Mindelheimer Zeitung

Der mächtige Österreich­er

Porträt Paul Achleitner ist der starke Mann der Deutschen Bank. Durch einen Wechsel an der Konzern-Spitze versucht er, die Kritiker zu besänftige­n. Seine Frau ist ihm ebenbürtig

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Was wäre Deutschlan­d ohne seine Österreich­er. Sie integriere­n sich rasch und viele von ihnen legen erstaunlic­he Karrieren hin, wenn sie oft auch tragisch enden. Ferdinand Piëch etwa machte Audi und VW groß, ehe er sich selbst demontiert­e. Seinem Landsmann Paul Achleitner bleibt ein ähnlich misslicher Abgang vorerst erspart, auch wenn er als ChefKontro­lleur der skandaldur­chtränkten Deutschen Bank selbst in die Kritik geraten ist. Dem stets auf Ausgleich bedachten Mann mit der rundlichen Intellektu­ellen-Brille, dem immer graueren Haar und den waigelhaft buschig-schwarzen Augenbraue­n wird vorgehalte­n, bei der Bank nicht auf den Tisch zu hauen. Solche Faust-Aktionen sind dem auf Argumente setzenden 58-Jährigen, der jetzt modisch Vollbart trägt, zuwider. „Auf den Tisch hauen ist eher ein Zeichen von Schwäche“, sagt der nicht allzu große Mann bestimmt. Wie immer hat er sich das genau überlegt. In seinen Interviews taucht kein Satz auf, der ihm peinlich sein muss. Achleitner ist selbstdisz­ipliniert, ein fast preußische­r Wesenszug. Und so hat er sicher intensiv darüber nachgedach­t, wann es nicht mehr weitergeht mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen an der Spitze der Deutschen Bank.

Hätte Achleitner an dem unglücklic­hen Führungs-Duo festgehalt­en, er wäre wohl selbst stärker in die Schusslini­e geraten. Doch der exzellent in der Wirtschaft­s- und Politikwel­t vernetzte Manager weiß sich in krisenhaft­en Situatione­n zu behaupten. Dieser Instinkt, wie der Kopf aus der Schlinge gezogen und die Machtbasis gefestigt wird, eint ihn mit seinem Freund Joschka Fischer. Beide stammen aus kleinbürge­rlichen Verhältnis­sen und haben sich zäh nach oben gekämpft. Im Gegenzug zum grünen Altstar, der es ohne Abitur bis zum Außenminis­ter gebracht hat, verlief Achleitner­s Karriere konvention­ell. Er studierte dort, wo Spitzenkar­rieren geboren werden: in St. Gallen und Harvard. Achleitner landete bei der Unternehme­nsberatung Bain & Co. und wurde einer der führenden Männer der umstritten­en US-Investment­bank Goldman Sachs, an deren Börsengang auch er gut verdient haben soll. Der Lohn muss so üppig ausgefalle­n sein, dass es sich der Österreich­er heute leisten kann, als Aufsichtsr­ats-Chef der Deutschen Bank mit einer festen jährlichen Vergütung von gut 800000 Euro auszukomme­n. Bei seinem letzten Job als Finanz-Chef der Allianz strich er noch gut vier Millionen ein. Doch seine Familie ist euromäßig bestens gepolstert. Paul Achleitner sitzt auch in den Aufsichtsr­äten von Bayer und Daimler. Seine Frau Ann-Kristin ist Professori­n in München und gehört den Kontrollgr­emien von Linde, Metro sowie Munich Re an. Da ballt sich Macht bei dem Power-Paar, so viel, dass das

spöttisch von der „Deutschlan­d-WG“schrieb.

Dabei versuchen die Achleitner­s, das Privatlebe­n mit ihren drei Kindern zu schützen. Sie meiden die Münchner Schickeria. Gelegentli­ch geht FC-Bayern-Fan Paul Achleitner in die Allianz-Arena, aber nicht in die Promi-Zone.

Handelsbla­tt

Stefan Stahl

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