und knusprig zugleich, beweist die Fähigkeiten des Chefs, regionale Produkte auf den Punkt zu würzen. Dass der Mann auch gern Risiken eingeht, beweisen die letzten Gänge. Den im Haus hergestellten Käse kann man salzig oder süßlich haben, wie die Mitarbeiterin erläutert. Wir nehmen die am Tisch präparierte pikante Variante, die mit getrockneten Oliven, Rosmarin und Olivenöl zu einem durchaus intensiven Gang verarbeitet wird. Auch das Dessert ist eine Herausforderung, denn die in Wein gegarten Birnen kommen nicht mit schmeichelnde Süße, sondern sind in eine Gewürzkruste gehüllt, die intensive, sogar bittere Noten aufweist. Uns gefällt das ausgezeichnet, aber wir könnten uns vorstellen, dass der Chef mit solchen Kreationen nicht jeden Geschmack trifft. Aber muss er das? Soll ein Restaurant es allen recht machen? Wir finden nicht und schätzen das Joan Marc und den Joan Marc ausdrücklich für einen eigenen Stil. Und natürlich dafür, dass man jede Menge hausgemachter Kleinigkeiten für zu Hause mitnehmen kann: Konfitüre, Brot, Cracker. Zu außerordentlich günstigen Preisen! wf