Die strickenden Männer von Taquile
Tolle Welt Auf einer Insel im Titicacasee gibt es einen alten Brauch, über den sich Fremde freuen und der wichtig für Familien ist
Stricken ist bei uns noch immer vorwiegend Frauensache, auch wenn Buben in der Grundschule schon mal zur Stricknadel greifen dürfen und größere Jungs in Strickgruppen kreativ werden können. Auf Taquile aber ist das anders. Taquile ist eine kleine Insel im Titicacasee. Dieser See ist der größte in Südamerika und gehört zu den Ländern Bolivien und Peru.
Auf Taquile ist das Stricken ausschließlich Männersache. Da haben die Frauen keine Chance. Strickende Männer sind auf der Insel ein alltägliches Bild. Wie Juan und Melchior, die an einem sonnigen Plätzchen an bunten Zipfelmützen stricken, wie sie die Männer auf Taquile tragen. Das Ganze ist eine ziemliche Geduldsarbeit: Einen Monat sind die beiden Männer damit beschäftigt, mit winzigen Maschen komplizierte Muster zu stricken.
Wie die anderen „Stricker“hat Juan schon als Kind die Technik gelernt. Mit sechs Jah- ren hat er angefangen zu stricken. Jetzt, mit 21, ist er ein Meister seines Fachs. Rund 40 Dollar kostet eine Mütze, wie er und sein Freund sie gerade stricken. Das ist nicht viel Geld für die viele Arbeit. Aber auf Taquile ist das ein wichtiger Beitrag zum Lebensunterhalt der Familien.
Manchmal sind auch Botschaften eingebaut
Verkauft werden die kunstvollen Mützen im großen „Kaufhaus“auf dem Hauptplatz des Dorfes. Natürlich gibt es da auch billigere, grobmaschige Mützen, die in ein, zwei Tagen fertig sind, und die man auch bei uns im Winter häufig sehen kann. Doch die müssen ohne die traditionellen Symbole auskommen, die auf Taquile jedermann versteht. Eine Zickzacklinie etwa bedeutet „Weg des Touristen“und symbolisiert „das Herumschwirren der Fremden“. Ihr seht, die Männer auf Taquile müssen viel lernen, bevor sie ihre Käufer „bestricken“können.