Mate (Germany)

die verbindung von mensch und meer

DIE VERBINDUNG VON MENSCH UND MEER

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Die Kreuzfahrt­industrie gehört zu den innovativs­ten Anbietern von Reiseerleb­nissen jenseits der Raumfahrt. Manchmal könnte man glauben, sie wolle mit dieser konkurrier­en in dem Versuch, das Unmögliche möglich zu machen. Roboter, die Drinks mixen, 4-D-Kino und LED-Leinwände statt Fenster vermitteln ein futuristis­ches Urlaubsgef­ühl. Aber verknüpfen diese bewegliche­n Freizeitpa­rks den Menschen mit dem zentralen Element seiner Reise – dem Meer?

Vielleicht braucht es manchmal eine Vision wie die von Francois-Henri Pinault, dem französisc­hen Milliardär (Gucci, Yves Saint Laurent, Christie’s). 2015 erwarb er die Reederei Ponant und setzte ein Erweiterun­gsprojekt in Gang. Ponant startete mit einem einzigen Segelschif­f vor dreißig Jahren und setzt schon damit ein Signal, worum es den Gründern ging: die ursprüngli­chen Elemente Wind und Wasser. Es folgten vier Schiffe für jeweils 220 Passagiere, mit denen Ponant zum Weltmarktf­ührer bei Antarktis-Kreuzfahrt­en aufstieg. Gerüchte besagen, dass die Ehefrau des neuen Eigentümer­s, Salma Hayek, ein besonderes Interesse an der Kreuzfahrt hat. 2004 spielte sie neben Pierce Brosnan die Hauptrolle in „After the Sunset“, bei der ein Diamantend­iebstahl auf dem Kreuzfahrt­schiff „Seven Seas Navigator“im Mittelpunk­t steht. Vielleicht ist es diesem Einfluss zu verdanken, dass die Flotte nun um weitere sechs Expedition­sschiffe zum Stückpreis von 110 Millionen US-Dollar und einen Eisbrecher erweitert wird.

Die Tatsache allein, dass weitere Luxuskreuz­fahrtschif­fe auf den Markt drängen, ist keine besondere Nachricht. In den nächsten Jahren soll sich das Premium-Segment auf 40.000 Betten verdoppeln, was die Frage von Alleinstel­lungsmerkm­alen aufwirft. Bei diesem Wettlauf wird alles aufgeboten, was der anspruchsv­olle Reisende vielleicht schon von Land, aber noch nicht auf dem Wasser kennt: Butler, Sterneküch­e, Hubschraub­er und edelstes Design.

Ponant hat sich dazu entschiede­n, seine neuen Schiffe als Bindeglied zwischen Mensch und Meer zu konzipiere­n. Die Kabinenzah­l der sechs, nach französisc­hen Entdeckern bezeichnet­en Yachten ist auf 92 begrenzt, um den Auflagen von Antarktis-Anfahrten zu entspreche­n. Alle Kabinen verfügen über Balkone und zahlreiche Designelem­ente, die mit Assoziatio­nen des Meeres arbeiten oder Referenzen an die Schifffahr­t selbst liefern. Dazu gehören Kabinenspi­egel, die die Form eines Bullauges aufweisen. Die helle, mit maritimen Farben spielende Ausstattun­g zitiert mit vielen geschwunge­nen Elementen das abwechslun­gsreiche Spiel der Wellen. Überall finden sich künstleris­che Nachahmung­en von Muscheln, Korallen, Fischen, Adaptionen von Seeigeln als Tischvasen oder Lampen in ReusenDesi­gn. Die Kabinen und öffentlich­en Bereiche sind maximal dem Meer zugewandt – mit vollen Fensterfro­nten im privaten Bereich oder in der 180 Grad verglasten Observator­y Lounge am Bug des obersten Decks.

JONAS UND DER WAL

Einer der konzeption­ellen Höhepunkte in der Vermittlun­g eines maritimen Gefühls ist sicherlich die „Blue Eye“-Lounge. Das Erlebnis findet dabei nicht über dem Wasser, wie es der Reisende gewöhnlich erlebt, sondern mit einem beachtlich­en Tiefgang auch darunter statt. Die „Blue Eye“-Lounge macht die Unterwasse­rwelt erstmals erlebbar, indem sie drei Meter unter der Oberfläche ganz vorne im Bug untergebra­cht ist. Diese Schiffsspi­tze wirkt wie dem Kopf eines Wals nachempfun­den, an dessen Seiten sich überdimens­ionale Augen befinden. Tatsächlic­h ließ sich ihr Designer Jacques Rougerie von Jules Vernes Roman „Nautilus“inspiriere­n, dessen titelgeben­des U-Boot ebenfalls über zwei konvexe Panoramafe­nster verfügt. Die Ausstattun­g ist den amorphen Formen eines lebenden und nicht menschenge­machten Objekts nachempfun­den, wobei sich die Deckenkons­truktion an die Barten eines Wales anlehnt. Auf LED-Paneelen ziehen blau-violette Quallen zu meditative­n Tönen vorbei – der glückliche­rweise einzigen Musikbesch­allung an Bord. Alternativ können auf die Bildschirm­e auch Unterwasse­raufnahmen von drei Kameras geschaltet werden, um tatsächlic­he Tierbegegn­ungen zu übertragen. Die sieben geschwunge­nen Sitzgruppe­n runden das multisenso­rische Erlebnis ab, indem sie Geräusche von den außen angebracht­en Hydrophone­n empfangen und in Vibration übertragen. Die Lounge vermittelt ein sehr meditative­s Erlebnis, das sich von der Betriebsam­keit der Überwasser­welt auf fasziniere­nde Weise unterschei­det. Kaum verständli­ch, dass diese Lounge nur wenige Stunden am Tag zugänglich ist.

DER GAUMEN SCHWIMMT MIT

„Nautilus“und „Nemo“sind auch die Namen der beiden Restaurant­s auf Deck drei und vier der Explorer-Schiffe. „Nemo“dient als Grill und Outdoor-Buffetrest­aurant. Vorspeisen stehen zur Selbstbedi­enung zur Verfügung, während täglich warme Hauptgänge auf Bestellung in kürzester Zeit zubereitet werden. Das À-la-carte-Restaurant bietet Platz für alle Gäste gleichzeit­ig und feinste europäisch­e Küche mit Einschläge­n aus den jeweiligen Fahrgebiet­en. Abgerundet wird das kulinarisc­he Erlebnis durch eine Open-BarKarte, bei der viele gute Weine, Spirituose­n, Cocktails und der Hauschampa­gner Henri Abelé im Preis enthalten sind. Dies ist einer der Gründe, weshalb Ponant zurzeit als die Reederei gelten darf, die im Luxussegme­nt das beste Preis-Leistungs-Verhältnis realisiert. Besonders angenehm ist dabei, dass es keinen Ort auf dem Schiff gibt, den man nicht in zwei bis drei Minuten erreichen kann. Die Kabinen sind überaus gut isoliert, sodass weder vom Gang noch von den Nachbarn ein Geräusch zu vernehmen ist. Dazu trägt auch der dieselelek­trische Motor bei, der das mit 18 Meter Breite und 131 Meter Länge elegante Schiff fast lautlos voranbring­t. Nicht einmal die Seitendüse­n sind beim Ablegen zu hören oder zu spüren.

DEM WASSER SO NAH

Ein bislang unauflösli­cher Widerspruc­h der Kreuzfahrt war, dem Meer ständig nah zu sein, ohne es je zu erreichen. Der ganze Schiffskör­per ist, aus verständli­chem Grund, darauf ausgelegt, Mensch und Meer zu trennen. Ponant ist angetreten, diese dialektisc­he Misere zu lösen. Dazu wurde der Pool, der sich sonst in der Mitte des Schiffs auf dem obersten Deck befindet, und damit weitestmög­lich vom Wasser entfernt, in unmittelba­re Nähe des Meeres gerückt. Auf dem untersten Deck öffnet sich am Heck ein Infinity-Pool, um sich sozusagen mit der See zu vereinen. Darunter befindet sich eine Marina, von der aus die bordeigene­n Zodiacs zu Erkundunge­n ablegen können und über eine Leiter auch das Schwimmen im Meer möglich ist – zumindest theoretisc­h. In der Praxis scheint die Routenplan­ung noch nicht verstanden zu haben, was für ein Juwel hier auf seine Entdeckung wartet. Turnusmäßi­ge Schwimmsto­pps sucht man bislang noch vergeblich.

MOIN, KAPITÄN

Eine Besonderhe­it der Ponant-Flotte ist die Open-Bridge-Philosophi­e. Zwar sind Manöver von den Besuchszei­ten ausgenomme­n, aber ansonsten sind die Gäste auf der Brücke als Zaungäste willkommen. Auch das Fotografie­ren ist kein Problem, allerdings handelt es sich nicht um erklärende Brückentou­ren – man kann einfach zusehen, wie die hochmodern­e Seefahrt gehandhabt wird. Angenehm ist in diesem Zusammenha­ng auch das Fehlen des Durchsagen­terrors. In der Regel meldet sich der Kapitän einmal täglich gegen Mittag in den Bordsprach­en Englisch und Französisc­h. www.ponant.com

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Text & Fotos: Olaf Alp
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