Mecklenburger Schweiz (Malchin)

Dortmund träumt vom Wunder gegen die „Finalmasch­ine“

- Von Micaela Taroni

Borussia Dortmund kehrt auf seiner wundersame­n Reise nach Wembley zurück und beschwört nun seine Chance gegen den großen Favoriten Real Madrid.

PARIS – Sebastian Kehl saß nach der wilden Party-Nacht von Paris und der umjubelten Rückkehr „in Ruhe zu Hause“auf dem Sofa und war ein klein wenig enttäuscht. Nur zu gerne, gestand er nach dem dramatisch­en Scheitern des FC Bayern bei Real Madrid, hätte er „die Chance zur Revanche“für die Niederlage im „German Endspiel“von 2013 genutzt vor elf Jahren hatte der Sportdirek­tor

von Borussia Dortmund noch selbst auf dem Platz gestanden.

Nun also Madrid statt München, und die Rollen sind klar verteilt. „Real ist eine richtige Finalmasch­ine, deswegen gehen sie als Favorit ins Finale“, sagte Kehl. Doch weil die wundersame Reise der Dortmunder sie nun mal ins Finale von Wembley am 1. Juni geführt hat, halten sie auch nichts mehr für ausgeschlo­ssen. „Warum sollte uns nicht das Wunder gelingen? Ich glaube, dass wir genug Waffen haben“, betonte Kehl.

Ihren Schwur für Wembley haben die überglückl­ichen Himmelsstü­rmer um den zweimalige­n „Matswinner“

Mats Hummels bereits abgelegt. „Jetzt müssen wir das Ding auch holen! Sonst wäre es echt scheiße“, sagte der tief berührte Marco Reus mit Blick auf seine allerletzt­en Mission für den BVB. Beim Endspielge­gner haben die Favoritenk­iller jedenfalls Eindruck hinterlass­en: „Dortmund steht zu Recht im Finale“, betonte Nationalsp­ieler Antonio Rüdiger.

Wer diesen erratisch-begeistern­den BVB, der in der Bundesliga am Samstag zum FSV Mainz (18.30 Uhr) muss, vom ersten Spieltag an durch die Bundesliga-Saison begleitet hat, für den ist der Einzug ins Champions-League-Finale freilich so etwas wie das achte Weltwunder. Borussia

Dortmund in Wembley? Wie in aller Welt ist das möglich? Kapitän Emre Can sprach aus, was viele Spieler in ihren „Yellow Wonderwall“-Shirts loswerden wollten: „Jetzt dürfen die Kritiker auch mal die Schnauze halten.“

In den kommenden dreieinhal­b Wochen muss der BVB die Spannung für ein hochexplos­ives Finale halten. Die große Hoffnung ist, dass auch dort „das Glück den Mutigen hilft“, wie die italienisc­he Zeitung La Repubblica in ihrer Eloge schrieb: „Borussia Dortmund, eine der leidenscha­ftlichsten Mannschaft­en des Universums, die allein deswegen alle Geschenke aus dem Himmel verdient.“Amen.

MADRID – Nach dem Drama in der Hölle von Bernabeu herrschte beim FC Bayern die große Leere. Kein deutsches Traumfinal­e in Wembley, kein Titel, noch immer kein Trainer für die neue Saison. Stattdesse­n klammerte sich die Trauergeme­inde um den untröstlic­hen Pechvogel Manuel Neuer im Madrider Gourmet-Restaurant Platea an die vage Hoffnung auf das nächste „Finale dahoam“2025. „Das ist jetzt unser großes Ziel!“, rief Vorstandsc­hef Jan-Christian Dreesen über die Köpfe von Thomas Tuchel und Uli Hoeneß am Tisch der Bosse hinweg.

Doch der Applaus geriet allzu kraftlos. Zu groß war an diesem „schweren Tag“(Dreesen) mit dem HalbfinalA­us in der Champions League bei Real Madrid (1:2) die Wut auf Schiedsric­hter Szymon Marciniak, zu groß der Ärger über den seltenen Patzer von Neuer, der nach der Führung durch Alphonso Davies (68.) das brutale, späte Aus durch die Treffer von Joselu (88. und 90.+2) eingeleite­t hatte. Während der traurige Kapitän in einem Teller Reis stocherte, beschwor Dreesen bei Seehecht und zweierlei Paella das Klubmotto.

Die Bayern waren sauer auf den Schiedsric­hter

Und diesmal? Bei gedämpfter Lounge-Musik war in dieser schwarzen Nacht ein paar hundert Meter entfernt vom berühmten Cibeles-Brunnen, an dem Real traditione­ll seine Triumphe feiert, noch nicht einmal klar, wer diese Bayern ab Sommer anleiten soll. Ebenso wenig, wie die Mannschaft genau aussehen wird.

Anführen soll sie ein letztes Mal Neuer - daran wird auch dessen Kahn-Moment nichts ändern. „Ich fühle mich schlecht“, sagte er mit Grabesstim­me über seinen Fehler, der ihm „in 100 Jahren nicht noch mal passiert“, wie Tuchel zerknirsch­t feststellt­e.

Trost fand Neuer nicht, wie allen anderen blieb ihm eine Mischung aus Trauer und Groll - auf den Unparteiis­chen. Als „absolutes Desaster“bezeichnet­e Tuchel Marciniaks Pfiff „gegen alle Regeln des Fußballs“mitten hinein in eine Aktion, die zum vermeintli­chen 2:2 durch Matthijs de Ligt geführt hatte. „Aberwitzig“, fand es Müller. Für die Entschuldi­gung des Polen, ätzte Sportvorst­and Max Eberl „stocksauer“, könne sich der FC Bayern „einen Scheißdrec­k kaufen“.

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