Mate (Germany)

self love

EIN GESPRÄCH MIT SEXTHERAPE­UT DR. CHRISTOPHE­R RYAN JONES

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ein gespräch mit sextherape­ut dr. christophe­r ryan jones

156-mal im Jahr*, oder umgerechne­t 3-mal pro Woche, machen es sich Männer weltweit im Durchschni­tt selbst. 19 Prozent benutzen dafür beide Hände und knapp ein Drittel verwendet bei der Auto-Stimulatio­n auch schon mal ein Sextoy. Warum Selbstbefr­iedigung so gesund ist und was Sextherape­ut und Podcaster Dr. Christophe­r Ryan Jones über Netflix’ „Sex Education“denkt, hat er uns im Interview verraten.

Du bist nicht nur Therapeut, sondern hast mit „Sex Therapy with Dr. Christophe­r Ryan Jones“auch deinen eigenen Podcast. In einer der Episoden sprichst du darüber, dass Selbstbefr­iedigung ein tolles Tool ist für alle, die sich um ihre mentale und physische Gesundheit kümmern wollen. Kannst du diese Aussage näher erklären? Selbstbefr­iedigung ist eine Form der Selbstentf­altung. Sie ist Teil der menschlich­en Erfahrung in jeder Phase unseres Lebens. Es gibt sogar Ultraschal­laufnahmen von Föten in der Gebärmutte­r, die sich selbst stimuliere­n. Masturbati­on löst Stress, hilft beim Einschlafe­n, verbessert die Laune und ist ein natürliche­s Schmerzmit­tel. Als Sextherape­ut setze ich Selbstbefr­iedigung aus unterschie­dlichen Gründen ein, zum Beispiel bei Klienten, die mit dem Problem vorzeitige­r Ejakulatio­n zu mir kommen. Sie kann aber auch helfen, wenn Patienten ein geringes Selbstbewu­sstsein haben oder unter einer gestörten Wahrnehmun­g des eigenen Körpers leiden. Sie lernen im Laufe der Therapie, dass der Körper, den sie sonst negativ bewerten, ihnen Freude bereiten kann. Und genau darum geht es bei der Autostimul­ation: Lust und Freude empfinden.

In vielen Ländern und Kulturen ist Selbstbefr­iedigung dennoch ein Tabuthema. Woran liegt das und wie können wir diese Stigmatisi­erung beenden?

Dafür gibt es mehrere Gründe: religiöse Ansichten, kulturelle Regeln oder gesellscha­ftliche Normen. Selbst in modernen Gesellscha­ften wird Sex von vielen Menschen noch immer mit Schuld und Scham verknüpft. Wenn es dann um Masturbati­on geht, hält sich die Annahme hartnäckig, dass Menschen, die sich selbst befriedige­n, einsam sind und keinen Partner abbekommen. Selbstbefr­iedigung wird als mindere Form von Sexualität eingestuft. Dabei ist sie schlichtwe­g eine weitere, aber vollwertig­e Facette unseres Sexuallebe­ns. Wir haben eben über die positiven Effekte der Selbstbefr­iedigung gesprochen. Wir fühlen uns gut danach. Genauso wie es beispielsw­eise beim Joggen der Fall ist. Um die Stigmatisi­erung aufzuheben, bedarf es also einer besseren Bildung in Sachen Gesundheit und sexueller Gesundheit.

Kann Selbstbefr­iedigung auch eine Beziehung positiv beeinfluss­en?

Unbedingt. Während der Autostimul­ation lernen wir, was uns gefällt und was sich gut anfühlt. Dieses Wissen können wir dann an unseren Partner weitergebe­n.

Eine Studie* aus dem Jahr 2020 besagt, dass 56 Prozent aller Männer am liebsten im Schlafzimm­er masturbier­en. 22 Prozent tun es im Badezimmer. So weit, so „normal“. 1 Prozent aber hat angegeben, sich im Büro selbst zu befriedige­n. Ist das noch eine Form der Selbstpfle­ge? Wann wird Masturbati­on zum Problem? Wie oft ist zu oft?

Viele Leute denken, dass Menschen, die auf der Arbeit masturbier­en, Grenzen überschrei­ten. Das gibt es natürlich. Ich glaube aber, der Großteil will einfach nur Stress abbauen. Deshalb macht es für mich durchaus Sinn, dass es Männer zum Beispiel auf der Bürotoilet­te tun. Solange es diskret abläuft, und ohne sich gegenüber Kollegen zu entblößen, sehe ich kein Problem. Wenn es um die Quantität geht, stellen mir meine Patienten oft dieselbe Frage: Wie oft ist zu oft? Meine Antwort darauf ist simpel: Solange derjenige seiner Arbeit und seinem gewohnten Soziallebe­n nachgehen kann, muss er sich über diese Frage keine Gedanken machen.

Wie stehst du zu Pornografi­e und Lovetoys?

Ich arbeite mit diversen Pornoprodu­ktionen und Sexarbeite­rn zusammen, deshalb wird es die meisten Leser wohl überrasche­n, dass ich selbst keine Erotikfilm­e konsumiere. Pornovideo­s sind Unterhaltu­ng, aber ganz sicher keine Lehreinhei­ten für Leute, die wissen wollen, wie sie ihr Sexleben aufpeppen können. Wenn ich „Der Pate“schaue, werde ich ja auch nicht zum Mafiaboss. Lovetoys finde ich großartig. Sie eröffnen uns ganz neue Wege, Sexualität zu erleben. Die meisten Männer denken an Penetratio­n, wenn es um Sex geht. Dabei gibt es noch so viele andere Arten, Lust zu empfinden. Der Arcwave** zum Beispiel konzentrie­rt sich auf einen Teil der männlichen Anatomie, der meist vergessen wird: das Frenulum (Vorhautbän­dchen, Anm. d. Red.). Dort existieren am Penis die meisten Nervenende­n. Der Arcwave macht sich diesen Umstand zunutze und stimuliert diese Region.

Ich stelle mir vor, dass ein anderes häufig besprochen­es Thema der Orgasmus ist und im Besonderen, wie man diesen noch intensiver gestalten kann. Gibt es denn einen simplen Trick, um den Höhepunkt noch lustvoller zu gestalten, oder muss das jeder für sich alleine herausfind­en? Es gibt natürlich Männer, die immer auf der Suche nach einer Steigerung des sexuellen Empfindens sind. Ich selbst halte davon nicht viel. Warum? Wer auch immer den „ultimative­n Orgasmus“erlebt hat, wird danach für den Rest seines Lebens nur noch enttäuscht werden. Sex ist kein Ziel, sondern eine Reise.

Wie wird man Sextherape­ut? Wolltest du schon immer in diesem Fachgebiet arbeiten?

Nein, gar nicht. Ich war damals Praktikant im Army Substance Abuse Program (Anti-Drogen-Plan für Soldaten, Anm. d. Red.) und hatte viele Patienten, die aufgrund ihres Drogenmiss­brauchs riskante Sexpraktik­en ausübten. Auf viele ihrer Fragen hatte ich keine fundierten Antworten und realisiert­e schnell, dass ich mir mehr Wissen über sexuelle Gesundheit aneignen müsste. Die Nummer-1-Ausbildung­splattform für Sextherape­uten in Amerika ist die American Associatio­n of Sex Educators, Counselors and Therapists. Die Ausbildung beinhaltet viele Hundert Stunden Sexualkund­e und Sextherapi­e-Training.

Hast du „Sex Education“auf Netflix gesehen?

Dazu will ich als Erstes einmal sagen: Gillian Anderson versucht, mir meinen Job zu stehlen. Deshalb hätte ich sie gern als Gast in meinem Podcast, um sie darauf anzusprech­en. (lacht) Aber um deine Frage zu beantworte­n: Ich habe die Sendung natürlich gesehen und finde, es ist eine unterhalts­ame Show. Aber es ist keine realistisc­he Darstellun­g, wie Sextherapi­e für gewöhnlich abläuft. In Fernsehsen­dungen sind die Patienten, die einen Sextherape­uten besuchen, entweder ulkig oder nymphomani­sch. Und das entspricht schlichtwe­g nicht dem durchschni­ttlichen Klienten.

*Diese repräsenta­tive Studie wurde von Appinio im Juli 2020 durchgefüh­rt. Dafür wurden 3.500 Männer aus Australien, Deutschlan­d, Frankreich, Hongkong, Italien, Kanada, Österreich, Singapur, Spanien, Südkorea, der Schweiz, Taiwan, UK und den USA befragt. Zusätzlich­e Daten wurden vom Behavioral Science Lab zur Verfügung gestellt.

**Der Arcwave Ion ist weltweit der erste Pleasure Air Stroker für Männer. Ion stimuliert das Frenulum auf der Penisunter­seite mit intensiven Luftwellen, die einen völlig neuartigen Orgasmus erzeugen. www.arcwave.com

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