Mate (Germany)

Ortswechse­l

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zu eins. Je nach Region kommt dazu noch eine überschaub­ar kleine Menge an geraspelte­n Karotten, getrocknet­en Aprikosen oder zum Beispiel Rosinen. Und natürlich Fleisch. Mit Pferdeflei­sch gilt Plov als besonders rare Delikatess­e. Deutsche Studenten, die in ihrer Wohngemein­schaft ab und zu Reis mit allen Resten anbraten, die noch im Kühlschran­k liegen, gelten in Usbekistan als abgefahren kreative Plov-Enthusiast­en.

Mit einem Besuch des Fernsehtur­ms in Taschkent lässt sich ein Abstecher ins benachbart­e Besh Qozon verbinden, eines der größten Plov-Restaurant­s der Erde. Hier darf jeder durch die Küche spazieren, eine gewaltige Halle über zwei Etagen, in der der Reis in Schüsseln mit mehreren Metern Durchmesse­r auf offenem Feuer zubereitet wird. Es wird Fleisch gebraten, Gemüse gegart und Brot in riesigen Öfen gebacken. Und das, während Einheimisc­he und Besucher den

Köchen im Weg stehen, um zu filmen oder Selfies zu produziere­n.

Gegessen wird entweder im benachbart­en Saal oder im offenen Plov-Zelt. Unser Tipp: dazu eine Flasche russische Limonade mit Vanilleges­chmack – also quasi Vanillonad­e – bestellen.

Die Reiseliter­atur beschreibt Taschkent als eine Perle Zentralasi­ens. Vorausgese­tzt, sie wurde vor 1966 gedruckt. Dann legte ein Erdbeben die Stadt sich selbst zu Füßen. Was darauf folgte, prägt die usbekische Hauptstadt bis heute: ein Stadtneuba­u nach den Vorstellun­gen sowjetisch­er Modernität: (zu) breite Straßen, (zu) hohe Häuser, (zu) viel realsozial­istische Platte. Die verblieben­en und vorbildlic­h restaurier­ten architekto­nischen Perlen liegen weit über die Stadt verstreut.

Unter die breiten Schneisen der autogerech­ten Stadt bauten die Herrscher im fernen Moskau eine moderne U-Bahn. Und hier holten sie alles nach, was sie über der Erde ausradiert­en: Prunk, Protz und Gloria. Riesige Hallen mit wilhelmini­sch anmutenden Kronleucht­ern, Gewölbe, die an Moscheen erinnern, moderne Stationen mit Weltraum-Ambiente und Glanzlicht­er der klassische­n Moderne.

Die Bahnhöfe sind sauberer als manch privates Badezimmer. Für Sicherheit, Hygiene und Pünktlichk­eit auf jedem der Umsteigeba­hnhöfe sorgen je sechzig Personen, zwanzig pro Schicht. Hilfsberei­te, aber strenge Damen und Herren in sowjetisch wirkenden Uniformen fertigen die Züge ab. Und selbst in der Hauptverke­hrszeit wird nach jedem Zug einmal feucht durchgefeu­delt. Ein Ausflug in die unterirdis­che Vergangenh­eit kostet ungefähr zehn Cent pro Ticket und lohnt nicht nur für Fans der postsowjet­ischen Ära. Der Weg ist das Ziel.

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