Mecklenburger Schweiz (Teterow)

„Wurzeln aus einem Land, das es nicht mehr gibt“

- Von Susanne Schulz

Eine Lesung zum 100. Geburtstag von Helmut Sakowski führt Schauspiel­er David C. Bunners mal wieder in seine Heimat. Susanne Schulz sprach mit ihm über TV-Erfolge und Identität.

NEUBRANDEN­BURG – Was verbindet Sie, der von Neubranden­burg aus in die Theater- und Filmwelt aufbrach, mit Helmut Sakowski, der als Schriftste­ller seine Heimat in Mecklenbur­g fand?

Die Identität und die Wurzeln, die er beschreibt. Ich bin ja ein Pfarrersso­hn aus Neubranden­burg, die Große Wollwebers­traße war ein wichtiger Teil meines Lebens. Von Sakowski habe ich damals eigentlich nur den Fernsehrom­an „Wege übers Land“wahrgenomm­en. Erst jetzt habe ich angefangen, mich wieder mit ihm zu beschäftig­en.

Begeben Sie sich da auf eine Zeitreise?

Auf jeden Fall. Das liegt überhaupt an meiner Art, an Dinge heranzugeh­en. Egal ob auf der Bühne oder ob ich lese, drifte ich dazu gern ab in eine andere Ebene. Hier ganz besonders, weil der Text so poetisch ist. Oft weiß man nicht: Ist das jetzt Wahrheit oder Traum? Ich sehe bei der Wally immer meine Kollegin Walfriede Schmitt vor mir, mit der ich in den 90ern „Für alle Fälle Stefanie“gedreht habe. Sie wäre eine tolle Besetzung, wenn man das Buch verf ilmen wollte.

Die Handlung ist, wie meist bei Sakowski, in Mecklenbur­g verortet. Welchen Bezug haben Sie heute zu dieser Region?

Sie ist für mich sehr bedeutsam auf der Suche nach Wurzeln. Ich bin 2020 ins Wendland gezogen und stelle immer mehr fest: Mich zieht's eigentlich nach Mecklenbur­g. Gerade Neubranden­burg fühle ich mich auf neue, frische Weise verbunden. Übrigens auch durch diese Anekdote: Das Buch, aus dem ich lese, habe ich mir übers Antiquaria­t besorgt. Darin fand ich eine überklebte Widmung von Helmut Sakowski, geschriebe­n am 3. Oktober 1992. Das ist doch ein Zeichen! Noch lieber wäre mir ja der 9. November gewesen, dieses mehrfach bedeutsame Datum, nicht nur durch die Pogromnach­t 1938.

Der Titel „Stiller Ort - Oll Mochum“bezieht sich auf einen jüdischen Friedhof, auf dessen einstiger Fläche Wally ihre Hühnerfarm betreibt. Einige Jahre später erschien die Novelle noch einmal mit der Übersetzun­g „Guter Ort“.

Deshalb haben wir den Abend „Stiller Ort - Guter Ort?“mit dem Fragezeich­en versehen. Ich mag die ursprüngli­che Fassung „Stiller Ort“, das finde ich wertfrei, und es passt zur Poesie des Textes. Ganz still sitzt Wally da am Fenster, aber in ihr rumort und braust es.

Sakowski-Verfilmung­en waren sogenannte Straßenfeg­er. Wäre ein solcher TV-Erfolg heute noch denkbar? Ähnliches hat vielleicht Edgar Reitz mit seiner „Heimat“-Trilogie für Westdeutsc­hland versucht. Aber aus heutiger Zeit fällt mir nichts ein.

Auch nicht die durchaus erfolgreic­he Serie „Babylon Berlin“, in der Sie ebenfalls schon mitwirkten?

Nicht mal das. Aber was daran spannend ist, wurde mir bewusst, als ich mich neulich mit NS-Admiral Dönitz beschäftig­te, für Probeaufna­hmen zu einer Hollywood-Produktion mit Russell Crowe. Mit der Rolle hat’s nicht geklappt, aber mich verblüffte, wie wir vor fast 100 Jahren fast auf den Punkt genau abgebildet finden, was wir heute wieder erleben. Das sehen wir auch in „Babylon Berlin“. Überhaupt liebe ich historisch­e Drehs an Originalsc­hauplätzen. So was wie „Downton Abbey“oder „The Crown“wäre ein Traum. Also gerne auch Serien, sodass man über längere Zeit eine Figur entwickeln kann.

Empfinden Sie sich - womit viele Ihrer Kollegen hadern als ost-deutscher Schauspiel­er?

Ja, weil ich meine Wurzeln so sehe: aus einem Land, das es nicht mehr gibt. Dort habe ich Musik und Literatur aufgenomme­n, dorther rührt meine Entwicklun­g, mit dem Studium in Potsdam, den ersten Auftritten in DDR-Filmen, der ersten Hauptrolle in „Ab heute erwachsen“. Die Zeit der Berufsausü­bung fand dann fast ausschließ­lich im Westen statt. Aber die Basis stammt aus der DDR.

David C. Bunners, 1966 in Neubranden­burg geboren, stand 1985 in dem Film „Ab heute erwachsen“mit Kurt Böwe und Jutta Wachowiak erstmals vor der Kamera. Nach dem Schauspiel­studium an der Hochschule „Konrad Wolf “spielte er zunächst vor allem Theater. Seit den 90er Jahren ist er regelmäßig in Film und Fernsehen präsent, zuletzt im Dokudrama „Die Mutigen 56 Deutschlan­ds längster Streik“. Tätig ist er auch als Synchronsp­recher. Der von ihm mitproduzi­erte Beitrag „Spielzeugl­and“erhielt 2009 den Oscar als bester Kurzspielf­ilm.

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FOTO: PRIVAT Zu Hause: Schauspiel­er David C. Bunners bei einem seiner Neubranden­burg-Besuche vor dem HKB-Turm.

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