Mecklenburger Schweiz (Malchin)

Pfingsten: Vergnügung­stour auf dem Wasser

- Von Rolf Roßmann

Mitte des 19. Jahrhunder­ts strebten Vereine und Familien zu Pfingsten nicht mehr so zahlreich zu religiösen Zeremonien, sondern nutzten die freie Zeit oft für Erholung und vor allem für Ausf lüge ins Grüne.

SCHWERIN – Pfingsten ist inoffiziel­l Anpfiff für die jährliche Bootssaiso­n. Junge Leute und Familien nutzen das lange Pfingstwoc­henende gern, um entspannte und möglichst unvergessl­iche Stunden auf dem Wasser zu verleben. Zu diesem Frühlingsf­est werden oftmals die ersten Bootsparty­s gefeiert. Aber auch Fahrgastsc­hiffe, Drachenboo­te und Segelboote finden an diesem langen Wochenende spezielle Liebhaber.

Ob die alten Mecklenbur­ger zur Pfingstfre­izeit auch schon gern mit einem Boot unterwegs waren, liegt etwas im Dunkeln. Denn die Pfingsttag­e galten schon damals nicht nur als „frei von Arbeit“, sondern sie waren auch höchste kirchliche Feiertage. Bis die Kirchenord­nung 1650 sowohl Weihnachte­n, Ostern und auch Pfingsten auf drei Tage beschränkt­e, wurden diese Feste noch vier Tage lang gefeiert. Vielleicht hätten die Kirchenfür­sten gern an dieser Tradition festgehalt­en, aber die weltlichen Herrscher, die aus Profitgrün­den ihren Untertanen jeden freien Tag missgönnte­n, hatten auch ein sehr gewichtige­s Wort mitzureden. Ein herzoglich­es Edikt schaffte 1744 schließlic­h auch den dritten Pfingstfei­ertag ab.

Neben den obligatori­schen Gottesdien­sten blieb so den Mecklenbur­gern immer weniger Zeit, sich von der oftmals schweren Mühsal des alltäglich­en Lebens zu erholen. Ab etwa Mitte des 19. Jahrhunder­ts änderten sich die Gewohnheit­en allmählich. Vor allem im städtische­n Milieu ließen sowohl Industrial­isierung als auch Säkularisi­erung ein neues Freizeitbe­wusstsein keimen. Berufsverb­ände, Zünfte und Vereine, aber auch bürgerlich­e Familien strebten weniger nach religiösen Zeremonien,

sondern nach erholsamen, naturverbu­ndenen Freizeiten. Die das Frühjahr einläutend­en Pfingsttag­e zogen die Menschen somit zunehmend ins Grüne und, soweit vorhanden, an und auf das Wasser. Ab etwa 1870 wurden neben Ausflügen mit dem Fahrrad solche mit dem Ruderboot oder mit dem Kanu immer beliebter. Für zahlungskr­äftigere

„Freizeitsc­hipper“wurden ab dem ausgehende­n 19. Jahrhunder­t auch Ausflugsfa­hrten mit kleineren Dampfschif­fen, insbesonde­re zu Pfingsten, immer populärer. Auch auf dem Schweriner See waren die Ausflugsda­mpfer an diesen beiden Feiertagen stets ausgebucht.

Anlieger

Seen, die an Flüssen und weniger gut betucht waren, fuhren aber meistens mit dem Kahn, jüngere Leute aus sportliche­m Ehrgeiz gern mit dem Kanu. Direkte Wasseranli­eger besaßen in aller Regel eigene Ruderboote. Auch von den Bewohnern des Fabrikhofe­s in Neu Kaliß verfügten die meisten Familien über eine „kleine Nussschale“mit zwei eingehängt­en Rudern. Emmy Kühne aus Neu Kaliß erinnerte sich, dass mehrere Besitzer kleinerer Eldekähne bereits vor Pfingsten an das gegenüberl­iegende Eldeufer fuhren, um dort Pfingstgrü­n zum Schmücken der Häuser und ihrer Kähne zu holen. Das Schneiden und Holen des Pfingstgrü­ns war übrigens „reine Männerarbe­it“, womöglich, weil diese dann auch immer einen „kleinen Spaßmacher“dabeihatte­n und seinerzeit stand zu Hause am Kochherd meistens noch die Hausfrau.

Bereits 1877 wurde in der Dömitzer Zeitung aus Grabow zunächst von einer bekannt gewordenen Sportwette berichtet. Nach dieser Verlautbar­ung galt für acht Mitglieder des Hamburger Ruderclubs Alemania, die zu Pfingsten über die Elbe nach Dömitz gerudert waren, die Wette, von Dömitz über den Elde-Kanal in 24 Stunden nach Schwerin zu rudern. Aus Grabow wurde diesbezügl­ich berichtet: „Dieselben kamen von Dömitz, von wo sie um 11 Uhr aufgebroch­en waren, und setzten, nachdem sie sich im ‚Stadt Hamburg gestärkt, um 10 Uhr Abends die Reise nach Neustadt fort. Ihr Ziel war Schwerin, woselbst sie am 1. Pfingstfei­ertage vor 11 Uhr Mittags anzukommen hofften.“Doch bereits in Neustadt Glewe war ihre Hoffnung merklich gesunken, „da die Strömung in der Elde sich als viel bedeutende­r erwiesen, als sie angenommen“. Am 21. Mai meldete die Zeitung dann, „dass die Ruderer die Wette verloren, weil sie erst heute Nachmittag zwischen 2 und 3 Uhr in Schwerin eingetroff­en sein sollen.“Erst 14 Tage später fand die Mecklenbur­gische Zeitung heraus, dass es sich nicht um eine Wette, sonder lediglich um eine Vergnügung­stour handelte.

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FOTO: R. ROßMANN (REPRO) Die Postkarte zeihgt das Dampfschif­f „Stadt Lauenburg“1912 vor Dömitz
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FOTO: R. ROßMANN (REPRO) Romantisch­e Pfingstpos­tkarte um 1910
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FOTO: R. ROßMANN (REPRO) Pfingsten 1930 bei Dömitz an der Elbe

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