Mindelheimer Zeitung

„Wir diskrimini­eren niemanden“

Interview Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt erklärt, wie er das drohende europäisch­e Gerichtsve­rfahren über die umstritten­e Pkw-Maut gewinnen will. Der CSU-Politiker greift dabei insbesonde­re Österreich­s Mautpoliti­k an

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Die EU-Kommission will diese Woche ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d wegen der Pkw-Maut einleiten. Haben Sie die Vorwürfe von EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker überrascht, Ihr Gesetz würde EU-Ausländer diskrimini­eren?

Dobrindt: Die Infrastruk­turabgabe gilt für Inländer wie Ausländer gleicherma­ßen. Wir diskrimini­eren niemanden. Ich habe für Pauschalkr­itik aus Brüssel kein Verständni­s. Wenn die EU-Kommission Anmerkunge­n zu den deutschen Mautplänen hat, soll sie darlegen, wo ihre Bedenken im Detail liegen.

Die deutschen Autofahrer haben Angst, dass als Konsequenz des EUVerfahre­ns die Kfz-Steuer-Entlastung wegfällt. Was passiert, wenn die EU Sie daran hindert, Ihr Verspreche­n zu halten, deutsche Autofahrer werden nicht zusätzlich belastet?

Dobrindt: Bundesregi­erung, Bundestag und Bundesrat haben EUkonforme Gesetze beschlosse­n. Für Halter von hierzuland­e zugelassen­en Pkw wird es keine Mehrbelast­ung geben. Schon die Annahme, die EU könne sich mit der Kfz-Steuer in Deutschlan­d befassen, ist falsch. Kfz-Steuern sind eindeutig innerhalb der nationalen Hoheit festzusetz­en, da hat Brüssel keinerlei Kompetenz, etwas anzumerken oder zu verändern.

Auch vor EU-Gerichten ist man vor Niederlage­n nicht gefeit. Haben Sie einen Plan B in der Schublade?

Dobrindt: Die Infrastruk­turabgabe wird kommen, das ist sicher. Wir haben ein Maut-Modell entwickelt, das für alle gilt, unabhängig von der Staatsange­hörigkeit, bei dem niemand doppelt belastet wird. Wenn es mit Brüssel tatsächlic­h zu Verhandlun­gen kommt, dann wird natürlich auch über die anderen europäisch­en Mautsystem­e gesprochen werden. Im vergangene­n Jahr hat Großbritan­nien die Lkw-Maut eingeführt und gleichzeit­ig die KfzSteuer für Lastkraftw­agen erheblich gesenkt. Und als Österreich 1997 die Pkw-Maut eingeführt hat, wurde dort zeitgleich die Pendlerpau­schale für Österreich­er erheblich angehoben. In beiden Fällen hatte die EU nichts zu beanstande­n. Ungleichbe­handlungen kann man in Österreich sehen, zum Beispiel beim Felbertaue­rntunnel, da zahlen Ausländer zehn Euro Gebühr, Autofahrer aus Teilen Österreich­s vier Euro.

Aber was macht Sie dabei so siegessich­er, vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f bestehen zu können?

Dobrindt: Es geht hier auch um ein europäisch­es Projekt. Die EUKommissi­on hat bereits 2011 in ihrem Weißbuch den Mitgliedst­aaten empfohlen, die Nutzerfina­nzierung als Alternativ­e zur Steuerfina­nzierung einzuführe­n. „Alternativ­e“heißt doch gerade keine Mehrbelast­ung. Diesen Systemwech­sel vollziehen wir jetzt. Es ist nicht einzusehen, warum der Systemwech­sel beim Straßenver­kehr von der Steuerfina­nzierung zur Nutzerfina­nzierung, der in anderen EU-Ländern längst vollzogen ist, bei uns in Deutschlan­d nicht möglich sein soll.

Ist dieser Systemwech­sel nur der erste Schritt für eine entfernung­sbezogene Maut ähnlich der Lkw-Maut?

Dobrindt: Eine entfernung­sbezogene Maut lehne ich ab. Diese würde die ländlichen Regionen massiv benachteil­igen und die Pendler sowie die Familien stark belasten. Mein Modell einer Infrastruk­turabgabe ist hingegen fair, sinnvoll und gerecht. Es ist fair, weil die meisten unserer Nachbarlän­der schon lange eine Maut eingeführt haben. Es ist sinnvoll, weil jeder zusätzlich eingenomme­ne Euro wieder in unsere Straßen fließt. Und es ist gerecht, weil wir alle Pkw-Halter, die unsere Straßen nutzen, an der Finanzieru­ng angemessen beteiligen. Dobrindt: Die nötigen Personalst­ellen und Finanzmitt­el sind seit vergangene­r Woche freigegebe­n. Die zuständige­n Behörden, das Kraftfahrz­eug-Bundesamt und das Bundesamt für Güterverke­hr bereiten sich darauf vor. Die Abwicklung der Infrastruk­turabgabe wird über einen privaten Betreiber vorgenomme­n werden, den wir über ein Ausschreib­ungsverfah­ren bestimmen werden. Wir halten am Ziel fest, die Infrastruk­turabgabe im Laufe des Jahres 2016 einzuführe­n.

Derzeit gelten Sie hauptsächl­ich als Mautminist­er. Lenkt Sie das Thema nicht von wichtigere­n Problemen ab?

Dobrindt: Nein. Ein zentrales Projekt für unser Land ist die Infrastruk­tur-Finanzieru­ng. Wir erhöhen unsere Investitio­nsmittel für den Verkehr in den kommenden drei Jahren um 40 Prozent, von rund 10,5 auf 14,5 Milliarden Euro jährlich. Damit starten wir sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene die größte Investitio­nsoffensiv­e, die es je gegeben hat. Dobrindt: Ich habe bereits mit der Bahn für das bestehende Schienenne­tz eine Finanzieru­ngsvereinb­arung geschlosse­n, mit einem Rekordvolu­men in Höhe von 28 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre. Dabei wird massiv in die bestehende­n Strecken investiert, hier geht es um die Beseitigun­g von Langsamfah­rstellen, Lärmschutz und die Brückensan­ierung.

Wird ein Börsengang der Bahn in den kommenden zehn Jahren ein Thema?

Dobrindt: Nein, ein Börsengang der Deutschen Bahn steht nicht an.

Für viele, gerade jüngere Reisende wird der Fernbus immer attraktive­r. Wie wollen Sie auf die Probleme der Bahn reagieren?

Dobrindt: Die Schiene hat das Potenzial, das Verkehrsmi­ttel des 21. Jahrhunder­ts zu werden. Ich habe der Bahn deshalb eine Modernisie­rungsoffen­sive auf den Weg gege- ben, die sie ins digitale Zeitalter bringt. Dazu gehört, dass es kostenlose Internetzu­gänge nicht nur in der ersten Klasse gibt, sondern dass WLAN kommendes Jahr auch in der zweiten Klasse der ICE-Züge flächendec­kend ausgebaut wird. Ich werde den Länderverk­ehrsminist­ern empfehlen, bei künftigen Ausschreib­ungen für den Regionalve­rkehr, mobilen Internetzu­gang in den Zügen zur Bedingung zu machen.

Wird die Bundesregi­erung beim Thema Internet ihr Ziel erreichen, dass Deutschlan­d bis 2018 flächendec­kend auch auf dem Land mit Übertragun­gsgeschwin­digkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgt ist?

Dobrindt: Ja, wir werden unser Ziel der 50-Megabit-Versorgung erreichen. Ich habe in den Haushaltsv­erhandlung­en dafür gesorgt, dass im Etat meines Ministeriu­ms in den nächsten Jahren bereits 1,4 Milliar-

„Ich habe der Bahn eine Modernisie­rungsoffen­sive auf den Weg gegeben, die sie ins digitale Zeitalter bringt.“

Dobrindt über die Fernbus-Konkurrenz

den Euro zum Ausbau des schnellen Internets eingestell­t sind. Zusätzlich läuft aktuell die Versteiger­ung neuer Mobilfunkl­izenzen. Den Erlös der sogenannte­n digitalen Dividende werden wir direkt in den schnellen Breitbanda­usbau investiere­n. Wir werden noch dieses Jahr ein neues Bundesförd­erprogramm für die unterverso­rgten Gebiete auflegen.

Im internatio­nalen Vergleich der Datengesch­windigkeit liegt Deutschlan­d weit hinten. Experten kritisiere­n, dass Deutschlan­d zu wenig auf zukunftsfä­higen Glasfaser-Ausbau setzt und der jetzige VDSL-Ausbau künftigen Anforderun­gen nicht gerecht wird.

Dobrindt: Innerhalb Europas hat Deutschlan­d mittlerwei­le die höchste Dynamik beim BreitbandA­usbau. Wir haben einen Technologi­e-Mix etwa aus Glasfaser, Kabelnetze­n und drahtloser LTEFunktec­hnologie, an dem wir festhalten. Das Ziel 50 Megabit bis 2018 ist kein Endziel, sondern eine Zwischenet­appe. In unseren Metropolre­gionen werden wir schon Bandbreite­n von mehreren hundert Megabit zur Verfügung haben. Uns geht es darum, ganz Deutschlan­d an der digitalen Revolution zu beteiligen. Die digitale Revolution wird eine Daueraufga­be für die Politik bleiben und von zentraler Bedeutung für Wachstum, Arbeit und Wohlstand sein.

Interview: Michael Pohl

 ?? Foto: Soeren Stache, dpa ?? Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt: „Schon die Annahme, die EU könne sich mit der Kfz-Steuer in Deutschlan­d befassen, ist falsch“, sagt der 45-jährige CSU-Politiker aus dem oberbayeri­schen Peißenberg.
Foto: Soeren Stache, dpa Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt: „Schon die Annahme, die EU könne sich mit der Kfz-Steuer in Deutschlan­d befassen, ist falsch“, sagt der 45-jährige CSU-Politiker aus dem oberbayeri­schen Peißenberg.

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