Mindelheimer Zeitung

Bayerns Königinnen

Marketing Eigentlich wurde die Monarchie hierzuland­e abgeschaff­t. Dennoch gibt es im Freistaat eine Vielzahl von Hoheiten. Sie repräsenti­eren zwar nicht das Land – aber zumindest einen Teil davon: Zwiebeln, Äpfel, Rosen oder Bier

- VON ANDREAS SCHWARZBAU­ER

Augsburg Langsam schreitet Marlene Speck über den roten Teppich auf ihren Thron zu. Vor der Bühne drängen sich Fotografen und drücken auf die Auslöser. Die 25-jährige Starnberge­rin wurde soeben zur sechsten Bayerische­n Bierkönigi­n gewählt. Sie lässt sich auf dem Herrschers­essel mit dem roten Samtbezug und den goldenen Armlehnen nieder. Ihre Vorgängeri­n setzt ihr feierlich die goldene Krone auf das Haupt. Ihre Regentscha­ft beginnt.

Als Bierkönigi­n wird sie viel unterwegs sein. Vorgängeri­n TinaChrist­in Rüger hatte während ihrer einjährige­n Amtszeit insgesamt 101 Termine. Rüger erzählt: „Ich war voll berufstäti­g, aber ich habe es mit meinem Arbeitgebe­r abgesproch­en. Trotzdem war es mit den ganzen Terminen schon knackig.“

Zahlreiche­n Volksfeste­n, Jubiläumsf­eiern in Brauereien oder Messen hat die Rettungsas­sistentin des Bayerische­n Roten Kreuzes royalen Glanz verliehen. Als Botschafte­rin des bayerische­n Bieres war sie auch in Peking und Dubai. Walter König vom bayerische­n Brauerbund sagt: „Die Bierkönigi­n kann im Ausland authentisc­h das bayerische Lebensgefü­hl repräsenti­eren.“Sie komme einfach besser an als die Verbandsve­rtreter mit Anzug und Krawatte.

Doch nicht nur das Reich der Brauer hat ein gekröntes Oberhaupt. In Bayern wimmelt es nur so von Königinnen. Fast alle Anbauverbä­nde wählen eine eigene Regentin.

Die Vielfalt sei entspreche­nd der Land- und Forstwirts­chaft in Bayern groß, sagt Markus Peters vom Bayerische­n Bauernverb­and. Mit der Königin geben die Verbände ihrem Produkt ein Gesicht. Und so herrschen junge Frauen über Äpfel, Kartoffeln, Gurken oder Meerrettic­he. Im Landkreis Ansbach residiert sogar eine Krautkönig­in.

Weit über 100 Produktkön­iginnen gebe es im Freistaat, vermutet Wolfgang Wiegratz von der „Arbeitsgem­einschaft Deutsche Königinnen“. „Jede Region und jedes Produkt verkauft sich besser, wenn eine Werbefigur dahinter steht, die sympathisc­h und charmant ist“, erklärt Wiegratz.

Die Königinnen kennen sich oft. Sie treffen auf den verschiede­nen Veranstalt­ungen zusammen. So entsteht manche Freundscha­ft. Auf der jährlichen Grünen Woche in Berlin gibt es ein regelrecht­es royales Klassentre­ffen. „Dort sind Königinnen aus ganz Deutschlan­d eingeladen und es gibt eine Königinnen­meile“, erzählt die Schwäbisch­e Rosenkönig­in Jessica Häfele. Die Regentinne­n tauschen untereinan­der Autogrammk­arten aus und kleben sie in ihr Königinnen­buch. Manche schreiben auch einen persönlich­en Spruch dazu.

Ein Pflichtter­min sind die Abdankungs­feiern von befreundet­en Hoheiten. „Man sieht sich fast jedes Wochenende. Deshalb bereiten wir ihnen einen würdigen Abschied“, sagt Rosenkönig­in Jessica.

Im bayerische­n Zwiebelrei­ch steht bald die nächste Krönung an. Das hofft zumindest Georg Rothmayr. Derzeit sitzt seine Tochter Simone auf dem Thron. Ihre Amtszeit ist aber eigentlich vor einem Jahr abgelaufen. Doch es findet sich keine Nachfolger­in. Man kann nicht einfach ein Model dafür buchen. Die Zwiebelkön­igin solle einen Bezug zum Produkt haben und Lage sowie Entstehung­sgeschicht­e des bayerische­n Anbaugebie­ts kennen, erklärt Rothmayr. Eine absolute Zwiebelexp­ertin müsse sie aber nicht sein: „Sie sollte aber schon wissen, wie eine Zwiebel ausschaut.“

Die neue Bierkönigi­n Marlene Speck musste vor ihrer Krönung zeigen, was sie über das Bier wusste. Die verschiede­nen Sorten zu kennen, sei Grundvorau­ssetzung für das Amt, sagt Walter König: „Wenn sie dann noch weiß, wie sie im Brauprozes­s zustandeko­mmen, ist das umso schöner.“66 Kandidatin­nen hatten sich dieses Jahr um das Amt beworben. Die sieben Besten mussten im Finale ein unbekannte­s Bier verkosten und beschreibe­n. Anschließe­nd stellte eine Jury Fachfragen. Marlene Speck überzeugte und wurde zur neuen Regentin gewählt. Für Vorgängeri­n Rüger ist sie eine gute Besetzung: „Sie hat eine gute persönlich­e Ausstrahlu­ng und ein wahnsinnig­es Fachwissen.“

Seit sechs Jahren braut Speck zu Hause in der Küche ihr eigenes Bier. Außerdem probiere sie überall, wo sie hinkomme, die regionalen Marken. Die Etiketten der Flasche klebt sie in ihr Bierverkos­tungsbuch. Ungefähr 200 Wapperl kleben darin.

Am Ende des Abends kann Speck standesgem­äß in ihre Kutsche steigen, denn neben einem maßgeschne­iderten Dirndl, einem Diensthand­y und Strom für ein Jahr erhält die Bierkönigi­n für ihre Amtszeit einen 1er-BMW. Andere Regentinne­n werden nicht so großzügig ausgestatt­et. Sie bekommen oft nur ihre Garderobe und eine Aufwandsen­tschädigun­g.

Die Zwiebelkön­igin sollte schon wissen, wie eine Zwiebel ausschaut

 ?? Archivfoto: Karl Aumiller ?? Beim Imkerfest in Holzheim (Landkreis Dillingen) dankte 2013 die Holzheimer Honigkönig­in ab. Mehr als 20 ihrer Kolleginne­n verabschie­deten sie.
Archivfoto: Karl Aumiller Beim Imkerfest in Holzheim (Landkreis Dillingen) dankte 2013 die Holzheimer Honigkönig­in ab. Mehr als 20 ihrer Kolleginne­n verabschie­deten sie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany