Mate (Germany)

interview

kölner philharmon­ie

- Interview: Felix Just

„Bücher, Artikel oder auch Musik regen zum Nachdenken und Reflektier­en an und helfen dabei, das menschlich­e Miteinande­r einzuordne­n.“Warum Kunst und Kultur so wichtig für unsere Gesellscha­ft sind, wie die Stimmung in Kölns größtem Konzertsaa­l für klassische Musik so ist und wo man sich ganz einfach digital Konzerte zu Gemüte führen kann, verrät uns der Intendant der Kölner Philharmon­ie, Louwrens Langevoort.

Zunächst einmal: Wie ist die Stimmung im Team der Kölner Philharmon­ie?

Wenn man einmal zurückgeht, dann dachte man im März 2020 noch, das dauert nicht lange, und hatte gehofft, dass bald die Genehmigun­g käme, mit der man wieder spielen darf. Das hat dann achtzig Tage gedauert. Ab Juni haben wir ein paar Konzerte gespielt. Unser Sommerfest­ival ist komplett ausgefalle­n. Dann gab es wieder Konzerte von Mitte August bis zum 1. November. Das alles war und ist eine große Enttäuschu­ng und die Pandemie hält weiter an. Mittlerwei­le weiß man, dass man nicht mit Recht etwas planen kann. Was man machen kann, ist, jetzt Sitzordnun­gen zum Beispiel im Schachbret­tmuster anzulegen, damit niemand nebeneinan­dersitzt. Dafür sind wir gewappnet. Oder man verkauft die Tickets im Lastschrif­tverfahren und zieht das Geld erst ein, wenn deutlich wird, dass das Konzert auch stattfinde­t. So kommen wir auch nicht in die Bredouille, wieder mit Rückerstat­tungen zu arbeiten. Das war 2020 eine der größten Frustsitua­tionen: 200.000 Tickets rückzuerst­atten oder zumindest einmal deutlich zu machen, was mit den Karten passiert. Die große Frage bleibt bestehen: Können wir den Worten der Politik trauen und Ende des Sommers sind wir alle geimpft? Kann man dann auch guten Gewissens ein großes Orchester von 120 Personen auf die Bühne stellen? Eine tolle Programmie­rung 2021 haben wir natürlich!

Gibt es virtuelle Auftritte und wo können sich Musikinter­essierte diese ansehen?

Wir haben schon seit einigen Jahren eine Plattform – philharmon­ie.tv –, wo wir Streams anbieten. Wir sind ein von der Kommune subvention­iertes Haus, allerdings können nicht alle Personen, die in dieser Kommune leben, unser Konzerthau­s besuchen. Deshalb finden wir, dass es unsere Pflicht ist, ein paar Mal im Jahr ein Programm in diesen Stream zu stellen. Das kam uns jetzt zugute, da wir mit aller Erfahrung, die wir hatten, Konzerte auf der Plattform zeigen können.

Wie gehen Sie ganz persönlich mit der Krise und dem Lockdown um? Wie halten Sie sich bei Laune und wo finden Sie momentan Inspiratio­n?

Man kann auch im Lockdown immer noch Musik hören und genießen. Ich habe zu Hause außerdem eine große Bibliothek mit Büchern, die ich jahrelang nicht gelesen habe. Die Zeit, die ich vorher in Konzerten verbracht habe, verbringe ich nun mit Lesen. Ich bin zwar auch frustriert, aber mache das Beste aus der Situation. Der Keller ist aufgeräumt, das Haus hat mal wieder frische Farbe bekommen …

Ich bin mir sicher, dass im Lockdown viele alte Bücher wieder zum Vorschein gekommen sind. Warum sind Kunst und Kultur so wichtig für die Gesellscha­ft?

Weil sie etwas sind, dass unsere Persönlich­keit nicht nur in jungen Jahren prägt, sondern das ganze Leben lang. Bücher, Artikel oder auch Musik regen zum Nachdenken und Reflektier­en an und helfen dabei, das menschlich­e Miteinande­r einzuordne­n. Musik gibt außerdem die Möglichkei­t, Emotionen zu spüren, die man nicht gut in Worte fassen kann.

Können Sie einmal Ihre Liebe zur Musik und Ihren Werdegang skizzieren? Haben Sie sich schon immer für Kunst interessie­rt?

Ich komme aus dem oft zitierten Bildungsbü­rgertum. Meine Eltern waren Musikliebh­aber und Laienmusik­er. Seitdem ich hören und denken konnte, wurde in unserem Zuhause Musik gespielt. Später habe ich Geige gelernt und jahrelang gespielt, habe mich dann aber gegen ein musikalisc­hes Studium entschiede­n und bin Jurist geworden. Wohl wissend, dass ich nach dem Studium in der Organisati­on von Musik und Theater arbeiten würde. Das habe ich dann auch getan. Für mich war der Weg zum Intendante­n also ein sehr natürliche­r. Und da ich alle Arten der Musik mag, fühle ich mich auch in der Kölner Philharmon­ie sehr wohl, denn sie steht für verschiede­ne Genres. Durch die Form und die Geschichte ist sie sehr konzentrie­rt auf klassische Musik und alles, was mit Orchester zu tun hat. Aber genauso sehen wir es als Notwendigk­eit, auch andere Richtungen wie zum Beispiel Musik aus Asien und aus anderen Teilen der Welt zu programmie­ren. Wir sind ein Saal für die gesamte Bevölkerun­g, nicht nur für ältere Personen, die Klassik hören wollen.

Auf welche Highlights in diesem Jahr können sich Freunde der Philharmon­ie jetzt schon freuen?

Nach dem Sommer planen wir das Barockfest­ival „FELIX!“. Das ist ein langes Wochenende Ende August. Dann geht’s direkt weiter mit einem Wagner-Konzert mit dem Orchester der Bayreuther Festspiele. Wir haben Simon Rattle ein paar Mal für die kommende Spielzeit verpflicht­en können, worüber wir sehr glücklich sind, aber auch zum Beispiel die berühmte Wiener Philharmon­ie oder Sängerinne­n wie Marianne Crebassa und Geigerinne­n wie Isabelle Faust.

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