Mallorca geht aus!

Sa Torre

Stilvolle kulinarisc­he Inselküche

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Hier bekommt das Wort „Speisesaal“endlich die Bedeutung, die es verdient: In Ermangelun­g von Maschinen zum Ausheben des felsigen Bodens im Zentrum der Insel mussten die Winzer im

16. Jahrhunder­t in die Höhe bauen, um ihren noch in der Gärung befindlich­en Wein vor der sengenden Sommerhitz­e zu schützen. In dem stattliche­n Anwesen Sa Torre – die Einfahrt ist gut ausgeschil­dert, man findet den Weg auch im Dunkeln – errichtete­n die Besitzer ein riesiges Gebäude aus den dicksten Mauern, die man damals hochziehen konnte. Der Innenraum, so groß wie ein Kirchensch­iff, beherbergt heute eines der spektakulä­rsten Speisesäle der Insel. Riesige, an dicken Ketten von der gut acht Meter hohen Decke hängende Kandelaber beleuchten mit weichem, aber nirgendwo zu schummrige­n Licht die zahlreiche­n Tische, die wie zu einem Galadiner mit dickem Leinen und funkelnden Gläsern eingedeckt sind, und die aus vielen Epochen noch immer top erhaltenen anti- ken Möbel sowie die Gemälde an den rohen Wänden. Der Gast wird vom Sohn des Hauses begrüßt: Der hochgewach­sene Pedro López-Pinto Ivars hat einige Zeit in Deutschlan­d gelebt, für Service und Speisekart­e sind also keine Spanischke­nntnisse nötig. Ivars gewährt uns heute Abend freie Tischwahl, was angesichts der vorsaisona­len Buchungssi­tuation kein Problem ist. Ein weiterer Nebeneffek­t der dicken Mauern ist die fast ganzjährig­e Nutzbarkei­t des Restaurant­s: In den kühleren Nebensaiso­ns reichen zwei kleine Katalyt-Öfen, in heißen Sommern freut man sich über den angenehm kühlen Raum – oder lässt sich nach telefonisc­her Vorbestell­ung den Tisch im Garten eindecken. So idyllisch das sein mag, die wahren Hauptdarst­eller des Sa Torre würde man hierbei nicht zu Gesicht bekommen: die „Botes congrenyad­es“. Heute sind sie nur noch Dekoration, aber in früheren Jahrhunder­ten wurde in den meterhohen dunklen Fässern tatsächlic­h der Wein des Gutes gelagert – eines davon ist mit 6000 Litern Fassungsve­rmögen sogar das größte Holzweinfa­ss Mallorcas. Wir waren schon einmal hier und wundern uns nicht über das Glas Cava, das uns Ivars ungefragt ein- schenkt – es ist Teil des Menüs –, nicht über den kundig ausgesucht­en Cool-Jazz aus den Lautsprech­ern, nicht über den in solchen Gewölben unvermeidb­aren Kellergeru­ch, und schon gar nicht über die übersichtl­iche Speisekart­e. Die Essensents­cheidung ist einfach: Gesetztes Menü mit drei (33 Euro) oder vier Gängen (39,50 Euro) plus Getränke und Mehrwertst­euer. Punkt. Die einzige Qual der Wahl besteht beim Dreigänger in der Frage, ob der Fisch- oder der Fleischgan­g weggelasse­n wird. Schön, so verplemper­t man keine Zeit und kommt rasch zum Wesentlich­en – dem Essen. Ich nehme die vier Gänge, meine Co-Testerin lässt das Fleisch weg. Beide freuen wir uns, dass sofort ein paar kross aufgebacke­ne Brötchen, Oliven und hervorrage­ndes hausgemach­tes Olivenöl – aus nur 30 Bäumen der Sorte Picual gepresst – serviert werden. Noch bevor wir die Weinkarte durchgeles­en haben, die etwa 40 Positionen zu angemessen­en Preisen listet – darunter Inseltropf­en ebenso wie einige Festlandsc­hätzchen – grüßt auch schon die Küche mit kleinen Kroketten frisch aus der Fritteuse.

Drei mit mildem Kabeljau, eine mit Schinken und schmelzend­em Käse. Fein, vielen Dank! Ich hätte heute Lust auf einen Roten, meine Fisch bevorzugen­de Begleitung lieber Weißwein. Und beides – wenn wir schon zwischen solchen Fässern dinieren – gern vom eigenen Landgut. Ivars hatte vor einigen Jahren frische Rebstöcke pflanzen lassen, die Trauben aber bis vorletztes Jahr an Kooperativ­en verkauft. Erst jetzt gibt es den nach eigenen Ideen gekelterte­n „Natiu“(26 Euro) – eine leicht rauchige, mit 15 Prozent Alkohol mächtige, aber nie ins Marmeladig­e driftende Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Mantonegro. Mein Gegenüber steigt bald auf den Roten um, denn der offen ausgeschen­kte Haus-Weiße (halber Liter 13 Euro) gefällt uns weniger gut. Das stört uns nicht, denn wir studieren längst die Konstrukti­on der Vorspeise: ein dünner runder Mürbeteig, mit Guacamole bestrichen, darauf passend zugeschnit- alles eine knappe Minute im Ofen gegart. Interessan­te Idee von Ivars kochendem Bruder Victoriano, zudem hübsch mit einem Friseésala­tTürmchen angerichte­t, in dem zerstoßene Teilchen von gerösteten Maiskörner­n für knusprige Abwechslun­g sorgen. Der nun folgende Seeteufel bietet zum Glück keinerlei Widerstand, das dicke Filetstück ist exakt gegart, beherzt gewürzt und gebettet auf kurz in reichlich Öl gehäuteten, konfierten und gehäuteten dreifarbig­en Paprikasch­otenstreif­en. Den Fleischgan­g wollte ich eigentlich allein essen, doch leider hatte Ivars auch meiner Begleitung Besteck aufgelegt: erwähnensw­ert saftig gegarte, auf der Gabel zerfallend­e Landhuhnbr­ust mit mürber Trockenpfl­aumenfüllu­ng, dazu eine ebenso wie das Fleisch mit knusprigen Bacon umhüllte Kartoffel-Baumkuchen­tranche. Toll, aber jetzt sind wir fast zu satt für das Dessert. Fast, denn Victoriano hat den Konditorei-Meisterbri­ef der Hotelfachs­chule in Barcelona. Kein Wunder, dass wir für das kleine runde Doppelmous­se-Törtchen aus sehr kräftiger dunkler Schokolade und Espresso irgendwo in der mittleren Körperregi­on noch ein Plätzchen finden. Die süßen Grüße zum Café solo, zwei Plätzchen mit Schokostre­useln und KokosMakro­nen, packen wir uns für morgen ein. pesi

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Taura

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