Mecklenburger Schweiz (Malchin)
Dortmund träumt vom Wunder gegen die „Finalmaschine“
Borussia Dortmund kehrt auf seiner wundersamen Reise nach Wembley zurück und beschwört nun seine Chance gegen den großen Favoriten Real Madrid.
PARIS – Sebastian Kehl saß nach der wilden Party-Nacht von Paris und der umjubelten Rückkehr „in Ruhe zu Hause“auf dem Sofa und war ein klein wenig enttäuscht. Nur zu gerne, gestand er nach dem dramatischen Scheitern des FC Bayern bei Real Madrid, hätte er „die Chance zur Revanche“für die Niederlage im „German Endspiel“von 2013 genutzt vor elf Jahren hatte der Sportdirektor
von Borussia Dortmund noch selbst auf dem Platz gestanden.
Nun also Madrid statt München, und die Rollen sind klar verteilt. „Real ist eine richtige Finalmaschine, deswegen gehen sie als Favorit ins Finale“, sagte Kehl. Doch weil die wundersame Reise der Dortmunder sie nun mal ins Finale von Wembley am 1. Juni geführt hat, halten sie auch nichts mehr für ausgeschlossen. „Warum sollte uns nicht das Wunder gelingen? Ich glaube, dass wir genug Waffen haben“, betonte Kehl.
Ihren Schwur für Wembley haben die überglücklichen Himmelsstürmer um den zweimaligen „Matswinner“
Mats Hummels bereits abgelegt. „Jetzt müssen wir das Ding auch holen! Sonst wäre es echt scheiße“, sagte der tief berührte Marco Reus mit Blick auf seine allerletzten Mission für den BVB. Beim Endspielgegner haben die Favoritenkiller jedenfalls Eindruck hinterlassen: „Dortmund steht zu Recht im Finale“, betonte Nationalspieler Antonio Rüdiger.
Wer diesen erratisch-begeisternden BVB, der in der Bundesliga am Samstag zum FSV Mainz (18.30 Uhr) muss, vom ersten Spieltag an durch die Bundesliga-Saison begleitet hat, für den ist der Einzug ins Champions-League-Finale freilich so etwas wie das achte Weltwunder. Borussia
Dortmund in Wembley? Wie in aller Welt ist das möglich? Kapitän Emre Can sprach aus, was viele Spieler in ihren „Yellow Wonderwall“-Shirts loswerden wollten: „Jetzt dürfen die Kritiker auch mal die Schnauze halten.“
In den kommenden dreieinhalb Wochen muss der BVB die Spannung für ein hochexplosives Finale halten. Die große Hoffnung ist, dass auch dort „das Glück den Mutigen hilft“, wie die italienische Zeitung La Repubblica in ihrer Eloge schrieb: „Borussia Dortmund, eine der leidenschaftlichsten Mannschaften des Universums, die allein deswegen alle Geschenke aus dem Himmel verdient.“Amen.
MADRID – Nach dem Drama in der Hölle von Bernabeu herrschte beim FC Bayern die große Leere. Kein deutsches Traumfinale in Wembley, kein Titel, noch immer kein Trainer für die neue Saison. Stattdessen klammerte sich die Trauergemeinde um den untröstlichen Pechvogel Manuel Neuer im Madrider Gourmet-Restaurant Platea an die vage Hoffnung auf das nächste „Finale dahoam“2025. „Das ist jetzt unser großes Ziel!“, rief Vorstandschef Jan-Christian Dreesen über die Köpfe von Thomas Tuchel und Uli Hoeneß am Tisch der Bosse hinweg.
Doch der Applaus geriet allzu kraftlos. Zu groß war an diesem „schweren Tag“(Dreesen) mit dem HalbfinalAus in der Champions League bei Real Madrid (1:2) die Wut auf Schiedsrichter Szymon Marciniak, zu groß der Ärger über den seltenen Patzer von Neuer, der nach der Führung durch Alphonso Davies (68.) das brutale, späte Aus durch die Treffer von Joselu (88. und 90.+2) eingeleitet hatte. Während der traurige Kapitän in einem Teller Reis stocherte, beschwor Dreesen bei Seehecht und zweierlei Paella das Klubmotto.
Die Bayern waren sauer auf den Schiedsrichter
Und diesmal? Bei gedämpfter Lounge-Musik war in dieser schwarzen Nacht ein paar hundert Meter entfernt vom berühmten Cibeles-Brunnen, an dem Real traditionell seine Triumphe feiert, noch nicht einmal klar, wer diese Bayern ab Sommer anleiten soll. Ebenso wenig, wie die Mannschaft genau aussehen wird.
Anführen soll sie ein letztes Mal Neuer - daran wird auch dessen Kahn-Moment nichts ändern. „Ich fühle mich schlecht“, sagte er mit Grabesstimme über seinen Fehler, der ihm „in 100 Jahren nicht noch mal passiert“, wie Tuchel zerknirscht feststellte.
Trost fand Neuer nicht, wie allen anderen blieb ihm eine Mischung aus Trauer und Groll - auf den Unparteiischen. Als „absolutes Desaster“bezeichnete Tuchel Marciniaks Pfiff „gegen alle Regeln des Fußballs“mitten hinein in eine Aktion, die zum vermeintlichen 2:2 durch Matthijs de Ligt geführt hatte. „Aberwitzig“, fand es Müller. Für die Entschuldigung des Polen, ätzte Sportvorstand Max Eberl „stocksauer“, könne sich der FC Bayern „einen Scheißdreck kaufen“.