Ein neues Kobane?
Türkei Bei der syrischen Grenzstadt Tal Abyad beginnt wieder ein Flüchtlingsdrama
Istanbul An der syrisch-türkischen Grenze hat sich am Sonntag ein neues Flüchtlingsdrama abgespielt. Tausende Bewohner der Gegend um die Grenzstadt Tal Abyad, die sich am Grenzübergang versammelt hatten, um bei Akcakale in die Türkei zu gelangen, wurden von den türkischen Sicherheitskräften zunächst abgewiesen. Erst nach langem Warten bei 35 Grad Hitze konnten sie auf eine Einreise hoffen.
Wie beim international kritisierten Stillhalten der Türkei bei den Kämpfen um die nordsyrische Stadt Kobane spielt auch im Fall Tal Abyad das Misstrauen Ankaras gegenüber den syrischen Kurden eine große Rolle. In der Umgebung von Tal Abyad rücken Verbände der Kurdenmiliz YPG, ein Ableger der türkisch-kurdischen Rebellengruppe PKK, gegen die DschihadistenMiliz Islamischer Staat vor. Unterstützt werden sie dabei von Luftangriffen der USA und deren Verbündeten. Eine Einnahme von Tal Abyad durch die Kurden würden die direkte Verbindung zwischen der Türkei und Rakka, der Hauptstadt des IS-„Kalifats“in Syrien und Irak, unterbrechen und für den IS den Nachschub und den illegalen Ölexport in die Türkei erschweren.
Laut kurdischen Medien ist Tal Abyad mittlerweile fast ganz eingekesselt; dort halten sich der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge noch rund 150 IS-Kämpfer auf. Die IS-Zentrale im 80 Kilometer südlich gelegenen Rakka kann keine Verstärkung schicken, weil Konvois mit Waffen und Kämpfern von den US-Kampfjets aus der Luft angegriffen werden.
Die eskalierenden Kämpfe haben in den vergangenen zwei Wochen rund 15000 Flüchtlinge über die Grenze in die Türkei getrieben, wie die Nachrichtenagentur meldete. Seit einigen Tagen verweigert Ankara jedoch die Einreise weiterer Flüchtlinge. Es lässt die Menschen zurückdrängen.
Türkische Medien berichteten, IS-Kämpfer seien auf der syrischen Seite aufgetaucht und hätten einige der abgewiesenen Flüchtlinge gezwungen, wieder nach Tal Abyad zurückzukehren. Türkische Soldaten beobachteten die Aktion der ISMitglieder, griffen aber nicht ein.
Anadolu