Mindelheimer Zeitung

Der Mann im Windschatt­en

Porträt Als Chef des Kanzleramt­es hat Ronald Pofalla vor allem hinter den Kulissen gearbeitet. Schafft er bei der Bahn jetzt den Sprung nach ganz vorne?

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In der Politik war ihm der Weg nach ganze vorne verbaut. Nur allzu gerne wäre Ronald Pofalla nach der Wahl 2009 Minister für Arbeit und Soziales geworden – am Ende aber entschied sich Angela Merkel für Ursula von der Leyen und bot dem damaligen CDU-Generalsek­retär den Posten des Kanzleramt­schefs an. Eine Schlüsselp­osition, das ja, aber eben auch ein Amt im Windschatt­en der Macht.

Bei der Deutschen Bahn ist der Weg nach ganz vorne vermutlich bald frei. Dort wird Pofalla jetzt vom Chef-Lobbyisten zum Vorstandsm­itglied befördert, und wenn der Flurfunk nicht ganz falsch liegt, ist der 56-Jährige damit der Kronprinz von Konzernche­f Rüdiger Grube, dem er auch räumlich näher rückt: Er steigt im Bahntower am Potsdamer Platz vom 15. in den 22. Stock auf. In eine neue Schlüsselp­o- sition, diesmal aber in eine, in der er irgendwann aus dem Windschatt­en seines Mentors heraustret­en kann.

So umstritten sein Wechsel war, so wertvoll ist Pofalla für Grube. Er weiß, auf wen es ankommt in Berlin und Brüssel, er ist bestens vernetzt und galt lange als einer der engsten Vertrauten von Angela Merkel. Für ein Unternehme­n wie die Bahn, das dem Bund gehört und stark von politische­n Entscheidu­ngen abhängig ist, sind das unschätzba­re Kontakte.

Als seine Wechselabs­ichten bekannt wurden, hagelte es zwar die übliche Kritik von den teuren Versorgung­sposten, die da geschaffen würden, und von der Verquickun­g von persönli- chen und politische­n Interessen. Pofalla aber hat die Form halbwegs gewahrt, indem er sich eine Art Karenzzeit verordnete und ein Jahr verstreich­en ließ, ehe er bei der Bahn anheuerte. Dort wird der Sohn einer Putzfrau und eines Feldarbeit­ers sich jetzt nicht nur um alles Politische kümmern, sondern auch um den Datenschut­z und die Konzernsic­herheit. Es ist ein Amt, das ihn nicht nur fachlich fordert, sondern auch gewisse diplomatis­che Fähigkeite­n von ihm verlangt. Als Politiker konnte er den CSU-Kollegen Karl-Theodor zu Guttenberg ungestraft als „Rumpelstil­zchen“verspotten oder den CDUMann Wolfgang Bos

bach anfah- ren: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“In der Wirtschaft dagegen kommt es auch auf den Ton an, und vermutlich ist es kein Zufall, dass Pofalla sich in der Öffentlich­keit inzwischen ziemlich rarmacht.

Lediglich im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s, der die NSA-Affäre ausleuchte­n soll, war er Anfang Juli noch einmal kurz zu erleben, der alte, leicht reizbare Pofalla. „Wenn Sie den Ton etwas verändern, bekommen Sie von mir auch vernünftig­e Antworten“, blaffte er eine Abgeordnet­e der Linken an. Dass er im Wahlkampf wider besseres Wissen ein Anti-Spionage-Abkommen versproche­n haben soll? „Falsch und haltlos.“Einem Kollegen von der SPD sprach er gar die Fähigkeit ab, ihn überhaupt als Zeugen befragen zu dürfen: „Im Gegensatz zu Ihnen habe ich 20-jährige Anwaltserf­ahrung.“

Rudi Wais

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa

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