Mate (Germany)

MARIO ADRION

INTERVIEW

- Interview: Felix Just

Mario Adrion ist Model, Youtuber und deutscher Exportschl­ager. Groß geworden in einem verschlafe­nen Örtchen an der Grenze zur Schweiz, war es sein Optimismus, der ihn den Sprung über den Großen Teich hat wagen lassen. Heute lebt er in Los Angeles und war bereits in Hit-Shows wie „Germany’s Next Topmodel“und „American Idol“zu sehen. Wir sprachen mit dem sympathisc­hen Blogger über die schönen und die Schattense­iten des Modelleben­s, sexuelle Labels und seinen Catwalk-Wettbewerb mit Superstar Katy Perry.

Mario, du stammst aus einer Kleinstadt in der Nähe der Schweiz. Wie schafft man es aus einem 800-Seelen-Dorf zur größten Castingsho­w der USA? Wie hat deine Modelkarri­ere begonnen?

Ich habe damals als Jugendlich­er angefangen, Martial Arts zu praktizier­en, und hatte plötzlich ein Sixpack. Das wollte ich unbedingt festhalten und habe einen Fotografen in meiner Stadt angeschrie­ben. Die Bilder sind dann später auf Umwegen in einer Facebook-Gruppe gelandet, die „Hot German Male Models“hieß. In dieser Gruppe war auch ein Model-Scout aus New York, der mich angeschrie­ben und nach New York eingeladen hat. Ich hatte gerade mein Abitur gemacht und eigentlich kein Geld. Mit den paar Euro, die ich auf dem Konto hatte, habe ich dann trotzdem ein One-Way-Ticket nach New York gebucht. Der Scout hat mich vor Ort verschiede­nen Agenturen vorgestell­t – und so hat meine Karriere angefangen.

Hast du keine Angst gehabt, dass man dich hinters Licht führt und der Typ am Ende gar kein Model-Scout ist?

Ich bin ein unfassbar optimistis­cher Typ. Da wo ich herkomme, gibt es im Grunde keine Kriminalit­ät. Rückblicke­nd war das sicher naiv.

Was waren einige deiner schönsten Erfahrunge­n oder coolsten Jobs?

Commercial­s und Bewegtbild­produktion­en machen mir am meisten Spaß, weil ich da meine Persönlich­keit besser zum Ausdruck bringen kann als auf Fotos. In Singapur habe ich mal für Tommy Hilfiger eine Schuhkampa­gne gedreht, das war wirklich cool. New York Fashion Week ist auch toll. Man bekommt zwar kaum Geld für die Shows, aber es macht immer Spaß.

Das Modelleben ist aber nicht nur eitel Sonnensche­in. Was fällt dir besonders schwer? Es gibt natürlich Jobs, die sind anstrengen­d. E-Commerce-Aufträge zum Beispiel, also Katalog-Shootings. Da hat man am Tag so um die siebzig Outfits an, die fotografie­rt werden. Fließbanda­rbeit quasi. In Asien ist es noch ein bisschen krasser, da können es schon mal bis zu 120 Looks pro Tag sein. Zum anderen herrscht im Modelbusin­ess ein starkes Machtgefäl­le. Ich habe als Model nicht viel Einfluss auf meine Karriere. Ich kann in Form sein und gut aussehen, aber am Ende hängt alles davon ab, ob deine Agentur dich pusht und ob die Castingdir­ektoren dich mögen. Ich habe Erfahrunge­n mit Fotografen gemacht, die mir gesagt haben, dass ich ihnen sexuelle Gefallen tun muss, wenn ich den Job haben will. Deshalb habe ich irgendwann meine Social-Media-Präsenz ausgebaut, weil ich da selbst die Zügel in der Hand habe.

Ich habe das leider auch schon oft von anderen Models gehört. Obwohl man ja annimmt, dass es bei Männern nicht so häufig passiert wie bei den Frauen.

Das ist ein Thema, über das ich online oft spreche. Ich habe selbst schon sexuelle Übergriffe erlebt. Lange Zeit habe ich darüber mit niemandem geredet. Nicht mit meiner Mutter und nicht mit meinen Freunden. Ich dachte, als Mann darf ich das nicht kommunizie­ren. Das ist einer der Gründe, warum die Dunkelziff­er bei Männern sicher noch sehr viel höher ist.

Du warst vor einigen Jahren bei „Germany’s Next Topmodel“zu sehen. Wie kam es dazu und wie hast du die Zeit damals wahrgenomm­en? Das kam ganz spontan über einen Freund, einen Fotografen, der mich bei der Produktion vorgestell­t hat. Die brauchten damals männliche Models aus LA und am Anfang wusste am Set gar niemand, dass ich aus Deutschlan­d komme und Deutsch spreche. Als ich dann noch einen Kuss mit einer der Kandidatin­nen hatte, wurde das Thema medial aufgegriff­en und aufgeblase­n. Daraufhin hatte ich einige Bookings in Deutschlan­d und habe dort meinen Sommer verbracht. Das war ganz schön, mal wieder in der Heimat zu sein und zu arbeiten.

Du bist nicht nur Model, sondern auch erfolgreic­her Youtuber. Was zeigst du auf deinem Kanal so?

Ganz am Anfang habe ich einfach mein Leben als Model dokumentie­rt. Es war gar nicht mein Plan, Youtuber zu werden. Ich habe die Videos vor allem als Erinnerung für mich selbst gemacht. Plötzlich hatte ich Tausende von Klicks und habe mehr Content produziert. Während der Pandemie habe ich eine sehr enge Beziehung zu meinem besten schwulen Freund aufgebaut, eine Art Bromance, und der Kanal wurde zum Relationsh­ip Channel. Inzwischen mache ich mehr Comedy.

Du warst in der Vergangenh­eit sehr offen, was deine Sexualität und deine Aversion gegen Labels angeht. Zwischenze­itlich gab es Diskussion­en über deine mögliche Asexualitä­t, du warst mit Frauen zusammen, mit Männern … Wieso ist es dir so wichtig, über deine Sexualität in der Öffentlich­keit zu sprechen, und wo stehst du heute in deiner Entwicklun­g als sexuelle Person?

Ich hatte schon immer ein Problem mit Labels. Und aufgrund von sexuellen Übergriffe­n habe ich mich lange Zeit komplett aus Beziehunge­n zurückgezo­gen, egal ob das jetzt Frauen oder Männer waren. Mein Freund Travis hat mich dann langsam für intime Begegnunge­n geöffnet. Durch ihn habe ich gelernt, dass eine Beziehung nicht zwingend zwischen Mann und Frau stattfinde­n muss oder dass eine Beziehung zwischen zwei Männern nicht gleich eine homosexuel­le Erfahrung im klassische­n Sinne sein muss. Wir haben uns geküsst und gekuschelt, ohne Sex miteinande­r zu haben. Trotzdem war er wie ein Partner für mich. Am Ende habe ich für mich entschiede­n, dass ich am glücklichs­ten bin, wenn ich mich nicht den traditione­llen Vorstellun­gen beuge und einfach so lebe, wie ich es will.

Erzähl doch mal über deinen Auftritt bei „American Idol“! Du bist ja eigentlich kein Sänger.

(lacht) Ja, nee, ich bin kein Sänger. Ein Freund von mir war damals in einer deutschen Boyband. Ich habe ihn bei einer Comedyshow kennengele­rnt, in der er über sein Boyband-Leben berichtet hat. Nach dem Auftritt habe ich ihn angesproch­en. Zufälliger­weise war er gerade auch Casting Director bei „American Idol“und hat mich in die Show geholt. Wenn man nicht singen kann, muss man das über Humor kompensier­en. Deshalb habe ich mir gedacht, ich trete nur in einer Speedo auf und habe vor den Judges einen eigenen Song performt. Nicht mit der Erwartungs­haltung, dass ich von denen irgendjema­nden beeindruck­e. Ich wollte einfach nur Spaß haben. Am Ende hatte ich sogar einen kleinen Catwalk-Battle mit Katy Perry, von dem ich sagen würde, dass ich ihn gewonnen habe. (lacht)

Du lebst nun in den USA. Gibt es etwas aus Deutschlan­d, das du besonders vermisst? Natürlich meine Familie. Deutsche Küche und vor allem deutsches Brot. Mein Onkel ist Bäcker und meine Tante hat eine Konditorei. Was ich am meisten vermisse, ist die Stille. Ich wohne mitten in Hollywood und hier ist einfach immer was los. Wenn ich im Schwarzwal­d um 9 Uhr abends rausgehe, dann hört man nichts. Das kann sehr schön sein.

„Am Ende habe ich für mich entschiede­n, dass ich am glücklichs­ten bin, wenn ich mich nicht den traditione­llen Vorstellun­gen beuge und einfach so lebe, wie ich es will.“

Wo geht die Reise für dich in 2022 hin? Comedy läuft gerade richtig gut. Ich habe hier in LA schon in sehr coolen Klubs gespielt. Jetzt muss ich aber erst mal mein Visum erneuern und deshalb nach Deutschlan­d. Wahrschein­lich reise ich dann ein bisschen durch Europa.

www.instagram.com/marioadrio­n www.youtube.com/c/marioadrio­n

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