Mindelheimer Zeitung

Delfinmädc­hen Serena büxt aus

Capito-Serie Erwachsene erzählen Gute-Nacht-Geschichte­n für Kinder. Heute: Frieda Drescher aus Nördlingen

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Das kleine Delfin-Mädchen, es hatte den schönen Namen Serena bekommen, war gerade einmal ein Jahr alt, als es beschloss, einmal nicht seiner Mama zu gehorchen und sich allein die Welt im großen Wasser anzuschaue­n. Serena war ein kleines neugierige­s Mädchen. Die Mama hatte ihr strikt verboten, sich von der Gruppe zu trennen und sie gebeten, immer in ihrer Nähe zu bleiben.

Serena schwamm aber immer langsamer und wartete auf einen guten Augenblick, um in die Tiefe abzutauche­n. Plötzlich war sie ganz allein, es war ihr doch ein wenig ängstlich zumute. Trotzdem schwamm sie weiter und staunte, was es nicht alles zu sehen gab. Grünzeug, bunte und gestreifte Fische, Algen, Korallenbe­rge. Beinahe hätte sie vergessen aufzutauch­en, um Luft zu schnappen. Schnell schwamm sie nach oben, holte tief Luft und schon tauchte sie wieder unter. So glitt sie immer tiefer und entfernte sich so von den anderen Delfinen. Niemanden sah sie mehr. Einmal musste sie sich zwischen den Algen verstecken, denn über ihr schwamm ein großer Hai. Ihre Mama hatte sie ja schon vor dem Hai gewarnt.

Langsam bekam sie Hunger und sehnte sich nach ihrer Mama. Sie schaute sich um, alles war ihr fremd und kalt. Doch da sie ein mutiges Mädchen war, schwamm sie zu einem grünen langen Ding, das am Boden lag. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sagte: „Hallo, ich bin Serena, ein kleines Delfinmädc­hen. Und wer bist du?“„Ich bin eine Seegurke, lebe am Grund des Meeres und bewege mich fast nicht vom Fleck und esse, was vorbeischw­immt“, lautete die Antwort. „Hmhm: Kannst du mir vielleicht sagen, wie ich die anderen Delfine wieder finde? Ich habe sie verloren.“„Leider nein, ich wusste ja bis jetzt nicht einmal, wie ein Delfin aussieht, du musst jemand anderen finden, der dir helfen kann.“Die Seegurke kringelte sich ein und verstummte.

Serena blickte sich um und entdeckte einen bunt gestreifte­n Fisch – sie hielt ihn an und fragte: „Hallo, ich bin Serena, ein kleines Delfinmädc­hen. Und wer bist du?“„Ich bin Nemo, ein Clownfisch.“Serena fragte wieder: „Kannst du mir vielleicht sagen, wie ich die anderen Delfine wieder finde, ich habe sie verloren.“

Nemo meinte: „Nein, nein, ich weiß es nicht. Die Delfine sind viel zu groß für mich – ich schwimme ihnen aus dem Weg. Du musst jemand anderen finden, der dir helfen kann.“Er schlug mit der Schwanzflo­sse, und weg war er.

Serena wunderte sich sehr – sie blickte sich um und entdeckte im Sand etwas, das sich kreisrund fortbewegt­e. Sie schaute eine Weile zu und dann, husch, war sie unten und flüsterte: „Hallo, ich bin ein kleines Delfinmädc­hen, suche meine Mama und die anderen Delfine, kannst du mir vielleicht helfen. Und, wer bist eigentlich du?“Das Ding hielt an und gab zur Antwort: „Ich bin ein Seestern, habe fünf Arme und lebe am Grund des Meeres, suche dort meine Nahrung, leider kann ich dir nicht helfen – frage doch jemand anderen.“Und er setzte seinen Weg fort.

Serena schwamm wieder an die Oberfläche, um Luft zu holen und zu schauen, ob sie nicht Delfine aus dem Wasser springen sah. Leider nichts. Also kehrte sie wieder in die Tiefe zurück und hielt nach einem anderen Wesen Ausschau.

Da, da schwamm etwas Langes, Dünnes, das ständig zitterte. Sie schwamm ihm entgegen und sagte: „Hallo, ich bin Serena, ein kleines Delfinmädc­hen. Und wer bist du?“„Ich“, sprach der Zitternde, „ich bin ein Zitteraal, komme mir ja nicht zu nahe, ich kann dich durch Strom verletzen. Was kann ich für dich tun?“Serena antwortete ihm: „Weißt du, ich habe meine Mama verloren und suche sie, weißt du vielleicht, wo der Weg der Delfine ist?“„Nein“, meinte der Zitteraal, „Delfine gehen mir aus dem Weg, wegen des Stroms. Du musst schon jemand anderen finden, der dir hilft!“Ein kräftiger Schlag mit seinem Schwanz, weg war er und Serena spürte, dass sie einmal kurz zittern musste.

Wieder schaute sie sich um, da unten, da ist ja noch etwas. Serena schwamm hinunter, schaute sich den Hügel an, sah keinen Kopf, keine Beine und setzte sich einmal kurz auf den Hügel. Langsam schob sich ein Kopf hervor. Serena machte einen Satz und blickte erschrocke­n auf das Gesicht. „Hallo, ich bin Serena, ein kleines Delfinmädc­hen, und wer bist du?“„Ich bin eine Wasserschi­ldkröte, kann im Wasser und auch an Land leben, was suchst du denn hier unten, wo das Wasser ziemlich kalt ist?“„Ich bin neugierig und habe meine Mama verloren, und ich weiß jetzt nicht, wo ich sie suchen soll. Kannst du mir vielleicht helfen?“

„Ja, ja,“die Schildkröt­e überlegte kurz und dann antwortete sie Serena: „Beim Luftholen schau nach der Sonne und wenn sie oben am Himmel steht, schwimme links an ihr vorbei, nach einer Weile wird das Wasser wieder wärmer und dort halten sich die Delfine auf. Viel Glück bei der Su- che!“

Serena bedankte sich und machte sich auf den Weg. Ein Blick auf die Sonne, rechts und links geschaut, schnell kehrte sie ins Wasser zurück und schwamm nach links und immer weiter und weiter. Schon wurde sie ein wenig müde.

Auf einmal sah sie vorne ein paar Schatten – und hörte einen Gesang, der ihr bekannt vorkam. Auf einmal war die Müdigkeit wie weggeblase­n. Nichts interessie­rte sie mehr - sie wollte nur noch dorthin, wo der Gesang herkam. Ein Delfin schaute sich immer wieder um, so als ob er etwas suchen würde. Und er rief laut: „Serena wo bist du? Ich suche dich schon lange und die anderen auch! Serenaaaaa, Serenaaa, wo bist du?“

Serena holte noch einmal Luft und rief so laut sie nur konnte: „Mama, hier bin ich, ich komme gleich! Bitte schimpfe nicht, ich habe so viel erlebt und gesehen. Es war ganz wunderbar. Aber jetzt bin ich froh, wieder bei dir und den anderen zu sein. Ich verspreche dir, so lange ich noch so klein bin, suche ich keine Abenteuer mehr.“Ihre Mama gab ihr ein nasses Küsschen, verzichtet­e auf Schelte und gemeinsam schwammen sie zu den anderen Delfinen. Und Serena musste auch wieder in die Singschule gehen und singen und andere wichtige Dinge lernen.

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Welches der Unterwasse­r-Tiere hat dir am Besten gefallen? Mal es doch in diese Lücke.

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