Mindelheimer Zeitung

Am alten Hafen

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Als ich Anfang der 1970er Jahre nach Mailand kam, klaffte die „Darsena“, der einstige Hafen der Stadt, wie eine schlecht vernarbte Wunde zwischen dem Navigli-Viertel und dem Stadtzentr­um. Die Mailänder schien das nicht zu stören. Man traf sich entweder davor, bei den „Colonne di San Lorenzo“, oder dahinter, im Szeneviert­el Navigli.

Zwar gehörte die „Darsena“zum städtische­n Vokabular. Doch dass das einmal ein Hafen war, ist uns eigentlich erst durch die Weltausste­llung EXPO 2015 wieder bewusst geworden. Jetzt sitzt man wieder am Ufer der „Darsena“, lässt die Beine über dem Wasser baumeln und stellt sich vor, wie die Stadt Ende des 19. Jahrhunder­ts wohl ausgesehen hat.

Mailand war nie Venedig, hatte aber auch ein Kanalsyste­m, an des- sen Ausbau sich sogar das Universalg­enie Leonardo da Vinci beteiligte. Diese Navigli wurden zu einem wichtigen Handelspla­tz. Die Frach- ter mit den Marmorblöc­ken für den Mailänder Dom legten hier an. Doch 1928 beschloss die Stadtverwa­ltung, die Wasserstra­ßen trockenzul­egen. Nur die drei wichtigste­n blieben verschont.

Zur Weltausste­llung EXPO 2015 sollte die städtebaul­iche Sünde wieder getilgt werden. Aber es fehlte das Geld. Also begnügte man sich mit der „Darsena“. Und die wurde im Nu von den Bewohnern ins Herz geschlosse­n. Vor ein paar Tagen traf ich mich hier mit Freunden. Wir haben Pizza gegessen, ein paar Dosen Bier getrunken und es uns am Uferrand gemütlich gemacht. Neben uns eine Gruppe Studenten mit Gitarre, ein paar Schritte weiter eine Familie, die belegte Brote von zu Hause dabeihatte. Mailand lebt wieder auf – wie im 19. Jahrhunder­t.

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