pride bei der boston consulting group
interview mit felix baerstecher
Die Boston Consulting Group (BCG) ist weltweit eine der größten Unternehmens- und Strategieberatungen. Von Felix Baerstecher, der Leiter des Pride Netzwerkes bei BCG ist, wollten wir wissen, wie es denn um das Thema Diversity und Sichtbarkeit bei der Beratung steht. Felix, was machst du genau bei BCG? Was sind deine Aufgaben im Netzwerk?
Ich habe wohl den schönsten Job bei BCG und trage Verantwortung für die Menschen. Ich bin Senior Director für Human Resources und seit 13 Jahren dabei. Ich koordiniere unter anderem die Talententwicklung und bin Leader des Pride-Netzwerkes.
War es dein Wunsch, das Pride-Netzwerk zu leiten, oder passt es einfach automatisch am besten zu Human Resources?
Als ich 2008 bei BCG anfing, hatte ich keinen HR-Bezug und lernte die Initiative als Berater kennen. Ich hatte aber gewusst, dass es ein aktives Netzwerk gibt, und das hat auch dazu beigetragen, dass ich mich für den Job bei BCG entschieden habe.
Seit wann existiert das Netzwerk und welche Entwicklung hat es seit seiner Gründung durchgemacht?
Vor einiger Zeit hatten wir unser 20-jähriges Jubiläum. Entstanden ist das Netzwerk als „Bottom-up“-Bewegung in den USA. Einige Kolleg*innen stellten fest, dass sie ein gemeinsames Anliegen haben, und fingen an, sich zu treffen und Strukturen zu schaffen. Der Support der Unternehmensleitung war groß, und so stand auch der Gründung eines Netzwerkes mit Unterstützung der Geschäftsführung in Deutschland nichts mehr im Weg. In den vergangenen zehn Jahren sind wir zu einer beachtlichen Gruppe gewachsen.
Welche Aufmerksamkeit bekommt das Netzwerk innerhalb des Unternehmens?
Es bekommt schon jetzt viel Aufmerksamkeit, das muss man sagen, aber ich wünsche mir, dass es noch mehr wird. Das liegt daran, dass es für mich ein Herzensthema ist, und je mehr Aufmerksamkeit wir bekommen, desto besser. Ich bin immer positiv überrascht, wie viel Zeit der Vorstand sich für unsere Themen nimmt. Wir finden immer Gehör. Ich habe auch das Gefühl, dass sich viele Kolleg*innen als „Straight Allies“engagieren. Ein Beispiel: Gerade haben wir im Pride-Monat eine Aktion mit Pride@BCG Stickern gemacht und die Mitarbeiter*innen gebeten, die Aufkleber als Zeichen der Unterstützung auf Handy, Tische usw. zu kleben. Heute Morgen bin ich durchs Büro gelaufen und war glücklich zu sehen, wie viele Sticker bereits an den Arbeitsplätzen kleben – auch beim Management.
Gibt es Mitarbeiter*innen, die aufgrund des Netzwerkes und der LGBT+ Sichtbarkeit ihr Coming-out gewagt haben?
Ich glaube, für jede Kolleg*in ist das eine individuelle Reise. Viele kommen bereits geoutet zu uns und sprechen uns auf das Netzwerk an und kennen es. Wir haben aber auch Kolleg*innen – und da gehörte ich selbst dazu –, die abwarten und erst einmal beobachten. Viele wollen ein Gefühl bekommen, wie die Situation bei BCG ist. Dabei kann das Pride@BCG-Netzwerk hilfreich sein, sich in diesem Prozess zu orientieren, zum Beispiel bei Fragen wie: „Kann ich meinen Freund oder meine Freundin mit zur Weihnachtsfeier bringen?“Dabei ist das Netzwerk eine gute Hilfestellung für alle, die sich noch im Orientierungsprozess befinden.
Welche konkreten Ziele verfolgt euer Netzwerk und auf welche Ziele, die ihr bereits erreicht habt, seid ihr besonders stolz?
Das übergeordnete Ziel ist, das Netzwerk obsolet zu machen. Das klingt radikal, aber ich wünschte, wir würden in einer Gesellschaft leben, in der wir so ein Netzwerk nicht bräuchten, weil es einfach kein Thema ist. Aber das ist nicht so. Ich glaube auch nicht, dass wir da in den nächsten zwei, drei Jahren hinkommen. Aber es bessert sich bereits vieles. Solange wir nicht in einer inklusiven Gesellschaft leben, muss es Ziel des Netzwerkes sein, A: Hilfestellung für volles Entfalten aller Kolleg*innen zu leisten, B: Diversity immer wieder auf die Agenda zu bringen – auch bei unbequemen Themen – und C: unsere Verantwortung als Unternehmen für Gleichberechtigung in der Gesellschaft ernst zu nehmen.
Wie konservativ ist die Beraterwelt und wie aufgeschlossen begegnen euch beispielsweise Kund*innen, wenn ihr eure Diversity-Arbeit nach außen kommuniziert?
Wir kommunizieren das Netzwerk ganz offen. Unsere Kund*innen sind ein Abbild der Gesellschaft. Ich muss sagen, so wie ich in der Gesellschaft eine Veränderung sehe, sehe ich das auch bei unseren Kund*innen. Viele sprechen uns selbst auf Themen wie Diversity und Diversity-Förderung an. Auch im Projektgeschäft nimmt die Relevanz des Themas zu.
Gibt es schon Pläne für 2022, wenn wieder mehr als nur digitale Sichtbarkeit möglich ist?
Wir versuchen auch in diesem Jahr schon persönliche Treffen im kleinen Rahmen zu organisieren. Ein Mitarbeiter*innen-Kick-off zum Berliner CSD zählt zum Beispiel dazu. Auch, um Sichtbarkeit innerhalb des Unternehmens zu schaffen, unter anderem für Neustarter*innen bei BCG. Eine Studie von BCG sagt, 22 Prozent der Befragten betrachten Coming-out als Karriererisiko. Das darf nicht sein. Wir müssen dazu ein Gegengewicht setzen und den neuen Kolleg*innen signalisieren: Wir sind da und stehen für Fragen zur Verfügung und jede*r darf sich bei uns entfalten. 2022 wollen wir dann auch wieder auf die Straße und mit einer eigenen Gruppe bei den Demonstrationen dabei sein. Wir werden außerdem Recruiting-Events für die Community und LGBTIQ-BusinessEvents veranstalten, eines davon ist schon für kommenden Oktober geplant. www.bcg.com