Die Macht der Gutachter
Dokumentation Die Opfer haben gegenüber den Auftraggebern oft schlechte Karten
ARD, 22.45 Uhr Reken, eine Gemeinde im Landkreis Borken im Regierungsbezirk Münster. Recht beschaulich, rund 14000 Einwohner, viele Wiesen und Weiden im welligen Umfeld. Auch Marnie Gröben wächst hier auf einem Hof auf, wird in jungen Jahren zur Reitlehrerin ausgebildet. Im April 2010 verändert sich ihr Leben auf einen Schlag. Die Dokumentation „Die Gutachterrepublik“berichtet über die junge Frau.
Odyssee von Arzt zu Arzt
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Als Marnie Gröben an einem schönen sonnigen Tag, wie sie berichtet, mal wieder auf der Koppel ist, tritt ein „junges und unerfahrenes Pferd“aus und trifft ihr Knie. Sie rappelt sich wieder hoch, doch der linke Fuß schwillt an, das Bein wird kalt, ihre Mutter bringt sie ins Krankenhaus, eine Odyssee von Arzt zu Arzt beginnt, letztlich wird sie am Kreuzband operiert. Doch damit ist es nicht getan. Die Neurologin Gabriele Arendt von der Düsseldorfer Uniklinik diagnostiziert eine Autoimmunerkrankung.
Der Morbus Sudeck (CRPS) verschlechtert Marnies Gesundheitszustand zusehends, das linke Bein wird amputiert, das rechte wird in Mitleidenschaft gezogen, die junge Frau muss sich im Rollstuhl fortbewegen. Die Unfallversicherung fordert ein Gutachten an, weigert sich schließlich, 400 000 Euro und eine Rente von 1350 Euro zu zahlen, obwohl Neurologin Arendt sagt: Der Unfall sei der Auslöser gewesen, die Versicherung müsse zahlen. Die Versicherung aber legt ein Gegengutachten vor: Der Unfall habe psychische Ursachen. Marnie Gröbens Kampf scheint aussichtslos.
Gutachter haben eine Macht, heißt es in dem große
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richt. Ihre „Urteile“über Sachverhalte und Menschen hätten weitreichende Folgen für das Leben der Begutachteten. Häufig würden Gutachter eingesetzt, um Interessen zu verfolgen - oft von Institutionen, meist gegen den Einzelnen.
Anonymisierte Gutachten könnten weiterhelfen
Und wer den Gutachter auf seiner Seite hat, habe gute Chancen, seine Interessen durchzusetzen – ob vor Gericht oder in staatlichen Institutionen. Der Begriff „Gefälligkeitsgutachten“ist gemeinhin bekannt. Wer eins in Auftrag gibt, bekommt Recht. Experten raten, Gutachtern nur anonymisierte Daten zur Verfügung zu stellen – ohne zu wissen, wer Auftraggeber ist.
Ein anderer Fall ist ein DiplomFinanzwirt, der um die Jahrtausendwende dem Frankfurter „Bankenteam“der Steuerbehörden ange- hörte. Der Mann schätzt das jährliche Volumen, das seine schnelle Eingreiftruppe mit ihren Ermittlungen im Geflecht von Banken, Staat und Politik eintrieb, auf rund eine Milliarde Mark. Plötzlich sei die Schlagkraft der Einheit eingeschränkt worden, heißt es in dem Film.
So sei durch eine „Amtsverfügung“die Höhe der Einzeltransfers, die das „Bankenteam“habe überprüfen dürfen, auf damals 300 000 Mark begrenzt worden. Somit seien größere Deals für die Steuerfahnder nicht mehr zu kontrollieren gewesen.
Bei dem Finanzwirt trat eine Nierenkrankheit ein, das Gutachten aber dazu habe aber ein Psychiater erstellt. Mit ihm habe er bloß ein 30-minütiges banales Gespräch geführt, sagt er im Film. „Der sagte mir dann nur: Machen Sie sich keine Gedanken, alles wird gut.“